Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Ein neuer Daten-Kompass für die Zukunft
Ein neues Analyse-Dashboard soll der Wirtschaftsförderung der Stadt Neuss helfen, ihre Arbeit möglichst früh und gezielt auf die Entwicklungen am Standort auszurichten. Weitere Schritte sind bereits geplant.
NEUSS Es geht auch um Pioniergeist. Einst waren es Goldschürfer, die neues Land erschlossen und in deren Zuge ganz neue Wirtschaftszweige sowie Siedlungs- und Bevölkerungsstrukturen entstanden. Heute gelten Daten als das Gold des digitalen Zeitalters, und wer sie entsprechend zu heben versteht, der hält einen Schatz in Händen. Ein solcher Schatz soll auch das sein, was Rainer Bovelet vom Kommunikationsbüro „Synergie 2“und Alexander Gaubatz von der Creditreform jetzt mit ihrer datenbasierten Statusanalyse der kleinräumigen städtischen Wirtschaftsstruktur für die Stadt Neuss vorgelegt haben. „Es geht um ein völlig neuartiges Tool, das Unternehmens- und Verbraucherdaten verknüpft. Neuss ist meines Wissens die einzige Kommune, die so etwas überhaupt hat“, sagt Bovelet. Die Daten sollen Grundlage und Werkzeug für die Arbeit der Wirtschaftsförderung werden.
Wo Unternehmen und ganze Branchen im Wandel sind, macht dieser auch vor der Wirtschaftsförderung nicht Halt. Schneller, effizienter und vorausschauender wird sie in Zukunft im Wettbewerb der Regionen agieren müssen. Die Daten, die im Zuge des ersten Moduls des Projekts „VIA 2040 Stadt Neuss“– VIA steht für Veränderung, Innovation und Aktivierung – zusammengetragen wurden, sollen dabei wichtige Orientierungspunkte geben. Die Wirtschaftsförderung erhält ein Analyse-Dashboard zur Hand, das ein bis auf Straßenzüge herunter skalierbares Monitoring erlaubt und nicht nur Wirtschaftssektoren sowie eine Branchenanalyse umfasst, sondern auch Eckdaten wie zum Beispiel zu Kaufkraft oder Arbeitslosenquote im jeweiligen Beobachtungsgebiet, also zum Beispiel den Stadtteilen. „Mit wenigen Klicks erhält man eine sehr tiefgehende Analyse“, sagt Gaubatz. So lässt sich zum Beispiel ermitteln, wie sich einzelne Branchen, ihre Mitarbeiterzahl und ihr Umsatz entwickeln, inklusive Risikoanalyse. Beobachtungsgebiete können individuell angepasst werden. Wie steht es um Branchen oder junge Unternehmen, wo gibt es Gewinner und Verlierer und welche Bedeutung haben sie für den lokalen Arbeitsmarkt – auch das lässt sich ablesen.
Für die Arbeit der Wirtschaftsförderung bedeutet das: Wo Veränderungen
im Datensatz auftreten, kann eine Tiefenanalyse angezeigt sein – inklusive Ableitung, wo und welcher Handlungsbedarf besteht und wie man bestmöglich und frühzeitig auf die Entwicklung reagiert. „Das Tool verändert den Charakter der Basisarbeit von Wirtschaftsförderungen“, sagt Bovelet. Wo es bislang eher allgemeine Entwicklungen gab, auf die es zu reagieren galt, zeigen die Daten diese raumzentriert auf. Doch dafür müssen sie stetig aktualisiert werden. „Wir empfehlen mindestens jährlich“, sagt Bovelet. Gespräche mit der Stadt laufen.
Natürlich gilt weiterhin, dass Zukunftsprognosen
schwierig sind. Die Daten und das Modellprojekt, das bei Erfolg in weiteren Kommunen ausgerollt werden könnte, sollen helfen, die Wahrscheinlichkeit für einen möglichst optimal aufgestellten Wirtschaftsstandort und dessen Erfolg zu erhöhen. Doch die Daten ermöglichen zudem einen Blick in den Rückspiegel. Denn es lässt sich auch ableiten, ob bestimmte Maßnahmen fruchten oder nachgesteuert werden muss. In ihrer Analyse der Bestandsdaten zum Beispiel stellten Bovelet und Gaubatz fest, dass sich die Zahl der Unternehmensgründungen seit 2018 in
Neuss sehr gut entwickelt habe. „In 2018 haben wir auch begonnen, unsere Aktivitäten für Gründer zu verstärken“, sagte Wirtschaftsförderer Andreas Galland jüngst auf dem Zukunftskongress in Neuss.
Nun geht es zunächst darum, wie es mit dem Projekt „VIA 2040“weitergeht. An dessen Ende soll eine wirtschaftsstrategische Agenda für die Stadt Neuss stehen. Dazu sind zwei weitere Module geplant. Im zweiten Modul geht es um die „Innenwahrnehmung“, Entscheider in Neuss werden zu ihrer Sicht auf den Standort befragt. „Wir wollen herausfinden, was die Unternehmen bewegt“, erklärt Bovelet. Im dritten Modul sollen 100 Top-Entscheider aus Deutschland ihre Sicht auf Neuss äußern, von Standortbedingungen bis hin zum Blick auf Schützenfest und Hafen – also auf alles, was die Stadt prägt. Noch muss die Politik für die weiteren Schritte grünes Licht geben. Die Ergebnisse von „VIA 2040“könnten im Laufe des Jahres 2024 vorliegen.