Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Fünf Fotos als Bauplan für den „Eifel-Oldie“
Georg Becker hat jenen Ford T aus den 1920er Jahren rekonstruiert, mit dem einst der Rennfahrer Gustav Münz den Rundkurs in der Eifel bestritt. Bald geht der Laacher mit dem selbst gebauten Oldie in Nideggen an den Start.
GREVENBROICH Mit Karacho durch die Eifel: Diesen Sommer vor genau 100 Jahren jagten tollkühne Rennfahrer ihre Wagen zum ersten Mal über die Schotterpisten des Mittelgebirges. Damals, 1922, war die Rundfahrt eine Sensation in den beschaulichen Dörfern zwischen Düren, Zülpich und Monschau. Denn sie rückten plötzlich in den Fokus der noch jungen Motorsport-Szene, in denen sich beispielsweise die Opel-Brüder ausprobierten. Das war die Zeit vor dem Nürburgring; die Eifelrundfahrt der Vorgänger des späteren Eifelrennens.
Der Laacher Georg Becker lässt den Renn-Kult der 20er Jahre mit einigen Oldtimer-Enthusiasten wieder aufleben – mit der „Eifelrundfahrt 1922“. Seit einigen Jahren erlebt die Rundfahrt von einst am Original-Schauplatz ein Revival, zum 100-Jährigen aber planen Becker und zwei Mitstreiter vom Motorsportclub „Burgring Nideggen“eine große Veranstaltung in der Eifel-Kleinstadt. Für das Event am 17. Juli sind bislang 50 Teilnehmer gelistet, die mit Vorkriegs-Autos und -Motorrädern an den Start gehen wollen. Es werden viele Zuschauer erwartet. „Wir möchten den Flair von 1922 wieder in die Eifel bringen“, sagt Georg Becker.
Auch er wird zeitgenössisch anreisen – diesmal mit einem Oldtimer, den er in den vergangenen zwei Jahren mit großem Aufwand rekonstruiert hat. Das Vorbild: jenes T-Modell der Marke Ford, mit dem der Rennfahrer Gustav Münz im Jahr 1926 die letzte Auflage der ursprünglichen Eifelrundfahrt bestritten und gesiegt hatte. 1200 Arbeitsstunden hat Becker in den Ford gesteckt, den er von Grund auf neu aufbaute.
Baupläne existieren nicht mehr, deshalb orientierte sich Becker an fünf historischen Fotos, die den Original-Ford zeigen. „Das Fahrgestell habe ich einem Sammler aus Texas abgekauft“, sagt der Grevenbroicher. Aus alten Beständen konnte er auch einen Motor, ein Getriebe, die Achsen sowie andere Kleinteile auftreiben und den 28-PS-Boliden so wieder flott machen.
Den „Rest“, also die gesamte Karosserie, musste Becker aber selbst aufbauen. „Ich habe den Aufbau zuerst eins zu eins aus Pappe auf den
Rahmen gesetzt und dann damit begonnen, die Teile aus Metall zu fertigen“, berichtet der 61-Jährige. Mit Unterstützung seines Schwiegervaters walzte er nach „alter Schule“mit zeitgenössischem Werkzeug und viel Muskelkraft alle Bleche zurecht. Er brachte sie so in Form, dass sie vernietet werden konnten. „500 Nieten stecken bestimmt im Ford“, sagt der 61-Jährige, der von Haus aus nicht etwa Karosseriebauer, sondern Elektromeister ist. Elektronik ist in dem Ford aber kaum verbaut: Das alte Schätzchen funktioniert weitgehend mechanisch, hier ist der Fahrer noch Kraft-Fahrer. Die Pedalerie, die
Lenkung und andere Teile kommen weitgehend ohne technische Helferlein aus, Servolenkung etwa war in den 20ern ein Fremdwort.
Ein entsprechend großes hölzernes Lenkrad, zwei Sitze, die ein Sattler aus altem Leder gefertigt hat, große runde Scheinwerfer, ein Benzintank und das Ersatzrad nebst Luftpumpe runden die Ausstattung ab. Becker hat den Wagen mit viel Liebe zum Detail rekonstruiert – klar, dass es eine H-Zulassung für den Ur-Ford gibt. Auch technisch ist alles top: Vor wenigen Wochen ist Gustav Münz‘ Rennwagen durch den TÜV gekommen.
Jetzt gibt es eine neue Version des silbern glänzenden Klassikers, mit dem der Dürener Rennfahrer einst über die Pisten der Eifel donnerte. „Ich schätze, dass er zu 90 Prozent dem Original entspricht“, sagt Georg Becker. Nur Kleinigkeiten musste er ändern. Den vor 100 Jahren noch freiliegenden Spritleitungen etwa hatten die Prüfingenieure aus Sicherheitsgründen eine Absage erteilt. Becker jedenfalls ist zufrieden mit der Rekonstruktion und dem Fahrerlebnis. Er freut sich, dass der Wagen rechtzeitig fertig geworden ist. Und für den 17. Juli hofft er auf Sonne über Nideggen.