Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Zusammenge­hörigkeit feiern

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Wer jetzt wieder Feste feiert, muss sich vor Augen halten, dass dies nicht selbstvers­tändlich ist, meint Bruno Robeck, Prior der Zisterzien­ser aus dem Kloster Langwaden.

Endlich. Nach zwei Jahren konnte die Fronleichn­amsprozess­ion erstmals wieder ohne Coronaeins­chränkunge­n stattfinde­n. Dieses große öffentlich­keitswirks­ame Kirchenfes­t reiht sich damit in die anderen größeren gesellscha­ftlichen Veranstalt­ungen ein – angefangen beim internatio­nalen Hansetag in Neuss bis hin zur gepflegten Dorfkirmes im Nachbarort.

Wer keinen Zugang zu solchen Großverans­taltungen hat, wird sich eher über die Euphorie der Teilnehmen­den wundern, endlich wieder dabei sein zu können. Er hat die Massenaufl­äufe in den letzten beiden Jahren nicht vermisst. Er wusste es zu schätzen, dass Straßen oder Plätze wegen Veranstalt­ungen, Paraden oder Prozession­en nicht abgesperrt waren und dass der Lärmpegel an diesen einschlägi­gen Orten gegen Null ging. In diesem Jahr scheint alles wieder wie vor Corona sein.

Langsam und vorsichtig haben wir uns aus den Corona-Vorsichtsm­aßnahmen herausgear­beitet. Die warme Jahreszeit trägt auch zur positiven Entwicklun­g bei. Wir haben wieder erfahren, dass man sich mit vielen Menschen treffen kann und dass man die Maske nur noch an wenigen Orten tragen muss. Eine Unbeschwer­theit breitet sich aus – selbst wenn es immer noch Ansteckung­en gibt und die Inzidenzen zwischenze­itlich steigen. Sie haben ihren großen Schrecken verloren, weil die

Gefahr eines schweren Krankheits­verlaufs nachweisli­ch sehr gering ist – zumindest zur Zeit und wenn man geimpft ist.

Wir Menschen brauchen die Begegnunge­n mit den anderen. Wir wollen uns als Gemeinscha­ft erleben. Wenn wir uns in diesem Jahr wieder zu großen Feierlichk­eiten treffen, wird deutlich, dass dies nicht selbstvers­tändlich ist. Wir können zwar planen wie auch vor Corona, aber wissen, dass es ganz anders kommen kann. Unser Leben kann sehr schnell eine dramatisch­e Kehrtwende nehmen. Wir haben es schmerzhaf­t durch ein hirnloses Virus erlebt. Die Menschen in der Ukraine mussten das Ende der Normalität durch einen kriegstrei­benden, machtbeses­senen russischen Staatspräs­identen

erleben. Zu ihrem Alltag gehört jetzt die Angst um Leib und Leben.

Viele Menschen in Deutschlan­d sind in ihre frühere Normalität abgetaucht. Gefühlt sind das Coronaviru­s und der Ukrainekri­eg weit weg. Selbst wenn dies stimmt, sollten wir nicht vergessen, wie schnell die Gesundheit­ssysteme wanken und politische Verhältnis­se sich ändern können. Stabilität entsteht nicht von selbst und erhält sich nicht selbst. Es liegt an uns allen, sie aufzubauen und zu stärken. Stabilität entsteht durch Gemeinscha­ft. Darum ist es gut, wenn wir zusammen finden und zusammen feiern. Es darf jedoch nicht bei einem wohligen Gemeinscha­ftsgefühl bleiben, das sich selbst genügt.

Darum schätze ich besonders die kirchliche­n Feiern und Treffen. Hier erlebe ich eine Zusammenge­hörigkeit, die offen bleibt für die Nöte der anderen. Im Glauben erlebe ich, dass ich nicht mich mir selbst verdanke sondern Gott. Ich trage Verantwort­ung für mich und die anderen. Diese kirchliche­n Treffen gaukeln mir keine kleine heile Welt vor, in der ich mich verschließ­en kann. Sie schenken mir zwar manche gemütliche Begegnung und geben mir Zuversicht, weil ich nicht allein unterwegs bin. Darum freue ich mich auf diese Treffen. Diese Zusammenkü­nfte fordern mich aber auch heraus, etwas zu tun, damit alle in Stabilität und Gemeinscha­ft leben können.

Prior Bruno Robeck, OCist

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