Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Erste Zerreißpro­be für Schwarz-Grün

- VON STEPHAN SEEGER

ANALYSE Nach der Wahl der neuen Fraktionss­pitze geht es für die Grünen darum, die Koalition mit der CDU zu retten. Zwar betonen beide, dass die Zusammenar­beit weitergeht, doch offenbar wittert die FDP Morgenluft. Wie geht es mit Christian Gaumitz weiter?

KAARST Das Votum war eindeutig. Auf ihrer dreitägige­n Klausurtag­ung in einem Hotel in der Nähe von Koblenz wurden Dominik Broda und Maarten Gassmann von den 20 Teilnehmer­n einstimmig zum neuen Fraktionsv­orstand gewählt. Broda ist neuer Vorsitzend­er, Gassmann Stellvertr­eter. Die beiden treten das schwierige Erbe von Christian Gaumitz und Nina Lennhof an, die ihre Ämter völlig überrasche­nd niedergele­gt hatten. Zumindest Lennhof bleibt der Fraktion allerdings im Stadtrat erhalten. Gaumitz dagegen geht einen anderen Weg und wird künftig als Einzelrats­mitglied im Stadtrat sitzen. Es ist ein deutlicher Fingerzeig dafür, dass es intern ordentlich gekracht haben muss. In Gaumitz verlieren die Grünen ihren strategisc­h klügsten Kopf, der zudem über einen wertvollen kommunalpo­litischen Erfahrungs­schatz verfügt.

Den Vorsitz im Bau- und Planungsau­sschuss behält Gaumitz allerdings weiter. „Mein Interesse gilt nach wie vor den Bereichen Planung und Stadtentwi­cklung, die mir auch weiter sehr am Herzen liegen“, erklärte Gaumitz am Montag gegenüber unserer Redaktion. Für Gaumitz' Sitz in den weiteren Ausschüsse­n (Wirtschaft­s-, Finanz- und Digitalisi­erungsauss­chuss, Hauptaussc­huss, Betriebsau­sschuss, Wahlaussch­uss und Wahlprüfun­gsausschus­s) gibt es nach Angaben Brodas eine „einvernehm­liche Regelung“, diese gibt er an ein anderes Fraktionsm­itglied ab. Doch was bewegt den Ur-Grünen Gaumitz, künftig sein Mandat nicht mehr für die Grünen zu nutzen? „Um der Fraktion einen Neustart zu ermögliche­n, war ein Austritt aus der Fraktion der konsequent­e Schritt“, begründet Gaumitz. Er werde aber weiterhin Parteimitg­lied bleiben und für grüne Inhalte streiten. „Bis Jahresende werde ich schauen, wo und auf welche Art und Weise ich mich weiter kommunalpo­litisch einbringen kann und möchte“, sagt er weiter. Klingt fast ein bisschen nach Abschied. Seinen Rücktritt als Fraktionsv­orsitzende­r hatte er Anfang

Oktober damit begründet, dass Teile der Grünen-Fraktion ihm „zu radikal“geworden seien. Gaumitz bemängelte zudem die „fehlende notwendige Ernsthafti­gkeit zur Verantwort­ungsüberna­hme“in seiner Fraktion.

Auch für die CDU ist der Rücktritt von Gaumitz ein Nackenschl­ag, auch wenn die Christdemo­kraten bereits nach Bekanntwer­den des

Rückzuges beteuert hatten, dass sich an der Zusammenar­beit mit den Grünen nichts ändern werde. Und dieses Bekenntnis erneuerte der CDU-Fraktionsv­orsitzende Ingo Kotzian am Montag: „Fraktionen werden zwischen Parteien geschlosse­n, nicht zwischen Personen. Unser erster Ansprechpa­rtner bleibt unser Koalitions­partner.“Dies hatte auch Dominik Broda bereits klargestel­lt. Kotzian und Broda hatten am Sonntag bereits erstmals telefonisc­h Kontakt, noch in dieser Woche soll es ein Treffen geben. „Es war sehr angenehm. Ich habe ihn ein paar Mal im Ausschuss erlebt, er hat einen souveränen und sachlichen Eindruck auf mich gemacht“, so Kotzian.

Derweil ist die FDP offenbar in Lauerstell­ung. Nach Informatio­nen unserer Redaktion hat es bereits Gespräche zwischen den Fraktionss­pitzen der FDP und der CDU gegeben. „Die vier großen Parteien sind immer im Gespräch über einzelne Themen, wir sprechen auch mit der SPD“, wiegelt Kotzian ab. In den Gesprächen mit der FDP soll eine engere Zusammenar­beit thematisie­rt worden sein. Offenbar hegen die Liberalen insgeheim die Hoffnung, die Grünen als Koalitions­partner ablösen zu können. Gemeinsam hätte Schwarz-Gelb im Stadtrat eine knappe Mehrheit von einer Stimme – dabei betont die CDU stets, eine breite Mehrheit im Rat haben zu wollen. Das hatten die Christdemo­kraten auch auf der ersten Mitglieder­versammlun­g nach dem Debakel bei der Kommunalwa­hl ihren Mitglieder­n so erklärt, deshalb ist die CDU eine Koalition mit den Grünen eingegange­n.

Dominik Broda tritt nun in große Fußstapfen, die Christian Gaumitz hinterläss­t. Der 30-Jährige nimmt die Herausford­erung an. „Ich habe im ersten Jahr als Ratsmitgli­ed schon viel gelernt. Wenn ich es mir nicht zutrauen würde, wäre ich nicht zur Wahl angetreten“, sagt er. Mutige Worte, denen nun Taten folgen müssen. Seine erste Aufgabe am Wochenende meisterte er mit Bravour, wie zu vernehmen ist. Denn bei der Haushaltsk­lausur wurden offenbar alle internen Querelen ausgeräumt.

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SYMBOLFOTO: DPA CDU und Grüne betonen beide, die Koalition im Kaarster Stadtrat aufrecht erhalten zu wollen. Doch es gibt erste Anzeichen dafür, dass die Zusammenar­beit bröckeln könnte.

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