Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Erste Zerreißprobe für Schwarz-Grün
ANALYSE Nach der Wahl der neuen Fraktionsspitze geht es für die Grünen darum, die Koalition mit der CDU zu retten. Zwar betonen beide, dass die Zusammenarbeit weitergeht, doch offenbar wittert die FDP Morgenluft. Wie geht es mit Christian Gaumitz weiter?
KAARST Das Votum war eindeutig. Auf ihrer dreitägigen Klausurtagung in einem Hotel in der Nähe von Koblenz wurden Dominik Broda und Maarten Gassmann von den 20 Teilnehmern einstimmig zum neuen Fraktionsvorstand gewählt. Broda ist neuer Vorsitzender, Gassmann Stellvertreter. Die beiden treten das schwierige Erbe von Christian Gaumitz und Nina Lennhof an, die ihre Ämter völlig überraschend niedergelegt hatten. Zumindest Lennhof bleibt der Fraktion allerdings im Stadtrat erhalten. Gaumitz dagegen geht einen anderen Weg und wird künftig als Einzelratsmitglied im Stadtrat sitzen. Es ist ein deutlicher Fingerzeig dafür, dass es intern ordentlich gekracht haben muss. In Gaumitz verlieren die Grünen ihren strategisch klügsten Kopf, der zudem über einen wertvollen kommunalpolitischen Erfahrungsschatz verfügt.
Den Vorsitz im Bau- und Planungsausschuss behält Gaumitz allerdings weiter. „Mein Interesse gilt nach wie vor den Bereichen Planung und Stadtentwicklung, die mir auch weiter sehr am Herzen liegen“, erklärte Gaumitz am Montag gegenüber unserer Redaktion. Für Gaumitz' Sitz in den weiteren Ausschüssen (Wirtschafts-, Finanz- und Digitalisierungsausschuss, Hauptausschuss, Betriebsausschuss, Wahlausschuss und Wahlprüfungsausschuss) gibt es nach Angaben Brodas eine „einvernehmliche Regelung“, diese gibt er an ein anderes Fraktionsmitglied ab. Doch was bewegt den Ur-Grünen Gaumitz, künftig sein Mandat nicht mehr für die Grünen zu nutzen? „Um der Fraktion einen Neustart zu ermöglichen, war ein Austritt aus der Fraktion der konsequente Schritt“, begründet Gaumitz. Er werde aber weiterhin Parteimitglied bleiben und für grüne Inhalte streiten. „Bis Jahresende werde ich schauen, wo und auf welche Art und Weise ich mich weiter kommunalpolitisch einbringen kann und möchte“, sagt er weiter. Klingt fast ein bisschen nach Abschied. Seinen Rücktritt als Fraktionsvorsitzender hatte er Anfang
Oktober damit begründet, dass Teile der Grünen-Fraktion ihm „zu radikal“geworden seien. Gaumitz bemängelte zudem die „fehlende notwendige Ernsthaftigkeit zur Verantwortungsübernahme“in seiner Fraktion.
Auch für die CDU ist der Rücktritt von Gaumitz ein Nackenschlag, auch wenn die Christdemokraten bereits nach Bekanntwerden des
Rückzuges beteuert hatten, dass sich an der Zusammenarbeit mit den Grünen nichts ändern werde. Und dieses Bekenntnis erneuerte der CDU-Fraktionsvorsitzende Ingo Kotzian am Montag: „Fraktionen werden zwischen Parteien geschlossen, nicht zwischen Personen. Unser erster Ansprechpartner bleibt unser Koalitionspartner.“Dies hatte auch Dominik Broda bereits klargestellt. Kotzian und Broda hatten am Sonntag bereits erstmals telefonisch Kontakt, noch in dieser Woche soll es ein Treffen geben. „Es war sehr angenehm. Ich habe ihn ein paar Mal im Ausschuss erlebt, er hat einen souveränen und sachlichen Eindruck auf mich gemacht“, so Kotzian.
Derweil ist die FDP offenbar in Lauerstellung. Nach Informationen unserer Redaktion hat es bereits Gespräche zwischen den Fraktionsspitzen der FDP und der CDU gegeben. „Die vier großen Parteien sind immer im Gespräch über einzelne Themen, wir sprechen auch mit der SPD“, wiegelt Kotzian ab. In den Gesprächen mit der FDP soll eine engere Zusammenarbeit thematisiert worden sein. Offenbar hegen die Liberalen insgeheim die Hoffnung, die Grünen als Koalitionspartner ablösen zu können. Gemeinsam hätte Schwarz-Gelb im Stadtrat eine knappe Mehrheit von einer Stimme – dabei betont die CDU stets, eine breite Mehrheit im Rat haben zu wollen. Das hatten die Christdemokraten auch auf der ersten Mitgliederversammlung nach dem Debakel bei der Kommunalwahl ihren Mitgliedern so erklärt, deshalb ist die CDU eine Koalition mit den Grünen eingegangen.
Dominik Broda tritt nun in große Fußstapfen, die Christian Gaumitz hinterlässt. Der 30-Jährige nimmt die Herausforderung an. „Ich habe im ersten Jahr als Ratsmitglied schon viel gelernt. Wenn ich es mir nicht zutrauen würde, wäre ich nicht zur Wahl angetreten“, sagt er. Mutige Worte, denen nun Taten folgen müssen. Seine erste Aufgabe am Wochenende meisterte er mit Bravour, wie zu vernehmen ist. Denn bei der Haushaltsklausur wurden offenbar alle internen Querelen ausgeräumt.