Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Seit 30 Jahren im Einsatz für Kinder
Kinder und Jugendliche da erreichen, wo sie wohnen: Diesen Kerngedanken verfolgt die Stadt mit ihrer Spielmobilarbeit. Seit drei Jahrzehnten tourt das bunte (Kult-)Mobil durch Grevenbroich. Das wird gefeiert. Und es gibt Zukunftspläne.
GREVENBROICH Wenn der bunte Bus anrollt, sind Kinder meist nicht weit. Auch in Zeiten von Spielekonsolen stehen greifbare Spielzeuge wie Pedalos, Stelzen, Riesenmikado oder XXL-Puzzle bei kleinen Grevenbroichern hoch im Kurs. Nicht nur die jüngsten Bewohner der Schlossstadt schätzen das Spielmobil, das regelmäßig durch die Stadtteile tourt und gezielt Spiel- und Quartiersplätze ansteuert, um Kindern und Jugendlichen einen Schutzraum sowie Abwechslung durch eine Reihe von Spielgeräten zu bieten. Das Mobil kommt auch in die Stadtteile, die nicht reich sind an Angeboten für Zwei- bis Zwölfjährige, dahin, wo Defizite bestehen. Bei jedem Halt sind es im Schnitt zwischen 30 und 40 kleine Besucher, die das kostenfreie Angebot nutzen.
Jetzt feiert das Spielmobil der Stadt runden Geburtstag. Der Fahrzeugschein offenbart: Am 22. Juni 1992 wurde der Bus – damals noch in schlichtem Weiß lackiert – zum ersten Mal zugelassen. Das ist nun 30 Jahre her. Der klassische Kastenwagen ist inzwischen so etwas wie Kult auf den Straßen der Stadt, bald vielleicht sogar mit H-Kennzeichen. „Viele Eltern, die mit ihren Kindern zu uns kommen, kennen das Spielmobil noch aus ihrer Kindheit“, sagt Nicole Ebel. Sie ist „Mrs. Spielmobil“, manövriert den rustikalen Benz tapfer (weil ohne Servolenkung) an jedes Ziel – auch in entfernter liegende Stadtteile. An ihrer Seite weiß sie mehrere Bundesfreiwilligendienstleistende, die ebenfalls mit dem bunten Mobil unterwegs sind.
Aber das Spielmobil ist mehr, als nur Belustigung für Kinder. Es geht auch um Kinderrechte, darum, die Quartiere stärker in den Blick zu nehmen und ihnen – so formuliert es Jugendamtsleiterin Birgit Schikora – „eine Stimme zu geben“. Das Spielmobil, das heute vom Team der Alten Feuerwache betrieben und von der Stadt finanziert wird, schafft pädagogisch betreute, offene und partizipative Spielangebote.
„Grevenbroich ist groß, nicht alle Kinder können in die Stadtmitte kommen. Deshalb kommen wir dahin, wo die Kinder zu Hause sind“, sagt Andrea Kückels, pädagogische Leiterin der Alten Feuerwache. „Wir suchen die Kinder auf. Für die junge Zielgruppe ist das entscheidend, gerade in einer Flächenstadt wie Grevenbroich“, sagt Christian Abels, Leiter der Einrichtung.
Bereits Ende der 80er Jahre hatte man in Grevenbroich den Gedanken verfolgt, den Sozialraum der Kinder aufzusuchen. Seitdem bestehen Kooperationen auch mit Schulen. Und: Seitdem ist das Spielmobil auch bei besonderen Bedarfslagen im Einsatz. Damals, als während der Jugoslawien-Krise Geflüchtete in Kapellen untergebracht waren und Kinder durch die Spielmobilarbeit auf andere Gedanken kommen konnten, und heute, zum Beispiel am Berufsbildungszentrum. Dort sind zurzeit
Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht, viele mit Kindern. „Beim Spielen erleben sie Unbeschwertheit. Entscheidend ist, dass das auch ohne Sprache funktioniert“, sagt Nicole Ebel, die das BBZ erst kürzlich mit dem Spielmobil angesteuert hat.
Ihr als Hauptamtlerin und den anderen Mitgliedern des SpielmobilTeams geht es darum, den Kindern Abwechslung zu bieten, einen Raum zum Spielen zu schaffen. Aber auch darum, Ansprechpartner etwa bei den Problemen zu sein, die Kinder beschäftigen – oder deren Eltern, die oft dabei sind. Den Mitarbeitern kommt hier eine Art Lotsenfunktion zu, sie können Tipps geben, an welche Stellen sich Eltern bei bestimmten Fragestellungen wenden können.
30 Jahre Spielmobil: Einerseits ein runder Geburtstag, der passend zur Erstzulassung diesen Mittwoch, 22. Juni, mit einem Spielplatzfest gefeiert werden soll (siehe Infokasten). Andererseits verdeutlicht der Geburtstag auch, dass seit drei Jahrzehnten derselbe Bus durchs Stadtgebiet rollt. Allmählich wird es Zeit, den betagten „Düsseldorfer“in Rente zu schicken. „Technisch gesehen ist zu erwarten, dass das Spielmobil nicht mehr allzu lang hält“, sagt Sabrina Hinterlang, kaufmännische Leitung der Alten Feuerwache. Der Oldie soll nun noch einmal eine frische TÜV-Plakette bekommen – wahrscheinlich zum letzten Mal. „Option wäre die Anschaffung eines neuen, größeren Spielmobils“, sagt Christian Abels. Finanziert werden könnte das beispielsweise über eine Crowdfunding-Aktion. Für den Leiter der Alten Feuerwache steht aber schon jetzt fest: Das alte Kult-Mobil soll bleiben, vielleicht in Form eines Veranstaltungsmobils nur für das Gelände des soziokulturellen Zentrums.