Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
RheinLand trotzt Pandemie und Flut
Die RheinLand-Versicherungsgruppe von 1880 ist ein Neusser Traditionsunternehmen. Jetzt hat es einen sorgsam geplanten Generationswechsel im Vorstand eingeleitet.
NEUSS Eine Naturkatastrophe von historischer Dimension: Die gewaltige Flutwelle, die in der Nacht zum 15. Juli des Vorjahres das Ahrtal und weite Teile der Eifel verwüstete, sorgte in Verbindung mit dem Sturmtief Bernd für den größten Einzelschaden in der 142-jährigen Geschichte der RheinLandVersicherungsgruppe. 57 Millionen Euro muss der Neusser Versicherer nach eigenen Angaben zur Schadenregulierung aufbringen. Das Unwetter sowie die andauernde Corona-Pandemie inklusive Übersterblichkeit bescherten der RheinLand-Gruppe im Geschäftsjahr 2021 ein nach Steuern halbiertes Ergebnis von 6 Millionen Euro. Dennoch leitet RheinLand-Vorstand Christoph Buchbender auch eine gute Nachricht aus der Ergebnis-Delle ab: „Wir haben die gewaltige Schadenssumme verkraftet.“Mehr noch: Erneut schüttet das börsennotierte Unternehmen eine Basisdividende in Höhe von 1,20 Euro je Aktie aus. Im Vorjahr hatte es zum runden Firmengeburtstag zusätzlich einen 20 Cent-Bonus gegeben. Die Jubiläumsrechnung lautete: 120 Cent Dividende plus 20 Cent Bonus gleich 140 Cent gleich 140 Jahre.
Auf der jüngsten Hauptversammlung der RheinLand Holding AG am Dienstag (21.) im Neusser Crowne Plaza Hotel, der einzigen Präsenz-HV eines Versicherers in Deutschland, legte der Vorstand Rechenschaft ab und erntete für das Zahlenwerk mehr Lob als Kritik. Die wichtigsten Fakten in der Übersicht:
Kennzahlen Das Beitragswachstum setzte sich auch 2021 fort. Das Volumen wuchs um 4,1 Prozent auf 641,1 Millionen Euro; im Teilbereich Komposit gar um stolze 16,6 Prozent von 260,9 auf 304,3 Millionen Euro. Ein Minus von 7,1 Prozent im Bereich Restkredit war erwartet worden und erklärt sich aus dem angekündigten Rückzug aus dem italienischen Markt. In absoluten Zahlen legten die Verwaltungskosten zwar um 1,6 Millionen Euro auf jetzt 88,6 Millionen zu, gleichzeitig sank aber die Kostenquote auf 14,3 Prozent. „Unsere Effizienzprogramme wirken“, sagt Vorstand Lothar Horbach, „unser Ziel sind 12 Prozent und da kommen wir auch hin.“Bei den Kapitalanlagen erzielte die RheinLand
Gruppe mit knapp 1,7 Milliarden Euro eine Nettoverzinsung von 1,7 Prozent und erlöste somit 28 Millionen Euro – 800.000 Euro über Plan. „Das Ergebnis stimmt uns froh, aber es war ein hartes Stück Arbeit“, sagt Vorstand Arne Barinka, der sich zuversichtlich zeigt, „dass wir 2022 trotz Krieg in der Ukraine wieder ein vergleichbares Ergebnis erzielen werden.“
Ergebnis Durch die Inanspruchnahme von Mit- und Rückversicherungen reduzierte sich der Aufwand zur Schadensregulierung in den Überflutungsgebieten zwar auf 11,5 Millionen Euro netto, die aber sorgten für das schlechteste Ergebnis seit Jahren: 10,1 Millionen vor Steuern, im Vorjahr waren es noch 18,0 Millionen gewesen. Nach Steuern blieben 6 Millionen Euro nach 13,5 Millionen im Geschäftsjahr 2020 übrig. Das Eigenkapital wuchs bescheiden, aber immerhin es wuchs um 600.000 Euro auf jetzt 216,3 Millionen.
Aktie Das RheinLand-Papier wurde in der Spitze mit 47,40 Euro an der Börse gehandelt; aktuell wird es mit 42 Euro notiert. Der Vorstand nehme den Kurs zur Kenntnis, heißt es unisono, aber die RheinLand werde nicht mit Blick auf die Aufs und Abs der Börse gesteuert. Wie gut die RheinLand dastehe, mache eine beispielhafte Rechnung deutlich: Werde der Aktienwert mit 40 Euro je Stück angenommen, so ergebe sich bei vier Millionen ausgegebenen Papieren ein Börsenwert von 160 Millionen Euro für die RheinLand Holding AG – bei einem Eigenkapital von 216,3 Millionen Euro. „Die
RheinLand wird immer noch unterschätzt“, sagt Horbach.
