Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Designerin an der Hobelbank
Für Lucia Siebold bietet das triale Studium inklusive einer praktischen Tischlerlehre die perfekte Ausbildung.
(rps) Der Wunsch, einen kreativen Beruf zu erlernen, hatte sich bei Lucia Siebold während der intensiven Begegnung mit der Umgestaltung eines 200 Jahre alten Bauernhauses, zugleich einem münsterländischen Baudenkmal – und ihr Elternhaus – verfestigt. „Hierbei hat mich aber auch die Arbeit der Handwerker und der gesamte Bauprozess stets sehr fasziniert“, erzählt sie.
Immer schon hat sie sich gerne ausprobiert, im Nähen und Werken, hatte Zeichen- oder Töpferkurse belegt: „Viel kennenlernen, austesten und mitnehmen, das war mir wichtig.“Schließlich fiel ihre erste Wahl nach dem Abitur auf ein Architekturstudium. Doch sie brach es ab und nahm eine Ausbildung im Tischlerhandwerk auf. Die Corona-Pandemie spielte bei dem Entschluss durchaus eine Rolle, denn ein Studium, das vor allem auf einen Gestaltungsberuf vorbereiten soll, im Fernlehrmodus konnte aus ihrer Sicht nicht gut funktionieren. „Ich wollte und will intensiver und detaillierter lernen“, sagte die 22-Jährige. Die Schreinerausbildung war schnell eine echte berufliche Alternative, nachdem sie bereits zuvor in Praktika das Arbeiten mit dem Werkstoff Holz kennengelernt hatte.
„Meine Freunde aus dem Studium in der Hochschule Düsseldorf waren ein wenig schockiert“, erzählt Lucia Siebold. Im Grunde führe ihr Weg aber weiter in eine sehr ähnliche Richtung, in der auch ihr Umfeld sie sah und daher die Richtigkeit ihrer Entscheidung nicht wirklich in Zweifel zog. Ihren Ausbildungsbetrieb, die Firma Gerber in Duisburg, fand sie über die Agentur für Arbeit; ihre Bewerbung führte zu einem zweiwöchigen Praktikum und anschließend zum Ausbildungsplatzangebot. Wichtig war der jungen Frau, dass es ein größeres Unternehmen ist, mit Projekten aus unterschiedlichen Bereichen: „Im Betrieb werden alle Mitarbeiter vielseitig gefordert und gefördert.“
Was fasziniert sie jetzt in der Ausbildung an der konkreten Tätigkeit? „An der Hobelbank sind die schönsten Momente. Man taucht ab. Vertieft sich in alle anstehenden Herausforderungen. Zum Glück an der Seite eines sehr präzise arbeitenden Gesellen, welcher auf detaillierteste Art und Weise Möbelstücke plant und umsetzt“, antwortet Siebold. „Im Handwerk arbeitet man nie alleine und lernt auf diese Weise sehr viel von den anderen. Und dann ist es noch die Vielfalt: Jeder Tag bringt andere Aufgaben.“Die weniger schönen sind für Siebold die
„Muss-Routinen“, wie sie sagt, zum Beispiel Späne aufsaugen und die Werkstatt fegen. Aber das gehöre eben auch dazu.
Die Möglichkeit, durch den Bachelorstudiengang in handwerklichem Produktionsdesign („Craft Design“) gestalterische Kompetenz in Praxis und Theorie auf hohem Niveau verbinden zu können, hatte Lucia Siebold erst nach Ausbildungsbeginn entdeckt. Und auch ihr Arbeitgeber erkannte schnell die Vorzüge. Die beiden Geschäftsführer Karl Heinz Gerber senior und junior erhofften sich davon, dass ihre Auszubildende durch die unterschiedlichen Arten zu lernen, zusätzliche Kompetenzen erwerben und einbringen könnte. In der Praxis hat sich das schon erwiesen – beispielsweise in der Anwendung von Gestaltungsprinzipien oder beim Thema Computergeneriertes Zeichnen in Planungsprozessen.
Ihre Lehre und das Studium in „Craft Design“laufen nicht nur parallel, sondern auch verschränkt, erklärt Siebold. In Berufsfelderkundungen lernt sie Tätigkeiten und Arbeitsabläufe in Kreativberufen des Handwerks kennen. Im Studium geht es fachlich um Form und
Farbe, aber auch um Designgeschichte und Designethik. Am Ende wird sie außerdem geschult sein in zusätzlichen technischen Kompetenzen wie Produktfotografie, in digitalen Entwurfsprozessen, in Corporate Design und medialer Kommunikation – und nicht zuletzt in Unternehmensführung.
Im Schlussabschnitt des neunsemestrigen Ausbildungsprogramms durchläuft die angehende Tischlerin dann im Rahmen des trialen Studium auch noch die Meisterfortbildung. Zwar ist das Lehrangebot hybrid, wird aber durch
Präsenzphasen an der Diploma Hochschule in Hannover ergänzt.
Kraft für das anspruchsvolle Pensum schöpft Lucia Siebold unter anderem aus der Arbeit selbst, daraus, „zu sehen, was meine Kollegen und ich zusammen geschaffen haben“. Sich weiter zu verbessern, sei für sie auch nach dem letzten Qualifizierungsschritt nicht abgeschlossen. Und: Sie könnte sich gut vorstellen, im Handwerk zu bleiben, sowohl als Tischlerin, später vielleicht auch an verantwortlicher Stelle in der Projektplanung.