Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Selbst Piloten müssen Koffer schleppen“
Der Gewerkschafter erklärt, was am Flughafen Düsseldorf bei der Gepäckabfertigung schiefläuft und wann es besonders hakt.
DÜSSELDORF Regelmäßig gibt es Probleme an der Gepäckabfertigung des Düsseldorfer Flughafens. Zuletzt warteten am vergangenen Wochenende Passagiere nach ihrer Ankunft fast zwei Stunden auf ihre Koffer. Verdi-Sekretär Andrej Bill ist Experte für die Gepäckabfertigung und kennt sich in dem Bereich am Düsseldorfer Flughafen bestens aus.
Herr Bill, wie ist es um die Gepäckabfertigung am Düsseldorfer Flughafen bestellt?
BILL Wir haben massive Probleme in dem Bereich – und das wirklich an allen Ecken und Enden. Selbst Piloten müssen Koffer schleppen. So einen Fall hat es in der vergangenen Woche am Düsseldorfer Flughafen gegeben. Das ist die Spitze des Eisbergs, an der man erkennt, wie tiefgreifend die Probleme sind. Früher holten vier Leute die Koffer aus dem Flieger, heute sind es zwei. Darum helfen Piloten aus, wenn die Zeit drängt. Ich kann darüber nur den
Kopf schütteln.
Eine unhaltbare Situation für die Fluggäste. Finden Sie nicht?
BILL Ich kann den Unmut der Passagiere total nachvollziehen. Mir tut jeder Fluggast leid. Schon bei der Abflugsituation ist es für sie schmerzhaft. Und dann landen sie, und die Misere geht weiter. Gerade in den Abendstunden ist das der Fall.
Warum gerade am Abend?
BILL Das hängt mit der Schichtbesetzung zusammen; es fehlt oft ein Glied in der Kette. Konkret kann man sich das so vorstellen: Das Gepäck ist zwar abgeladen aus dem
Flugzeug, es ist aber niemand da, der es zum Terminal fährt. Dabei stehen am Band vier Leute bereit. Aber sie können nichts machen, weil der Fahrer fehlt. Und dann muss man zwei bis drei Stunden warten als Passagier.
Warum kann nicht einer vom Band den Wagen schnell fahren? BILL Ganz einfach: häufig wegen mangelnder Qualifizierung.
Was ist normal an Wartezeit?
BILL Dafür gibt es Richtlinien in der Flughafenbenutzungsordnung. 45 Minuten ist nach den dort angegebenen Daten meiner Meinung nach das absolute Maximum an Wartezeit, was man demnach in Kauf nehmen muss. Aktuell kann es vorkommen, dass man aber gerne zwei bis drei Stunden auf seine Koffer warten muss.
Kann eigentlich bei dem Zeitdruck ein Flugzeug noch kontrolliert beladen werden?
BILL Wichtiger Punkt. Gepäck muss so verladen werden im Flugzeug, dass das Gewicht richtig verteilt wird, damit das Flugzeug gerade fliegt. Teilweise müssen die Bänder aber wegen Zeitdrucks im erhöhten Takt beladen werden, was dazu führt, dass mit zu wenig Personal in kürzerer Zeit mehr verladen werden muss – und dann nicht mehr so kontrolliert wird, wie es sein müsste. Im Klartext heißt das: Die Gewichtsverteilung im Flugzeug ist nicht mehr optimal, und das Flugzeug liegt nicht mehr richtig in der Luft.
Wieso gibt es das Chaos eigentlich? BILL Am Flughafen Düsseldorf haben wir folgende Situation: Sehr viel von den Bodenverkehrsdienstleistungen wurden ausgegliedert aus Kostengründen in die Privatwirtschaft. Wir haben aktuell drei externe Unternehmen am Flughafen für den Bereich: Avia Partner, Axona und Aha. Die Aufträge werden über eine Lizenzausschreibung nach EURecht von der Flughafengesellschaft vergeben. Das bedeutet, dass der Flughafen selbst ein Konkurrenzverhältnis schafft. Und diese privaten Anbieter stehen untereinander im Wettkampf. Und das führt aber leider nicht dazu, dass die Qualität besser wird, sondern das Gegenteil ist der Fall. Aus Kostendruck wird an Personalstärke und Qualifizierung sowie am Material gespart.
Spielen auch die Fluggesellschaften dabei eine Rolle?
BILL Ja. Airlines buchen sich in einem Katalog die Abfertiger und treten dann in Preisverhandlungen. Und natürlich wollen die Airlines einen minimalen Preis bezahlen. Und das verursacht noch weiteren Kostendruck bei den privaten Anbietern. Und die ganze Situation verschärft sich weiter.