Prognose Die Unwetter 2022 führten bisher zu zirka 15.000 Schäden mit einem Schadenaufwand von 9,4 Millionen Euro, von denen nach Einschätzung der RheinLand beim Unternehmen „netto zirka 4 bis 5 Millionen Euro“hängen bleiben werden, wenn Rückversicherung und Schwankungsrückstellung zur Regulierung herangezogen wurden. Obwohl die Fallzahlen deutlich über dem Vorjahresniveau – noch vor der Flutkatastrophe und Bernd – liegen, spricht der Vorstand von einer „für unsere Breiten üblichen Wettersituation“. So erwartet der RheinLand-Vorstand für das laufende Jahr eine Umsatzsteigerung auf 674 Millionen Euro mit einem Ergebnis vor Steuern von 15 bis 19 Millionen – also auf 2020er Niveau. Ein Wachstumstreiber soll dabei unter anderem das Maklergeschäft in den Niederlanden sein. Was mit 13 Partnern und 20 Millionen Euro vor zwei Jahren im Nachbarland begann soll bereits 2022 mit 40 Partnern und 75 Millionen Euro Umsatz zu einer stabilen Erfolgsgeschichte werden. Vorstand Andreas Schwarz kommentiert knapp: „Ein profitables Geschäft.“Zum Vergleich: Deutsche Makler sollen 2022 insgesamt 175 Millionen Euro Umsatz machen; weiteres Wachstum und eine Fokussierung auf gute Vertriebspartner stehen dabei im Vordergrund.
Außendienst Die RheinLand-Gruppe vertraut weiterhin auf den eigenen Außendienst als stabilen Umsatzbringer von 140 Millionen Euro plus X jährlich. „Das ist unsere DNA“, sagt Christoph Buchbender, „da steckt ganz viel RheinLand, ganz viel Herz drin.“Vor allem entlang der Rheinschiene sind 230 Verkäufer in 102 Agenturen unterwegs, um Privat- und Gewerbekunden zu betreuen. Bis 2025 strebt der Versicherer 300 Verkäufer an.
Investitionen Als „starkes Bekenntnis zum Standort RheinLandplatz“bezeichnet Vorstand Arne Barinka die bauliche Umgestaltung der Zentralverwaltung in Neuss. Mit einem Aufwand von zwei Millionen Euro wurden der Tagungsbereich und das Betriebsrestaurant modernisiert, neue Arbeitswelten geschaffen. Nach eigenen Angaben hat die RheinLand in den vergangenen fünf Jahren acht bis zehn Millionen Euro in ihre Immobilie investiert.
Personalia Im Vorstand vollzieht sich derzeit ein Generationswechsel. Nachdem bereits vor zwei Jahren der langjährige Vorstand Udo Klanten
ausschied, werden in diesem Jahr nun Lothar Horbach (62) und Christoph Buchbender (66) folgen. Neben Arne Barinka (51, seit 2020) und Andreas Schwarz (57, seit 2018) werden dann Lutz Bittermann (56) und Ulrich Hilp (48) den vierköpfigen RheinLand-Vorstand bilden. Bittermann, der seit Jahren für die RheinLand als Verantwortlicher Aktuar tätig ist, kam bereits 2006 zum Unternehmen und übernimmt am 1. Juli das Finanzressort in der Holding. Mit seiner Familie ist er in Korschenbroich zuhause. Der promovierte Jurist Hilp ist seit April 2022 RheinLand-Vorstand, verfügt über langjährige Erfahrung im Versicherungswesen und übernimmt sukzessive die Vorstandsaufgaben von Christoph Buchbender. Hilp wohnt mit seiner Familie in Düsseldorf.
Herausforderungen und Selbstverständnis Nach Überzeugung von Christoph Buchbender gibt es für die RheinLand zum Wachstumskurs keine Alternative: „Allein schon die Inflation zwingt uns zu wachsen!“Darum müsse die RheinLand zurück zu Vor-Steuern-Ergebnissen von „15 bis 20 Millionen Euro“in den Folgejahren. Gemessen am Eigenkapital erwirtschafte das Unternehmen dann eine Rendite von 7 bis 9 Prozent. Das zeige: „Wir sind gesund, wir sind erfolgreich.“So sieht es offenbar auch Ulrich Hilp, der die RheinLand folgendermaßen charakterisiert: „Wir wollen auch weiterhin der Partner sein, der auf Augenhöhe spricht, zuhört und lösungsorientiert handelt.“Es gehe um Kontinuität, Verlässlichkeit und dabei um Offenheit für Neues.