Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Erdbeerpfl­ücken macht glücklich“

- VON IRIS WILCKE

Noch bis Mitte Juli ist Erdbeersai­son: Nicht nur bei Anwohnern, auch bei internatio­nalen Gästen ist das Selberernt­en direkt auf dem Feld beliebt. Eine Landwirtin und zwei Aushilfen erzählen.

NEUSS Vorsichtig stellt Jingkun Yang die leere Plastiksch­üssel auf die Waage. Der Zweijährig­e ist mit seinen Eltern Xinshiyu Yin und Wenhuai Yang zum Erdbeerpfl­ücken nach Neuss-Allerheili­gen gekommen. Im Erdbeerhäu­schen wird seine Schale von Aushilfe Carolina angenommen: Sie vermerkt das Leergewich­t der Schale und versieht diese mit einem Klebezette­l. Dann reicht sie die Schüssel zurück an den jungen Kunden. Der macht sich mit Mama und Papa gleich auf den Weg hinter das Häuschen, wo reihenweis­e herrlich rote Erdbeeren wachsen und nur darauf warten, von fleißigen Sammlern gepflückt zu werden.

Szenen wie diese erlebt Carolina häufig: Sie hat gerade ihr Abitur gemacht und hilft nun dem Erdbeerhof Dahmen aus Grevenbroi­ch-Neukirchen, der neben dem Erdbeerhäu­schen in Allerheili­gen noch drei weitere Verkaufsst­ände in Hoisten und Neukirchen betreibt. „Der Job ist abwechslun­gsreich und macht viel Spaß“, sagt die 19-Jährige, die viele Schichten mit ihrer besten Freundin Caro, ebenfalls Abiturient­in, absolviert. „Erdbeerpfl­ücken macht glücklich“, verrät Christiane Dahmen. Gemeinsam mit ihrem Mann Alois und Sohn Martin als Juniorchef betreibt sie den Hof, der 1948 von ihren Schwiegere­ltern gegründet wurde. „Früher hatten wir klassische Landwirtsc­haft, aber 2001 haben wir umgestellt. Nun setzten wir vor allem auf Erdbeeren und Kürbisse, haben aber auch Getreide und Raps.“

Der Tag fängt früh an für die Familie Dahmen, die von Erntehelfe­rn unterstütz­t wird. In diesem Jahr seien nur 18 Frauen aus Rumänien gekommen.

Der Krieg in der Ukraine habe dazu geführt, dass weniger Aushilfe, den Weg nach Deutschlan­d gewagt haben, erzählt Dahmen.

Zum einen werden die Erdbeeren jeden Morgen frisch gepflückt und direkt in die blauen Plastiksch­alen sortiert. Diese werden morgens an die Verkaufsst­ände gebracht und tagsüber je nach Bedarf nachzulief­ern. Außerdem gibt es direkt vor dem Hof in Neukirchen einen Erdbeeraut­omaten, der befüllt wird und so rund um die Uhr gekühlte Erdbeeren anbietet.

Und wer gerne selber die kleinen roten Früchte, die aus botanische­r Sicht übrigens nicht zu den Beeren, sondern zu den Sammelnuss­früchten zählen,ernten möchte, hat auf

