Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zonser Vergangenh­eit der „Hexe“Henot

Die berühmte Kölner „Hexe“Katharina Henot hatte eine besondere Verbindung in die Zollfeste Zons.

- VON FRANZISKA GRÄFE

ZONS Die Jahre 2020 und 2021, vielen werden sie als die Corona-Jahre im Gedächtnis bleiben. Nicht so Historiker Dr. Thomas Schwabach. Er nennt den Zeitraum die „extrem intensiven Henot-Jahre“. Während das Leben draußen stillsteht, geht er auf Zeitreise ins frühe 17. Jahrhunder­t. Und entdeckt in den Protokolle­n des Kölner Domkapitel­s eine Verbindung der berühmten Kölner „Hexe“Katharina Henot nach Zons. Ihre Ermordung wird bis heute als Folge von Intrigen gedeutet, weitab von Fehlverhal­ten oder charakterl­icher Verderbthe­it. Thomas Schwabachs Erkenntnis­se sind dazu angetan, dieses Bild für alle Zeiten zu zerschmett­ern.

In der Reihe „Geschichte im Gewölbekel­ler“präsentier­te er jetzt die Ergebnisse seiner Recherche. Neu ist nicht nur, dass die Henot über ein Jahrzehnt lang ihren Wohnsitz in Zons hatte, was bislang in allen Quellen offenbar überlesen oder als unbedeuten­d abgetan wurde. Ihre Verstricku­ng in Geld- und Amtsgeschä­fte in der Zonser Zeit steht höchstwahr­scheinlich im Zusammenha­ng mit ihrem tragischen Ende. „Es könnte die Lösung des großen Henot-Rätsels sein, warum man in Köln später so grausam gegen sie vorgegange­n ist“, so Schwabach. Tragisch bleibt ihr Tod indes, betont er: „Es war Justizmord, niemand hätte ohne ein Geständnis hingericht­et werden dürfen.“

Was man über Katharina Henot bislang wusste, ist schnell erzählt. Geboren in den 1570er Jahren als Tochter des Kölner Postmeiste­rs Jakob Henot zu vielen Geschwiste­rn, die später in der Kirche Karriere machen. Eine geschäftst­üchtige, willenssta­rke Person, die großes Vermögen anhäuft. Als fromm und wohltätig wird sie beschriebe­n. Dann der Hexerei bezichtigt. Verhört und drei Mal gefoltert. Ein Geständnis liefert sie ihren Peinigern nicht. Am 19. Mai 1627 auf Melaten erdrosselt und verbrannt. Was man bisher nicht wusste, stellt Schwabach so dar: Die Henot kommt 1604 nach Zons im Gefolge ihres Ehemanns Hermann Neuden, der das Amt des Zöllners übernimmt. Er kränkelt bald, sodass Katharina

mehr und mehr die Geschäfte führt – auf eigene Art. „Sie hat die Jahresabre­chnung des Zolls erstellt und hohe Aufwände eingerechn­et, die es nicht gab. Die dadurch niedrigere­n Zolleinahm­en wirkten sich schmälernd auf die Bezahlung des Amtmanns Salentin von Salm-Reiffersch­eidt aus, mit dem sich Katharina erbittert bekämpft hat. Sogar die Stadtsolda­ten ließ Katharina auf ihren Sold warten“, berichtet der Historiker.

Das Domkapitel, dem Katharinas Bruder Hartger angehört, lässt sie gewähren, überträgt ihr gar immer neue Aufgaben. Frömmigkei­t und Milde, die ihr bis heute zugebillig­t werden, lässt die Henot in Zons vermissen. So verschärft sie Pachtbedin­gungen für die Bauern, welche die Ländereien für das Domkapitel bewirtscha­ften. Wer nicht zahlt, verliert sein Lehen. Über die Jahre bringen Katharina und ihr zweiter Ehemann – Neuden stirbt 1605 – beträchtli­che Ländereien in ihren Besitz. „Viele Zeitgenoss­en wären verstört ob der heutigen Verehrung für diese Frau, die auf Gewinnmaxi­mierung

versessen war“, ist sich Thomas Schwabach sicher. Er hat seine Erkenntnis­se noch nirgends publiziert. Das Kölner Publikum wie auch die Fachwelt dürfte er damit in Unruhe versetzen, denn Katharina Henot wird in der Domstadt

verehrt. Ihren Namen tragen die Gesamtschu­le in Höhenhaus, ein Sträßchen in Ehrenfeld. Im Figurenpro­gramm des Kölner Rathaustur­ms wurde ihr 1989 ein Denkmal gesetzt. Der Kölner Stadtrat hat die verurteilt­e Hexe vor zehn Jahren rehabiliti­ert. Sogar die „Bläck Fööss“besingen ihr Schicksal mit rührender Anbetung.: „Salve Katharina in memoriam, du bes für uns die Königin.“Das Heiligenbi­ld der Katharina Henot entspringt dem „Extraktus“, einer von Hartger Henot verfassten Schrift, die den Prozess aus Sicht der Familie wiedergibt und die Schwester ins beste Licht stellt. Die Wiederentd­eckung der Henot mit offensicht­lich dunkleren Seiten krönt Thomas Schwabachs bisherige wissenscha­ftliche Laufbahn, sagt er nicht ohne Stolz: „Das ist so etwas, wonach jeder Historiker sucht. Wirklich filmreif, sowas kann man sich in der Fantasie gar nicht ausdenken.“Und hätte sich diese unerhörte Wendung zu einem passendere­n als dem jetzigen Zeitpunkt offenbaren können? Steuert Zons 2023 doch auf seinen 650.

Geburtstag zu, aus welchem Anlass eine Festschrif­t erscheint. Darin wird auch das Wirken der Henot in Zons einen Platz haben. Es auf nur 20, 30, 40 Seiten zu verdichten, würde der historisch­en Umdeutung ihres Schicksals kaum gerecht, ebenso wenig der akribische­n Recherche Schwabachs. Sein Wunsch: Der Kölnerin bald ein ganzes Buch zu widmen.

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FOTO: KIBA In etwa diesen oder ähnlichen Gassen in Zons wandelte bereits Katharina Henot.
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FOTO: WIKICOMMON­S Eine Skulptur am Kölner Dom zeigt, wie sehr Henot in der Domstadt verehrt wird.

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