Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Jetzt sackt auch noch die Straße ab
Seit vier Monaten ist die Düsseldorfer Straße in Folge eines Rohrbruchs gesperrt. Zwei Häusern droht der Einsturz. Nun bricht die Asphaltdecke auf. Wie die Gebäude so abgestützt werden sollen, ist offen. Die Stadt kündigt eine Erneuerung an.
ORKEN Seit vier Monaten bleibt Fußgängern und Radfahrern nur ein schmaler Korridor zwischen Absperrbaken und Hausfassaden. Viele, die sich an der Baustelle entlang schlängeln und einen eher gelangweilten Blick auf die gesperrte Fläche vor den Häusern 64 und 66 werfen, bekommen plötzlich große Augen: Mittendrin reißt die Asphaltdecke auf, die Düsseldorfer Straße sackt ab. Offensichtlich verliert der Untergrund seine Standfestigkeit, seit wenigen Tagen ist von der Seite sogar ein Blick unter die Asphaltschicht möglich.
Das „schwarze Loch von Orken“– es ist längst ein Gesprächsthema auf der Düsseldorfer Straße. Was, wenn sich das Loch noch weiter ausdehnt? „Ich mache mir Sorgen“, sagt eine Anwohnerin. „Das Loch wird immer größer. Aber es tut sich nichts. Wie kann das möglich sein? Seit vier Monaten herrscht hier Stillstand.“Die Anwohnerin ist genervt, sie muss mit dem Auto große Umwege durch halb Orken in Kauf nehmen, mehrere Minuten extra für den „Katzensprung“nach Elsen zum Friedhof oder zum Supermarkt einplanen. Seit dem 23. Februar ist die Düsseldorfer Straße eine Sackgasse.
Seitdem fährt die Müllabfuhr rückwärts über die alte B1, weil es keine Wendemöglichkeit gibt, seitdem müssen Paketboten „um den Pott“fahren, Anwohner, Besucher und der normale Durchgangsverkehr genauso. „Am meisten aber tut mir die Familie mit den Kindern leid“, sagt die Anwohnerin und zeigt auf das Haus schräg gegenüber: Es ist das Zuhause von Denise und Marcel Steffen und ihren vier Kindern, das sie seit fast vier Monaten nicht mehr betreten dürfen, weil es einsturzgefährdet ist. Auch das Haus nebenan droht einzustürzen. Dort hat Sascha Handeck bis Ende Februar gewohnt – bis zu dem Tag, der sein Leben auf den Kopf stellte.
Sein Elternhaus hat zum Teil keinen Boden mehr. Durch den Rohrbruch sind weite Teile des Erdreichs unter seinem Haus weggespült worden, es ist eine große Höhle entstanden. Weil Eigentum verpflichtet, hatte ihn die Stadt per Ordnungsverfügung angewiesen, das Haus innerhalb von vier Tagen abzustützen, zum Beispiel mit Beton. Handeck aber weigerte sich: weil auch nach Begutachtung durch Experten nicht eindeutig geklärt ist, was genau den Wasserrohrbruch verursacht hat und wer dafür die Verantwortung trägt. Handeck ist sich keiner Schuld bewusst, Defekte soll es an einem Trinkwasser-Hausanschluss und an einem Schmutz- und Regenwasserkanal gegeben haben. Auch wollte Handeck keine „Tatortreinigung“betreiben, in dem er den Hohlraum unter seinem Haus mit Beton vollpumpt.
Der Hauseigentümer legte Beschwerde gegen die Verfügung ein, was zu einer Verzögerung der Bauarbeiten führte – zu seinem Bedauern. Die Stadt aber habe ihm keine andere Wahl gelassen, sagt er: „Ich bin noch nie mit so einer Ordnungsverfügung konfrontiert worden. Ich hätte mich gefreut, wenn sich die Stadt mal bei mir gemeldet hätte.“Handeck fühlt sich allein gelassen, abgesehen von der Ordnungsverfügung habe es keine Erläuterungen gegeben, es habe sich auch niemand darum geschert, wo er unterkommt, wenn er sein Haus unter Androhung eines Zwangsgeldes von 1000 Euro plötzlich nicht mehr betreten darf.
Handecks Beschwerde wurde schließlich in zweiter Instanz vom Oberverwaltungsgericht abgewiesen. Die Stadt ist im Recht. Der Eigentümer lässt es nun auf eine sogenannte Ersatzvornahme ankommen: Die Stadt soll die Arbeiten veranlassen, Handeck wird wohl die Kosten dafür tragen müssen. Der Orkener sieht sich in seiner finanziellen Existenz bedroht, schlägt sich auch mit seiner Versicherung herum. Dabei konnte er vor einigen Tagen bei Facebook mehrere Beiträge zum Thema von Bürgermeister Klaus Krützen lesen. Dort verteidigte er das Handeln seiner Verwaltung und schrieb unter anderem: „Über den Zeitpunkt des Eintreibens der Kosten der Ersatzvornahme kann die Stadt entscheiden. Wenn man aber direkt zu einem Anwalt läuft, ohne vorher das Gespräch zu suchen, kann so etwas dabei herauskommen. Es ist nicht immer die Verwaltung an solchen Entwicklungen schuld.“Handeck hatte nach eigenen Angaben versucht, die Bauordnung der Stadt zu erreichen – am 4. März, einem Freitagnachmittag, an dem die Ordnungsverfügung bei ihm eingegangen sei, sei ihm das aber nicht gelungen. Deshalb habe er sich anschließend an seine Anwältin gewandt.
Nun also kommt es zur Ersatzvornahme durch die Stadt, die diese in der vergangenen Woche beauftragt hat. Das erklärt Rathaus-Sprecher Lukas Maaßen. „Zuerst sollen die freiliegenden Fundamente der Häuser mittels Betonverfüllung ,unterfüttert‘ werden, so dass eine erste Sicherung erfolgt und ein Betreten der Häuser möglich ist“, sagt Maaßen. Zudem soll der Boden untersucht werden, um festzustellen, ob etwa eine Verfestigung notwendig ist. Einen Termin gebe es noch nicht, die Stadt erwarte den Baubeginn aber „kurzfristig“, wie es heißt.
Inwieweit die abgesackte Straße die Arbeiten beeinträchtigen könnte, lässt die Stadt offen. Sascha Handeck ist es ein Rätsel, wie schwere Betonmischer anrollen sollen, geschweige denn, wie sein Haus bei der Substanz des Untergrunds Halt finden soll. Rathaus-Sprecher Maaßen: „Im Zuge der Arbeiten wurden durch NEW kleine Hohlräume unter der Straße festgestellt.“NEW ist als Versorger ebenso involviert wie die städtische Gesellschaft für Wirtschaftsdienste. Wegen der kleinen Hohlräume sei die Straße „großräumig abgesperrt“worden. Lukas Maaßen kündigt an: „Sobald unsere Bauaufsicht die Freigabe erteilt, wird NEW die Straße großflächig aufbrechen, die Hohlräume verfüllen und die Straße komplett wieder herstellen.“
„NEW wird die Straße großflächig aufbrechen, die Hohlräume verfüllen“Lukas Maaßen Rathaus-Sprecher