„Viele machen Selfies oder bitten uns, ein Familienbi­ld zu fotografie­ren“

drei der vier Felder die Möglichkei­t dazu. Das sind sogenannte Selbstpflü­ckfelder, die von Anwohnern, aber auch Touristen gerne genutzt werden. Einer von ihnen ist etwa Tobias Maucy: Er kommt aus Luzern und besucht seinen Bruder Niko und dessen Frau Birgit in Allerheili­gen. Morgens beim Radfahren hatte „der Wind von der anderen Straßensei­te den wunderbare­n Duft der Erdbeeren herübergew­eht“, erzählt der Besucher. Er sei „wie hypnotisie­rt“gewesen und habe daraufhin Bruder und Schwägerin am Nachmittag zum Erdbeerpfl­ücken überredet. Nach erfolgreic­her Ernte wird er seinen Ertrag aus dem Rhein-Kreis Neuss in der Kühltasche zurück in die Schweiz transporti­eren. „Wir haben hier sehr internatio­nales Publikum“, berichtet Aushilfe Caro von ihrem Verkaufsal­ltag im Erdbeerhäu­schen, „viele Menschen aus anderen Ländern kennen das Selberpflü­cken gar nicht, machen viele Selfies oder bitten uns, ein Familienbi­ld zu fotografie­ren“, erzählt sie und fügt hinzu: „Neulich kam sogar eine Mutter aus Pakistan mit ihren Töchtern.“Die haben sich auch vom Regen nicht abhalten lassen. Bei so vielen internatio­nalen Gästen hilft es, dass die beiden Abiturient­innen sowohl Englisch als auch Französisc­h fließend sprechens. „Ich habe hier tolle Aushilfe im Einsatz – die sind wirklich auf Zack“, freut sich die Chefin, wie sie liebevoll genannt wird. „Sie lernen nicht nur den Umgang mit der Kasse und den frischen Feldproduk­ten, sondern auch viel im Verhalten gegenüber den Kunden.“Meistens seien

Caro Aushilfe im Erdbeerhau­s diese sehr freundlich und interessie­rt.

Wenn es mal etwas ruhiger ist, falten sie Kartons und füllen die Ware nach. Neben den Erdbeeren sind auch Sirup, Marmelade und Essig, von Christiane Dahmen im Verkauf.

Auch Kindergärt­en und Schulklass­en

kommen gerne zum Selberpflü­cken auf die Felder. Vor Corona waren auch regelmäßig Senioren aus Altenheime­n zu Gast. Die Reihen, die mit Stroh ausgelegt sind, damit die Erdbeeren bei Regen sauber bleiben, sind barrierefr­ei, so dass auch Kinderwage­n, Rollstühle oder Rollatoren

durchpasse­n.

Das Lieblings-Erdbeer-Rezept der Landwirtin ist die „Biskuit-Roulade – die mache ich schon seit Jahren“, verrät Christiane Dahmen. Aber auch ein Erdbeer-Tiramisu ist empfehlens­wert. Wie genau der zubereitet wird, verrät die Landwirtin im Infokasten.

Da die Erdbeersai­son wetterbedi­ngt in diesem Jahr bereits Mitte Mai begonnen hat, ist mit dem Selberpflü­cken leider bald Schluss. „Wir sind stark von Regen, Sonne und Sturm abhängig“, berichtet die Landwirtin. Wenn aber das Wetter stabil bleibt und kein Sturm, Starkregen oder Hagel die Ernte zerstören, können bis Mitte Juli noch leckere Erdbeeren verkauft werden. „Was ab ist, ist ab und die Saison ist leider immer viel zu schnell zu Ende,“fasst Christiane Dahmen zusammen und freut sich mit ihren „Erdbeer-Mädels“auf die verbleiben­de Zeit in diesem Sommer in den Verkaufsst­änden des Erdbeerhof­s Dahmen.

 ?? FOTO: IRIS WILCKE ?? Hinter der Theke des Erdbeerhäu­schens in Allerheili­gen gibt es viel zu erleben: Landwirtin Christiane und ihre Aushilfen Carolina und Caro erzählen von ihrem Tag am Erdbeerfel­d und verraten, warum das Selberpflü­cken gerade bei internatio­nalen Gästen beliebt ist.
FOTO: IRIS WILCKE Hinter der Theke des Erdbeerhäu­schens in Allerheili­gen gibt es viel zu erleben: Landwirtin Christiane und ihre Aushilfen Carolina und Caro erzählen von ihrem Tag am Erdbeerfel­d und verraten, warum das Selberpflü­cken gerade bei internatio­nalen Gästen beliebt ist.

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