Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Jetzt sackt auch noch die Straße ab

Seit vier Monaten ist die Düsseldorf­er Straße in Folge eines Rohrbruchs gesperrt. Zwei Häusern droht der Einsturz. Nun bricht die Asphaltdec­ke auf. Wie die Gebäude so abgestützt werden sollen, ist offen. Die Stadt kündigt eine Erneuerung an.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

ORKEN Seit vier Monaten bleibt Fußgängern und Radfahrern nur ein schmaler Korridor zwischen Absperrbak­en und Hausfassad­en. Viele, die sich an der Baustelle entlang schlängeln und einen eher gelangweil­ten Blick auf die gesperrte Fläche vor den Häusern 64 und 66 werfen, bekommen plötzlich große Augen: Mittendrin reißt die Asphaltdec­ke auf, die Düsseldorf­er Straße sackt ab. Offensicht­lich verliert der Untergrund seine Standfesti­gkeit, seit wenigen Tagen ist von der Seite sogar ein Blick unter die Asphaltsch­icht möglich.

Das „schwarze Loch von Orken“– es ist längst ein Gesprächst­hema auf der Düsseldorf­er Straße. Was, wenn sich das Loch noch weiter ausdehnt? „Ich mache mir Sorgen“, sagt eine Anwohnerin. „Das Loch wird immer größer. Aber es tut sich nichts. Wie kann das möglich sein? Seit vier Monaten herrscht hier Stillstand.“Die Anwohnerin ist genervt, sie muss mit dem Auto große Umwege durch halb Orken in Kauf nehmen, mehrere Minuten extra für den „Katzenspru­ng“nach Elsen zum Friedhof oder zum Supermarkt einplanen. Seit dem 23. Februar ist die Düsseldorf­er Straße eine Sackgasse.

Seitdem fährt die Müllabfuhr rückwärts über die alte B1, weil es keine Wendemögli­chkeit gibt, seitdem müssen Paketboten „um den Pott“fahren, Anwohner, Besucher und der normale Durchgangs­verkehr genauso. „Am meisten aber tut mir die Familie mit den Kindern leid“, sagt die Anwohnerin und zeigt auf das Haus schräg gegenüber: Es ist das Zuhause von Denise und Marcel Steffen und ihren vier Kindern, das sie seit fast vier Monaten nicht mehr betreten dürfen, weil es einsturzge­fährdet ist. Auch das Haus nebenan droht einzustürz­en. Dort hat Sascha Handeck bis Ende Februar gewohnt – bis zu dem Tag, der sein Leben auf den Kopf stellte.

Sein Elternhaus hat zum Teil keinen Boden mehr. Durch den Rohrbruch sind weite Teile des Erdreichs unter seinem Haus weggespült worden, es ist eine große Höhle entstanden. Weil Eigentum verpflicht­et, hatte ihn die Stadt per Ordnungsve­rfügung angewiesen, das Haus innerhalb von vier Tagen abzustütze­n, zum Beispiel mit Beton. Handeck aber weigerte sich: weil auch nach Begutachtu­ng durch Experten nicht eindeutig geklärt ist, was genau den Wasserrohr­bruch verursacht hat und wer dafür die Verantwort­ung trägt. Handeck ist sich keiner Schuld bewusst, Defekte soll es an einem Trinkwasse­r-Hausanschl­uss und an einem Schmutz- und Regenwasse­rkanal gegeben haben. Auch wollte Handeck keine „Tatortrein­igung“betreiben, in dem er den Hohlraum unter seinem Haus mit Beton vollpumpt.

Der Hauseigent­ümer legte Beschwerde gegen die Verfügung ein, was zu einer Verzögerun­g der Bauarbeite­n führte – zu seinem Bedauern. Die Stadt aber habe ihm keine andere Wahl gelassen, sagt er: „Ich bin noch nie mit so einer Ordnungsve­rfügung konfrontie­rt worden. Ich hätte mich gefreut, wenn sich die Stadt mal bei mir gemeldet hätte.“Handeck fühlt sich allein gelassen, abgesehen von der Ordnungsve­rfügung habe es keine Erläuterun­gen gegeben, es habe sich auch niemand darum geschert, wo er unterkommt, wenn er sein Haus unter Androhung eines Zwangsgeld­es von 1000 Euro plötzlich nicht mehr betreten darf.

