Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Vor der Geburt ausgebucht
Der Hebammenmangel betrifft auch Grevenbroich. Die Hebammen Reena Suri und Miriam Kronenberg müssen häufiger Absagen schreiben, als ihnen lieb ist. Dabei sind sie für junge Familien oft der erste Ansprechpartner.
GREVENBROICH Woher die Babys kommen, wissen Reena Suri und Miriam Kronenberg sehr genau. Was sich für Frauen, Babys und generell junge Familien verbessern könnte, wissen die beiden Hebammen aber auch. Beide begleiten Hausgeburten in Grevenbroich und helfen den neuen Müttern in den ersten Wochen nach der Geburt, im sogenannten Wochenbett. Suri und Kronenberg bemerken aber auch den Hebammenmangel.
„Im Moment schreibe ich täglich eine Absage“, sagt Kronenberg. Der Hebamme aus Grevenbroich tue es immer leid, absagen zu müssen. Der allgemeine Hebammenmangel macht auch vor der Schlossstadt nicht Halt. „Es gibt zu wenige Hebammen. Da die Arbeit viel ist, sind einige auch nach ein paar Jahren aufgebrannt“, sagt die 31-Jährige, die seit 2015 in ihrem Beruf arbeitet. Die ersten drei Jahre war Kronenberg in der Klinik in Grevenbroich beschäftigt, wo es damals noch eine Geburtsstation gab. Heute ist sie als freiberufliche Hebamme unterwegs und betreut vor allem Hausgeburten und Geburten im Geburtshaus Düsseldorf, in das auch Familien aus Grevenbroich fahren. Die Nachfrage sei groß. „Vor Monaten war ich schon ausgebucht für den Sommer“, sagt Kronenberg.
„Der größte Hebammenmangel besteht bei der Wochenbettbetreuung“, sagt Kronenbergs Kollegin Suri. Die Hebamme aus Mönchengladbach fährt regelmäßig nach Grevenbroich, um dort Mütter und Babys in den ersten Wochen nach der Geburt zu betreuen. In den ersten zehn Tagen nach der Geburt besucht Suri die Familien täglich. Die Hebamme zeigt den Müttern dann, wie sie ihr Kind stillen können, berät, wenn das Baby einen Hautausschlag hat und überprüft, ob sich die Gebärmutter normal zurückbildet. Außerdem erklärt sie den Eltern, wie sie selbstprüfen können, ob ihr Kind genug zunimmt. „Oft haben Frauen, die zum ersten Mal ein Kind bekommen haben, sehr viele Fragen. Aber auch Familien, die das zweite Kind bekommen, sind oft froh, eine Ansprechpartnerin zu haben“, sagt Suri. Familien, die keine Hebamme fänden, müssten all diese Fragen mit dem Kinderarzt und dem Gynäkologen klären.
Ein Problem bei der Wochenbettbetreung sei die Bezahlung, sagt Kronenberg. „Wir werden pauschal bezahlt. Für einen Besuch haben wir 20 Minuten. So ein Wochenbettbesuch dauert aber eher eine Stunde. Um genug zu verdienen, muss man dann genug Besuche machen – und so entsteht Zeitdruck“, erklärt die Hebamme. Sie plane großzügiger, sage den Paaren aber, dass sie eigentlich nur 20 Minuten habe. „Wenn es aber noch nicht klappt mit dem Stillen, gehe ich natürlich nicht einfach weg, sondern helfe, bis es funktioniert“, sagt Kronenberg. Schwangere sollten spätestens ab der zwölften Woche der Schwangerschaft anfangen, Hebammen anzurufen, rät Suri. Ab der zwanzigsten Woche sei es fast unmöglich, noch eine Hebamme zu finden. „Besonders wenn die Geburt in den Ferien stattfindet, ist es schwer, eine Hebamme für die Wochenbettbetreuung zu bekommen“, sagt Suri.
Wie viele Hebammen in Nordrhein-Westfalen fehlen, sei unbekannt, sagt Barbara Blomeier, Vorsitzende im Landesverband der Hebammen NRW. In diesem Verband sind rund 4500 Hebammen Mitglied. Blomeier beobachtet außerdem eine hohe Bewerberzahl für die Studienplätze in Hebammenkunde. Sie vermutet daher, dass es sich bei dem Hebammenmangel eigentlich nicht um einen Mangel an Hebammen handele, sondern um einen Mangel an Kapazitäten. Viele Hebammen arbeiteten nicht in Vollzeit, sagt Blomeier. Dadurch können sie dann auch weniger Familien betreuen. Wenn Geburtsstationen geschlossen würden, vergrößere das den Druck auf die umliegenden Kreißsäle. „Das bedeutet Mehrarbeit für die Hebammen dort, steigert die sowieso schon hohe Arbeitsbelastung und treibt die Spirale weiter voran“, sagt Blomeier.
In Grevenbroich wurde die Geburtsstation Anfang 2021 geschlossen. Seitdem gilt: Wer sein Kind in Grevenbroich selbst bekommen möchte, ist auf eine Hausgeburt angewiesen. Suri und Kronenberg betreuen Hausgeburten. Weil sie beide an das Geburtshaus Düsseldorf angeschlossen sind und dadurch mit mehreren Hebammen ein Netzwerk bilden, organisieren sie es so, dass bei einer Hausgeburt immer zwei Hebammen dabei sind. Wenn die Frau dann doch in ein Krankenhaus muss, können sie schnell reagieren. „Häufigster Verlegungsgrund in ein Krankenhaus ist, dass die Frau erschöpft ist oder Schmerzmittel haben möchte. Eine Geburt kann ja doch sehr lange dauern“, sagt Suri. Richtige Notsituationen kämen nur sehr selten vor.
Wie bei der Wochenbettbetreuung besteht aber auch bei der Hausgeburtshilfe ein Finanzierungsproblem für die Hebammen. Um Hausgeburten begleiten zu dürfen, müssen Hebammen eine Haftpflichtversicherung abschließen. Diese Versicherung koste mehr als 10.000 Euro pro Jahr, sagt Suri. Als Hebamme bekomme man zwar bis zu 60 Prozent zurückerstattet, wenn man im Quartal
mindestens eine Geburt begleite, man müsse aber erst einmal in Vorkasse gehen. „Weil die Versicherung so teuer ist, versichern sich die meisten Hebammen nicht mehr für das ganze Jahr. Ich selbst war zum Beispiel bis Ende Januar versichert und bin dann erst wieder ab Mai versichert. Das heißt auch, dass ich erst ab Mai wieder Hausgeburten begleiten kann“, sagt Suri.
Seit dem vorigen Jahr hilft Suri auch ab und zu auf der Geburtsstation einer Klinik aus. Sie habe sich auf einen Hilferuf von Kolleginnen gemeldet, deren Geburtsstation geschlossen zu werden drohte, weil es nicht mehr genug Hebammen gab. Nach einer Schicht, in der sie oft mehrere Patientinnen gleichzeitig betreuen müsse, sei sie platt. „Ich ziehe den Hut vor meinen Kolleginnen, die vier Frauen gleichzeitig betreuen und nebenbei noch ganz viel Organisatorisches machen müssen, sagt Suri. Ihren Beruf mag sie aber, wie auch Kronenberg. „An meiner Arbeit liebe ich die Individualität, die Abwechslung und die Möglichkeit, den Verlauf der Schwangerschaft, die Geburt und auch den Start vom Leben des Kindes positiv beeinflussen zu können“, sagt Kronenberg. Die Arbeit sei sehr persönlich und die meisten Frauen gingen sehr bestärkt, selbstbewusst und stolz aus der Betreuung.