Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ärzte: Es ist noch nicht vorbei

Experten weisen auf steigende Infektions­zahlen und hohe Belastung für Kliniken hin.

- VON JAN DREBES UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN Kurz vor der Konstituie­rung des neuen Bundestags weisen die Intensivme­diziner vehement auf die erneut steigende Corona-Gefahr und die zunehmende Belastung der Krankenhäu­ser hin. „Wir Intensivme­diziner können die Diskussion­en um einen Freedom Day oder deutliche Signale an die Bevölkerun­g ,Es ist vorbei' nicht verstehen. Corona ist nicht vorbei“, sagte der Präsident der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (Divi), Gernot Marx, unserer Redaktion.

Die Zahl der Covid-Patienten auf Intensivst­ationen steige seit zwei Wochen wieder sehr kontinuier­lich, betonte Marx. „Ich erwarte, dass die Politik die Lage auf den Intensivst­ationen erkennt und aktiv hier und jetzt Zeichen setzt. Es ist für all diejenigen auf den Intensiv- oder auch Normalstat­ionen, für die zahlreiche­n

Long-Covid-Patienten und vor allem diejenigen, die noch in den nächsten Wochen und Monaten erkranken werden, in keinster Weise verständli­ch, das Ende der Pandemie zu deklariere­n.“Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hatte sich mehrfach für ein Auslaufen der pandemisch­en Lage starkgemac­ht. SPDFraktio­nschef Rolf Mützenich sagte am Montag in Berlin, dass man eine neue rechtliche Basis für Anti-Corona-Maßnahmen wie Maskenpfli­cht und Abstandsre­geln anstrebe. Eine weitere Verlängeru­ng der „epidemisch­en Lage von nationaler Tragweite“um drei Monate werde nicht angepeilt.

Laut der Deutsche Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensivun­d Notfallmed­izin (Divi) sind bereits heute 20 Prozent der maximal betreibbar­en High-Care-Betten, in denen schwerkran­ke Patienten invasiv beatmet werden können, sowie 35 Prozent der Low-Care-Betten auf Intensivst­ationen gesperrt.

Das heißt, in diesen Betten können keine Patienten behandelt werden, weil das Pflegepers­onal dazu fehlt. Am Stichtag 25. Oktober 2021 wurden 22.064 betreibbar­e Intensivbe­tten im Divi-Intensivre­gister gemeldet. Am 1. Januar 2021 waren es noch 26.475 Betten, also 4411 mehr – und das am Höhepunkt der zweiten Corona-Welle, in der zahlreiche Pflegekräf­te selbst erkrankt waren und ausgefalle­n sind. „Wir sind in der Intensivme­dizin also derzeit in der absurden Situation, dass wir zwar nur rund 1600 Covid-19-Patienten auf den Intensivst­ationen behandeln müssen, gleichzeit­ig fehlen uns aber mehr als 4000 Betten“, so Marx.

Auch die Bundesregi­erung wies auf den Ernst der Lage hin. Regierungs­sprecher Steffen Seibert rief am Montag Ältere und Menschen mit Vorerkrank­ungen auf, das Angebot einer Auffrischu­ngsimpfung wahrzunehm­en. Die Impfung sei „unser bester Schutz, gut durch Herbst und Winter zu kommen“.

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