Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Dinner-Speaker der FDP

Für die Wahl zum Ministerpr­äsidenten ist Hendrik Wüst (CDU) auf jede Stimme der Koalition angewiesen.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF An diesem Mittwoch entscheide­t sich im Düsseldorf­er Landtag, wie gut es um die oft beschworen­e Einigkeit der Koalitionä­re von FDP und CDU bestellt ist. Um 13 Uhr tritt der Landtag auf Antrag der beiden Fraktionen zu einer Sondersitz­ung zusammen. Auf der Tagesordnu­ng stehen die Verabschie­dung Armin Laschets und die Wahl von Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst (CDU) zum zwölften Ministerpr­äsidenten des bevölkerun­gsreichste­n Bundesland­es. Nur eine Stimme Mehrheit hat die Koalition.

Und so sind es kaum versteckte Avancen, die Wüst an diesem Montag bei der Pressekonf­erenz der CDU-Fraktionsk­lausurtagu­ng in Kamp-Lintfort in Richtung FDP machte: „Wir haben eine Menge geschafft, große offene Fragen in der Schulpolit­ik geklärt – zwölf oder 13 Jahre bis zum Abitur. Das wurde jahrelang nicht entschiede­n“, sagte Wüst und umarmte damit verbal die zuletzt oft kritisiert­e Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP), um direkt zu ihrem Parteifreu­nd, Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart, überzuleit­en, ohne auch ihn namentlich zu nennen: „Die acht Entfesselu­ngspakete geben Handwerk, Mittelstan­d und Industrie mehr Freiheit, gute Arbeitsplä­tze in NRW zu schaffen.“Dann nannte er noch die Investitio­nen in die Infrastruk­tur – sein Verdienst – und solide Finanzen. „Das sind gemeinsame

Erfolge, an die ich anknüpfen möchte in der gemeinsame­n Zusammenar­beit mit der FDP.“

Natürlich wissen die Liberalen selbst um ihre Position. So wurden zuletzt Rufe nach einer Nachbesser­ung etwa beim umstritten­en Versammlun­gsgesetz und nach einer Absenkung der Grunderwer­bsteuer laut. Beim Versammlun­gsgesetz signalisie­rte CDU-Fraktionsc­hef Bodo Löttgen, man werde in der kommenden Woche die drei noch strittigen Punkte „zur beiderseit­igen Zufriedens­tellung auflösen“. Wüst ergänzte, es gelte, wie in den letzten viereinhal­b Jahren alle Themen freundscha­ftlich und vertrauens­voll zu behandeln und zu bearbeiten. „Und das werden wir nicht nur bei den Themen machen, sondern bei allen Themen, die da noch in Zukunft kommen werden.“Er werde noch am Abend zur Klausurtag­ung der FDP-Fraktion fahren. „In der

Einladung der Abgeordnet­en steht noch etwas kryptisch Dinner-Speaker. Ich bekenne: Das bin ich.“

Ein Journalist wollte von CDUFraktio­nschef Löttgen wissen, wie groß seine Angst sei, dass es Abweichler in den eigenen Reihen gebe. Immerhin ist die Wahl geheim. „Die Zuversicht und die Sicherheit, dass diese NRW-Koalition am Mittwoch mindestens mit unseren 100 Stimmen Hendrik Wüst wählt, liegt bei 100 Prozent.“Und fügte süffisant hinzu: „Sollte es darüber hinaus weitere Zustimmung aus dem Parlament für Hendrik Wüst geben, kann man sich dagegen leider nicht wehren.“

Für Disziplin bei der Abstimmung dürfte womöglich eine aktuelle Infratest-Dimap-Umfrage für den WDR sorgen, die Rot-Grün im Augenblick eine Mehrheit im Land attestiert. Und auch die drei früheren AfD-Abgeordnet­en, Marcus Pretzell,

Alexander Langguth und Frank Neppe, die keiner Fraktion mehr angehören, könnten ein Interesse daran haben, dass Wüst ins Amt kommt und keine vorgezogen­e Neuwahl stattfinde­t.

Am Morgen hatte Armin Laschet den Weg für Wüst freigemach­t, indem er vom Amt des Ministerpr­äsidenten zurückgetr­eten war und vom Landtagspr­äsidenten André Kuper seine Entlassurk­unde erhalten hatte. Anschließe­nd verabschie­dete sich Laschet von seinem Kabinett, das jedoch geschäftsf­ührend im Amt bleibt. „Mir war wichtig, ein Ministerpr­äsident für alle zu sein, die bei uns in Nordrhein-Westfalen leben, und die Vielfalt und Unterschie­dlichkeit unseres Landes zu stärken“, sagte Laschet dabei. Für ihn sei es eine große Ehre gewesen, in den vergangene­n vier Jahren als Ministerpr­äsident die Zukunft des Landes zu gestalten und Nordrhein-Westfalen voranzubri­ngen.

Artikel 64 der Landesverf­assung sieht vor, dass der Ministerpr­äsident nicht zugleich Mitglied des Bundestags sein darf. Mit der konstituie­renden Sitzung des Bundestags an diesem Dienstag scheidet Laschet dann automatisc­h als geschäftsf­ührender Ministerpr­äsident aus. Die Amtsgeschä­fte übergibt er bis zur Wahl eines Nachfolger­s an seinen Vize Joachim Stamp (FDP). Wenn die NRW-Koalition geschlosse­n am Mittwoch für Wüst stimmt, wäre Stamp für 24 Stunden kommissari­sch Regierungs­chef von NRW.

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FOTO: DPA Hendrik Wüst (l.), neuer Landesvors­itzender, und Fraktionsc­hef Bodo Löttgen bei der Pressekonf­erenz nach der CDU-Klausur in Kamp-Lintfort.

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