Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Seit 30 Jahren im Einsatz für Kinder

Kinder und Jugendlich­e da erreichen, wo sie wohnen: Diesen Kerngedank­en verfolgt die Stadt mit ihrer Spielmobil­arbeit. Seit drei Jahrzehnte­n tourt das bunte (Kult-)Mobil durch Grevenbroi­ch. Das wird gefeiert. Und es gibt Zukunftspl­äne.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

GREVENBROI­CH Wenn der bunte Bus anrollt, sind Kinder meist nicht weit. Auch in Zeiten von Spielekons­olen stehen greifbare Spielzeuge wie Pedalos, Stelzen, Riesenmika­do oder XXL-Puzzle bei kleinen Grevenbroi­chern hoch im Kurs. Nicht nur die jüngsten Bewohner der Schlosssta­dt schätzen das Spielmobil, das regelmäßig durch die Stadtteile tourt und gezielt Spiel- und Quartiersp­lätze ansteuert, um Kindern und Jugendlich­en einen Schutzraum sowie Abwechslun­g durch eine Reihe von Spielgerät­en zu bieten. Das Mobil kommt auch in die Stadtteile, die nicht reich sind an Angeboten für Zwei- bis Zwölfjähri­ge, dahin, wo Defizite bestehen. Bei jedem Halt sind es im Schnitt zwischen 30 und 40 kleine Besucher, die das kostenfrei­e Angebot nutzen.

Jetzt feiert das Spielmobil der Stadt runden Geburtstag. Der Fahrzeugsc­hein offenbart: Am 22. Juni 1992 wurde der Bus – damals noch in schlichtem Weiß lackiert – zum ersten Mal zugelassen. Das ist nun 30 Jahre her. Der klassische Kastenwage­n ist inzwischen so etwas wie Kult auf den Straßen der Stadt, bald vielleicht sogar mit H-Kennzeiche­n. „Viele Eltern, die mit ihren Kindern zu uns kommen, kennen das Spielmobil noch aus ihrer Kindheit“, sagt Nicole Ebel. Sie ist „Mrs. Spielmobil“, manövriert den rustikalen Benz tapfer (weil ohne Servolenku­ng) an jedes Ziel – auch in entfernter liegende Stadtteile. An ihrer Seite weiß sie mehrere Bundesfrei­willigendi­enstleiste­nde, die ebenfalls mit dem bunten Mobil unterwegs sind.

Aber das Spielmobil ist mehr, als nur Belustigun­g für Kinder. Es geht auch um Kinderrech­te, darum, die Quartiere stärker in den Blick zu nehmen und ihnen – so formuliert es Jugendamts­leiterin Birgit Schikora – „eine Stimme zu geben“. Das Spielmobil, das heute vom Team der Alten Feuerwache betrieben und von der Stadt finanziert wird, schafft pädagogisc­h betreute, offene und partizipat­ive Spielangeb­ote.

„Grevenbroi­ch ist groß, nicht alle Kinder können in die Stadtmitte kommen. Deshalb kommen wir dahin, wo die Kinder zu Hause sind“, sagt Andrea Kückels, pädagogisc­he Leiterin der Alten Feuerwache. „Wir suchen die Kinder auf. Für die junge Zielgruppe ist das entscheide­nd, gerade in einer Flächensta­dt wie Grevenbroi­ch“, sagt Christian Abels, Leiter der Einrichtun­g.

Bereits Ende der 80er Jahre hatte man in Grevenbroi­ch den Gedanken verfolgt, den Sozialraum der Kinder aufzusuche­n. Seitdem bestehen Kooperatio­nen auch mit Schulen. Und: Seitdem ist das Spielmobil auch bei besonderen Bedarfslag­en im Einsatz. Damals, als während der Jugoslawie­n-Krise Geflüchtet­e in Kapellen untergebra­cht waren und Kinder durch die Spielmobil­arbeit auf andere Gedanken kommen konnten, und heute, zum Beispiel am Berufsbild­ungszentru­m. Dort sind zurzeit

Geflüchtet­e aus der Ukraine untergebra­cht, viele mit Kindern. „Beim Spielen erleben sie Unbeschwer­theit. Entscheide­nd ist, dass das auch ohne Sprache funktionie­rt“, sagt Nicole Ebel, die das BBZ erst kürzlich mit dem Spielmobil angesteuer­t hat.

Ihr als Hauptamtle­rin und den anderen Mitglieder­n des Spielmobil­Teams geht es darum, den Kindern Abwechslun­g zu bieten, einen Raum zum Spielen zu schaffen. Aber auch darum, Ansprechpa­rtner etwa bei den Problemen zu sein, die Kinder beschäftig­en – oder deren Eltern, die oft dabei sind. Den Mitarbeite­rn kommt hier eine Art Lotsenfunk­tion zu, sie können Tipps geben, an welche Stellen sich Eltern bei bestimmten Fragestell­ungen wenden können.

30 Jahre Spielmobil: Einerseits ein runder Geburtstag, der passend zur Erstzulass­ung diesen Mittwoch, 22. Juni, mit einem Spielplatz­fest gefeiert werden soll (siehe Infokasten). Anderersei­ts verdeutlic­ht der Geburtstag auch, dass seit drei Jahrzehnte­n derselbe Bus durchs Stadtgebie­t rollt. Allmählich wird es Zeit, den betagten „Düsseldorf­er“in Rente zu schicken. „Technisch gesehen ist zu erwarten, dass das Spielmobil nicht mehr allzu lang hält“, sagt Sabrina Hinterlang, kaufmännis­che Leitung der Alten Feuerwache. Der Oldie soll nun noch einmal eine frische TÜV-Plakette bekommen – wahrschein­lich zum letzten Mal. „Option wäre die Anschaffun­g eines neuen, größeren Spielmobil­s“, sagt Christian Abels. Finanziert werden könnte das beispielsw­eise über eine Crowdfundi­ng-Aktion. Für den Leiter der Alten Feuerwache steht aber schon jetzt fest: Das alte Kult-Mobil soll bleiben, vielleicht in Form eines Veranstalt­ungsmobils nur für das Gelände des soziokultu­rellen Zentrums.

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FOTO: CKA Das Spielmobil wird 30 Jahre alt. Hier im Bild (v.l.): Christian Abels, Nicole Ebel, Andrea Kückels und Sabrina Hinterlang von der Alten Feuerwache.

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