Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gefährlich­e Blutsauger

Die Frühsommer-Meningoenz­ephalitis ist die gefährlich­ste Erkrankung, die durch Zecken ausgelöst werden kann. Eine Impfung hilft. Für wen sie sinnvoll ist.

- VON TANJA WALTER

Man sieht sie nicht und fühlt sie meist erst, wenn es schon zu spät ist. Die Zecke hat dann längst gebissen. Oft erst Tage oder Wochen danach zeigen sich erste Symptome. Denn Zecken übertragen mitunter gefährlich­e Infektions­krankheite­n. Besonders gefürchtet: die Frühsommer-Meningoenz­ephalitis, auch FSME abgekürzt. Was man über die von Zecken verursacht­en Krankheite­n wissen sollte und wie man sich am besten schützt.

Welche Krankheite­n können Zecken übertragen Der Biss des kleinen Parasiten kann mehr als 50 Krankheite­n auslösen. Am häufigsten und am gefürchtet­sten sind in Deutschlan­d aber vor allem zwei Krankheite­n: zum einen die Borreliose, eine bundesweit vorkommend­e Bakterieni­nfektion. Weitaus gefürchtet­er ist die durch Viren ausgelöste Frühsommer-Meningoenz­ephalitis, die zwar weitaus seltener vorkommt, in extremen Fällen jedoch tödlich enden kann und im Unterschie­d zur Borreliose nicht therapierb­ar ist. Das Robert-Koch-Institut (RKI) listet inzwischen 175 FSME-Risikogebi­ete allein innerhalb Deutschlan­ds.

Welche Risikogebi­ete gibt es in Deutschlan­d Das höchste Risiko, sich hierzuland­e über einen Zeckenbiss mit FSME zu infizieren, ist im süddeutsch­en Raum gegeben. Schon lange zählen Bayern, BadenWürtt­emberg und Südhessen zu den Risikogebi­eten. Auch das südöstlich­e Thüringen und Sachsen reihen sich ein. Doch breiten sich die FSME-übertragen­en Zecken immer weiter aus. Schon seit einigen Jahren beobachten Experten wie Gerhard Dobler, Leiter des Deutschen Konsiliarl­abors für FSME, auch einzelne Fälle in NRW. Im Kreis Aachen dokumentie­rte man solche bereits, in Steinfurt, Wesel, Borken und im Rhein-Sieg-Kreis. Erstmals listet das RKI nun jedoch den Städtekrei­s Solingen in der Liste der Risikogebi­ete. Einzelne Risikogebi­ete befinden sich auch in Mittelhess­en, im Saarland, in Rheinland-Pfalz und Niedersach­sen.

Wie bemerkt man eine FSME Die gute Nachricht vorweg: In 70 bis 95 Prozent der Fälle bleibt die FSMEInfekt­ion milde oder verursacht keine Symptome. Einige bemerken jedoch ein bis zwei Wochen nach dem Zeckenbiss grippeähnl­iche Symptome wie Fieber, Kopfschmer­zen, *

Erbrechen oder Schwindel. Meist klingen diese Beschwerde­n nach einigen Tagen wieder ab und die Krankheit ist ausgestand­en. Bei einigen Erkrankten kommt es jedoch nach einer Woche erneut zu Beschwerde­n, die das zentrale Nervensyst­em betreffen. Es kann dann zu einer Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute oder des Rückenmark­s kommen, wie die Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung mitteilt. Infolge dessen können Lähmungser­scheinunge­n an Armen und Beinen auftreten, ebenso Schläfrigk­eit, Schluck- und Sprechstör­ungen oder Atemlähmun­g. Im schlimmste­n Fall endet die FSME tödlich.

Wer sollte sich gegen FSME impfen lassen Das RKI empfiehlt Personen die Impfung, die in einem Risikogebi­et wohnen. Für Personen innerhalb NRWs ist dieser Schutz also sinnvoll, wenn sie im Raum Solingen leben oder arbeiten. Auch wer in Risikogebi­ete reist oder sich aus berufliche­n Gründen oft und lange in der Natur aufhält, sollte sich nach Empfehlung des RKI mit einer Impfung

schützen. Da Kinder sich häufig im Freien aufhalten, sieht das RKI auch die Impfung von Kindern für sinnvoll an. Diese können ab dem Alter von einem Jahr geimpft werden. Bei der Impfung von Erwachsene­n steht vor allem im Fokus, sie vor schweren Verläufen zu schützen.

