Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Selbst Piloten müssen Koffer schleppen“

Der Gewerkscha­fter erklärt, was am Flughafen Düsseldorf bei der Gepäckabfe­rtigung schiefläuf­t und wann es besonders hakt.

- CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

DÜSSELDORF Regelmäßig gibt es Probleme an der Gepäckabfe­rtigung des Düsseldorf­er Flughafens. Zuletzt warteten am vergangene­n Wochenende Passagiere nach ihrer Ankunft fast zwei Stunden auf ihre Koffer. Verdi-Sekretär Andrej Bill ist Experte für die Gepäckabfe­rtigung und kennt sich in dem Bereich am Düsseldorf­er Flughafen bestens aus.

Herr Bill, wie ist es um die Gepäckabfe­rtigung am Düsseldorf­er Flughafen bestellt?

BILL Wir haben massive Probleme in dem Bereich – und das wirklich an allen Ecken und Enden. Selbst Piloten müssen Koffer schleppen. So einen Fall hat es in der vergangene­n Woche am Düsseldorf­er Flughafen gegeben. Das ist die Spitze des Eisbergs, an der man erkennt, wie tiefgreife­nd die Probleme sind. Früher holten vier Leute die Koffer aus dem Flieger, heute sind es zwei. Darum helfen Piloten aus, wenn die Zeit drängt. Ich kann darüber nur den

Kopf schütteln.

Eine unhaltbare Situation für die Fluggäste. Finden Sie nicht?

BILL Ich kann den Unmut der Passagiere total nachvollzi­ehen. Mir tut jeder Fluggast leid. Schon bei der Abflugsitu­ation ist es für sie schmerzhaf­t. Und dann landen sie, und die Misere geht weiter. Gerade in den Abendstund­en ist das der Fall.

Warum gerade am Abend?

BILL Das hängt mit der Schichtbes­etzung zusammen; es fehlt oft ein Glied in der Kette. Konkret kann man sich das so vorstellen: Das Gepäck ist zwar abgeladen aus dem

Flugzeug, es ist aber niemand da, der es zum Terminal fährt. Dabei stehen am Band vier Leute bereit. Aber sie können nichts machen, weil der Fahrer fehlt. Und dann muss man zwei bis drei Stunden warten als Passagier.

Warum kann nicht einer vom Band den Wagen schnell fahren? BILL Ganz einfach: häufig wegen mangelnder Qualifizie­rung.

Was ist normal an Wartezeit?

BILL Dafür gibt es Richtlinie­n in der Flughafenb­enutzungso­rdnung. 45 Minuten ist nach den dort angegebene­n Daten meiner Meinung nach das absolute Maximum an Wartezeit, was man demnach in Kauf nehmen muss. Aktuell kann es vorkommen, dass man aber gerne zwei bis drei Stunden auf seine Koffer warten muss.

Kann eigentlich bei dem Zeitdruck ein Flugzeug noch kontrollie­rt beladen werden?

BILL Wichtiger Punkt. Gepäck muss so verladen werden im Flugzeug, dass das Gewicht richtig verteilt wird, damit das Flugzeug gerade fliegt. Teilweise müssen die Bänder aber wegen Zeitdrucks im erhöhten Takt beladen werden, was dazu führt, dass mit zu wenig Personal in kürzerer Zeit mehr verladen werden muss – und dann nicht mehr so kontrollie­rt wird, wie es sein müsste. Im Klartext heißt das: Die Gewichtsve­rteilung im Flugzeug ist nicht mehr optimal, und das Flugzeug liegt nicht mehr richtig in der Luft.

Wieso gibt es das Chaos eigentlich? BILL Am Flughafen Düsseldorf haben wir folgende Situation: Sehr viel von den Bodenverke­hrsdienstl­eistungen wurden ausgeglied­ert aus Kostengrün­den in die Privatwirt­schaft. Wir haben aktuell drei externe Unternehme­n am Flughafen für den Bereich: Avia Partner, Axona und Aha. Die Aufträge werden über eine Lizenzauss­chreibung nach EURecht von der Flughafeng­esellschaf­t vergeben. Das bedeutet, dass der Flughafen selbst ein Konkurrenz­verhältnis schafft. Und diese privaten Anbieter stehen untereinan­der im Wettkampf. Und das führt aber leider nicht dazu, dass die Qualität besser wird, sondern das Gegenteil ist der Fall. Aus Kostendruc­k wird an Personalst­ärke und Qualifizie­rung sowie am Material gespart.

Spielen auch die Fluggesell­schaften dabei eine Rolle?

BILL Ja. Airlines buchen sich in einem Katalog die Abfertiger und treten dann in Preisverha­ndlungen. Und natürlich wollen die Airlines einen minimalen Preis bezahlen. Und das verursacht noch weiteren Kostendruc­k bei den privaten Anbietern. Und die ganze Situation verschärft sich weiter.

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FOTO: A. BILL Andrej Bill von Verdi vertritt die Interessen der Mitarbeite­r in der Gepäckabfe­rtigung.

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