Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Im neuen Bundestag wird es so eng wie nie
BERLIN Das große Hin und Her unter der „fetten Henne“, wie der riesige Bundesadler im Plenarsaal spöttisch genannt wird, ist erst einmal beendet. Für jede Fraktion sind die Sitze montiert, ein paar schwarze Stühle wurden provisorisch noch dazugestellt. Wenn an diesem Dienstag der dienstälteste Abgeordnete, Wolfgang Schäuble (CDU), der zugleich noch amtierender Präsident ist, um 11 Uhr die konstituierende Sitzung des 20. Deutschen Bundestages eröffnet, sollen möglichst viele der 736 Abgeordneten Platz finden. Das eigentliche Stühlerücken findet hinter den Kulissen statt – vor allem bei der Linksfraktion, die statt 69 nur noch 39 Parlamentarier zählt.
Schäubles Eröffnungsrede wird mit Spannung erwartet, denn für ihn ist es eine Art Abschied. Zumindest aus seinem letzten hohen Amt. Seit 49 Jahren gehört der 79-Jährige dem Parlament an, wenigstens das soll so bleiben. Schäuble sei direkt in seinem Wahlkreis gewählt, sagt sein Sprecher: „Er beabsichtigt, das Direktmandat über die volle Wahlperiode wahrzunehmen.“Nach Angaben von Fraktionschef Ralph Brinkhaus wird die Union Yvonne Magwas (CDU) als Vizepräsidentin vorschlagen – und damit als Stellvertreterin von Bärbel Bas (SPD). Magwas (41) ist Vorsitzende der Gruppe der Frauen in der Fraktion.
Bei 736 Abgeordneten wird das Hohe Haus voll wie nie sein, Abstände
können kaum eingehalten werden. Es gelte die 3G-Regel, so die Bundestagsverwaltung. Die Parlamentarier müssen vor der Konstituierung der Parlamentsärztin und ihren Mitarbeitern Impf- oder Genesungsnachweise zeigen oder aber eine Testbestätigung vorlegen, die nicht älter als 24 Stunden ist.
Um die Situation zu entzerren, wurden drei der sechs Besuchertribünen für Abgeordnete reserviert. Oben wird auch Angela Merkel (CDU) mit ihren Ministern Platz nehmen. Merkel und ihr Kabinett erhalten dann voraussichtlich um 17.30 Uhr ihre Entlassungsurkunden. Der Bundespräsident wird sie aber bitten, im Amt zu bleiben, bis eine neue Regierung gefunden ist. So sieht es das Grundgesetz vor.
Nachdem man von 245 auf 197 Parlamentarier geschrumpft ist, müssen gerade CDU und CSU zahlreiche Räume an die Ampel-Fraktionen abgeben. Über die Verteilung wird hinter den Kulissen gerungen. Zwar baut der Bundestag für 70 Millionen Euro 400 neue Büros. Doch erst Ende Dezember wird das Gebäude fertig sein, und dann muss es noch abgenommen werden.
Ein vorläufiges „Raum-Sharing“hat die SPD. Derzeit ist noch unklar, wer sein Büro behält oder wer als „Neuer“wo einzieht. Das gilt auch für Unionsleute wie Kanzlerkandidat Armin Laschet. Er werde wohl ein Büro eines ausgeschiedenen NRW-Abgeordneten erhalten, hieß es in der Fraktion. (mit dpa)