Wie oft sollte man sich gegen FSME impfen lassen Um eine Grundimmun­isierung zu erreichen, sind drei Impfungen erforderli­ch. Ein bis drei Monate nach der ersten Impfung kann die zweite Impfung erfolgen. Der dritte Piks erfolgt dann nach weiteren fünf bis zwölf Monaten. Nach drei Jahren wird eine erste Auffrischi­mpfung empfohlen. Weitere

Auffrischu­ngen erfolgen im Abstand von fünf Jahren. Ab einem Alter von 50 bis 60 Jahren empfiehlt das RKI die Auffrischi­mpfung im Abstand von drei Jahren. Bei Reisen in FSME-Risikogebi­ete kann nach einem Schnellsch­ema ein Impfschutz auch kurzfristi­g erreicht werden.

Welche Nebenwirku­ngen können nach einer Impfung auftreten Wie bei allen Impfungen kann es zu Schmerzen, Rötungen oder Schwellung­en an der Einstichst­elle kommen. In den ersten vier Tagen nach dem Piks können sich zudem Fieber, Kopf-, Muskel- oder Gliedersch­merzen zeigen. Auch Unwohlsein und Magen-Darm-Beschwerde­n können vorkommen. In seltenen Fällen wurden schwere Nebenwirku­ngen wie allergisch­e Reaktionen und in Einzelfäll­en Erkrankung­en des Nervensyst­ems beschriebe­n, die länger anhalten können.

Was sind die Symptome einer Borreliose Eine Infektion mit über Zecken übertragen­en Borrelien kann verschiede­ne Organe befallen und unterschie­dliche Symptome hervorrufe­n. Am häufigsten kommt es nach einigen Tagen bis Wochen zur sogenannte­n Wanderröte, die von Fieber, Muskel- und Kopfschmer­zen sowie Müdigkeit begleitet sein kann. In anderen Fällen ist das Nervensyst­em betroffen. Typisch dafür sind brennende, vor allem nächtlich auftretend­e Nervenschm­erzen, Taubheitsg­efühle, Seh- oder Hörstörung­en. In seltenen Fällen sind Arme, Beine oder Rumpf gelähmt. Auch Herz- oder Gelenkentz­ündungen können infolge einer Borreliose auftreten. Eine frühzeitig mit Antibiotik­a behandelte Borreliose heilt schnell und meist vollständi­g aus.

Was kann man sonst noch tun, um sich zu schützen Damit die Zecken erst gar nicht auf die Haut gelangen, bieten bei Ausflügen ins Grüne feste Schuhe, eine lange Hose und Shirts mit langem Ärmel einen gewissen Schutz. Ebenfalls wirkungsvo­ll: Hosenbeine in die Socken stecken. Unterstütz­end helfen auch Abwehrspra­ys oder -cremes. Grundsätzl­ich sollte man nach Aufenthalt­en in Wald und Feld den Körper gründlich nach Zecken absuchen.

Wo beißen Zecken am liebsten Es gibt kaum Körperarea­le, an denen nicht schon Zecken gesichtet wurden. Am liebsten beißt sich der kleine Blutsauger jedoch fest, wo die Haut weich, gut durchblute­t und dünn ist. Untersuchu­ngen zeigen, dass vor allem Bauch, Brust, Lendenbere­ich und Kniekehlen zu den beliebten Körperzone­n zählen. Laut RKI lassen sich die Blutsauger auch gerne am Haaransatz nieder, in den Achseln, den Ellenbeuge­n oder gar am Genitalber­eich. Bei Kindern klettern die Spinnentie­rchen häufiger bis auf den Kopf.

An welcher Stelle sind Zeckenbiss­e am gefährlich­sten Ganz gleich, ob am Kopf, Hals oder der Kniekehle – ein Zeckenbiss ist an jeder Stelle gleich risikoreic­h. Entscheide­nder ist hingegen, wie schnell man den Blutsauger dort entdeckt. Denn wird die Zecke rechtzeiti­g entfernt, lässt sich zumindest das Risiko einer Borreliose reduzieren. Der Krankheits­erreger, die Borrelien also, gelangen nämlich erst nach mehreren Stunden vom Mitteldarm der Zecke in die Blutbahn des Menschen. Bei der Übertragun­g von FSME gibt es keinen zeitlichen Vorteil. Das Virus wird mit dem Biss der Zecke über ihren Speichel gleich übertragen. Die Symptome aber treten erst nach rund einer Woche auf.

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FOTO: DPA Wie klein Zecken sind, zeigt der Vergleich mit einer Ein-Cent-Münze.

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