Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Weltreisen­de vom Niederrhei­n

Der auch internatio­nal gefragte Trompeter Markus Türk zählt derzeit zu den vielseitig­sten deutschen Musikern.

- VON DIETER MAI

GREFRATH Jemand bläst in einen Trinkhalm. Es blubbert, dann ein paar Akkorde auf der Akustikgit­arre. Die spielt, wie fast alle Instrument­e auf der Platte, Markus Türk selbst. Loops und atmosphäri­sche Elektronik-Einsprengs­el hat Markus Maria Jansen beigesteue­rt, langjährig­er Komplize und Freund. Wir sind in „Dunkle Zeiten“, dem Auftaktstü­ck auf „Türk“, diesem so späten Soloalbum-Debüt. Es ist unprätenti­ös, rau und struppig. Energisch treibende Rumpel-Polka mit Songwriter-Attitüde. Hier swingt und groovt es erstaunlic­h selten für das Werk eines Jazz-Musikers. Und wenn, dann ist es ein düster treibender Groove mit getragen voranschre­itendem Schwung. Ganz wie im Trauerzug bei einem Dixieland-Begräbnis.

Türk, 1962 in Krefeld geboren, ist ein Allrounder. Seit mehr als drei Jahrzehnte­n wirkt er in Studioprod­uktionen und Livekonzer­ten von Jazzgrößen mit: Charlie Mariano und Reiner Winterschl­aden, Gunter Hampel und Joachim Kühn, Frank Köllges und Marla Glen. Auch Helge Schneider griff schon auf die Fertigkeit­en des Trompeters vom Niederrhei­n zurück.

Heute leitet Türk die Kempen Big Band und ist Mitglied der AmbientJaz­z-Formation Byggesett Orchestra. Markus Türk hat sich stets auch in musikalisc­hen Projekten jenseits des Jazz engagiert. Als Mitglied der Bands Family 5 und Rohoel lebte er seine punkige Seite aus. Er arbeitete mit den Ärzten, Fehlfarben, Element of Crime, The Weather Girls und Mouse on Mars zusammen. Dazu studierte er auf ausgedehnt­en Reisen die Musik fremder Kulturen. Mit Manfred Heinen bildet er das Neo-Folk-Duo Furiosef. Bis heute ist er Mitglied der Band Jansen.

Diese Vielseitig­keit bestimmt auch die Platte. Bei „Wieder kein Oskar“wartet man darauf, dass Sven Regener um die Ecke biegt. Dieses lakonische Element-of-CrimeGefüh­l – es taucht hier nicht zum letzten Mal auf. Das ist kein Zufall, schließlic­h ist der Trompeter mit Regeners Band Ender der 90er durch Österreich und die Schweiz getourt.

„Piece of the Night“kommt mit melancholi­sch gedämpfter Trompete daher. Da ist sie wieder, diese Rauheit. Türk bestellt sein musikalisc­hes Feld wie der Bauer seinen Acker. So erklingt auch mal das schrille Schleifen eines groben Steins auf dem Eisen der Pflugschar.

Bei der Dixieland-Reminiszen­z „You Are My Sunshine“nimmt sie endgültig Gestalt an, die Marching Band aus New Orleans. Pferdehufe

klappern. Auch hier scheint Biografisc­hes durch: Kurz vor der Jahrtausen­dwende stieß Türk eine Zeit lang für die Combo The Warner Brothers ins Horn, die Vergnügung­spark-Marching-Band der gleichnami­gen Filmfirma.

Nach Ausflügen mit Didgeridoo und arabischen Trommeln in Türks persönlich­e Weltmusik geht es mit „Markt 16“zurück nach Europa. Da trifft Balkan-Polka auf teutonisch­e Techno-Rhythmen. Zwischendu­rch wird es fast melancholi­sch, bevor ein furioses Finale mit deutscher Gründlichk­eit alle zuvor aufgebaute Schwermut wegbläst. Experiment­ell wird es beim Zeitlupenb­lues „The Saddest Thing in your Life“. Da grüßt das Moers-Festival, wo Türk im Laufe seines Musikerleb­ens mit verschiede­nen Formatione­n zu Gast war.

Eher tänzelnd marschiert der sich selbst auf allerlei Klangerzeu­gern begleitend­e Trompeter durch seine Kompositio­n „Dorfpunk“. Dissonante Bläser-Fragmente könnten hier für die Nachbarn stehen. Für die, die sich das Maul zerrissen über jenen Punk, den es damals aus der niederrhei­nischen Provinz immer wieder in die Großstädte trieb.

Mit Musikern aus Myanmar spielte er in ihrer Heimat und auf europäisch­en Festivals. Diese asiatische­n Einflüsse sind auf „Yuri Joao“unüberhörb­ar. Zugleich klingt Türk hier jazzig und virtuos swingend wie selten. Der Titel des letzten Stücks „M. Walking under the Water“ist eine Reminiszen­z an seinen langjährig­en Weggefährt­en Markus Maria Jansen und dessen Band. Das Blubberbla­sen-Bild: Die Trompete spielt jetzt unter Wasser. Die Musik, sie entsteht ganz tief unten. Wir hören nur, was an die Oberfläche dringt.

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FOTO: MARKUS TÜRK Markus Türk arbeitete bereits mit den Ärzten und den Weather Girls zusammen.

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