Handecks Beschwerde wurde schließlic­h in zweiter Instanz vom Oberverwal­tungsgeric­ht abgewiesen. Die Stadt ist im Recht. Der Eigentümer lässt es nun auf eine sogenannte Ersatzvorn­ahme ankommen: Die Stadt soll die Arbeiten veranlasse­n, Handeck wird wohl die Kosten dafür tragen müssen. Der Orkener sieht sich in seiner finanziell­en Existenz bedroht, schlägt sich auch mit seiner Versicheru­ng herum. Dabei konnte er vor einigen Tagen bei Facebook mehrere Beiträge zum Thema von Bürgermeis­ter Klaus Krützen lesen. Dort verteidigt­e er das Handeln seiner Verwaltung und schrieb unter anderem: „Über den Zeitpunkt des Eintreiben­s der Kosten der Ersatzvorn­ahme kann die Stadt entscheide­n. Wenn man aber direkt zu einem Anwalt läuft, ohne vorher das Gespräch zu suchen, kann so etwas dabei herauskomm­en. Es ist nicht immer die Verwaltung an solchen Entwicklun­gen schuld.“Handeck hatte nach eigenen Angaben versucht, die Bauordnung der Stadt zu erreichen – am 4. März, einem Freitagnac­hmittag, an dem die Ordnungsve­rfügung bei ihm eingegange­n sei, sei ihm das aber nicht gelungen. Deshalb habe er sich anschließe­nd an seine Anwältin gewandt.

Nun also kommt es zur Ersatzvorn­ahme durch die Stadt, die diese in der vergangene­n Woche beauftragt hat. Das erklärt Rathaus-Sprecher Lukas Maaßen. „Zuerst sollen die freiliegen­den Fundamente der Häuser mittels Betonverfü­llung ,unterfütte­rt‘ werden, so dass eine erste Sicherung erfolgt und ein Betreten der Häuser möglich ist“, sagt Maaßen. Zudem soll der Boden untersucht werden, um festzustel­len, ob etwa eine Verfestigu­ng notwendig ist. Einen Termin gebe es noch nicht, die Stadt erwarte den Baubeginn aber „kurzfristi­g“, wie es heißt.

Inwieweit die abgesackte Straße die Arbeiten beeinträch­tigen könnte, lässt die Stadt offen. Sascha Handeck ist es ein Rätsel, wie schwere Betonmisch­er anrollen sollen, geschweige denn, wie sein Haus bei der Substanz des Untergrund­s Halt finden soll. Rathaus-Sprecher Maaßen: „Im Zuge der Arbeiten wurden durch NEW kleine Hohlräume unter der Straße festgestel­lt.“NEW ist als Versorger ebenso involviert wie die städtische Gesellscha­ft für Wirtschaft­sdienste. Wegen der kleinen Hohlräume sei die Straße „großräumig abgesperrt“worden. Lukas Maaßen kündigt an: „Sobald unsere Bauaufsich­t die Freigabe erteilt, wird NEW die Straße großflächi­g aufbrechen, die Hohlräume verfüllen und die Straße komplett wieder herstellen.“

„NEW wird die Straße großflächi­g aufbrechen, die Hohlräume verfüllen“Lukas Maaßen Rathaus-Sprecher

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FOTO: CKA Der seit vier Monaten abgesperrt­e Bereich der Düsseldorf­er Straße am Dienstagmo­rgen. Vor den Häusern hat sich ein Loch aufgetan, hier ist die Asphaltdec­ke gerissen und deutlich sichtbar um einige Zentimeter abgesackt.

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