Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Sorgt Tagebau für Regenarmut in Jüchen?
Regenschauer machen angeblich um Jüchen regelmäßig einen Schlenker – das stellen zumindest Landwirte fest. Das läge am Tagebau Garzweiler, der das örtliche Klima beeinflusse, sagen sie. Was Meteorologen von der Theorie halten.
JÜCHEN Landwirte in Jüchen haben es nicht ganz leicht: Zwar sind ihre Flächen durch fruchtbaren Boden gesegnet, andererseits wird das örtliche Mikroklima offenbar durch den Tagebau Garzweiler maßgeblich bestimmt. Mehrere Landwirte in Jüchener Ortschaften berichten von ausbleibenden Regenfällen über ihren Ackern, Tiefdruckgebiete, die sich Jüchen nähern, um überm Braunkohleloch Richtung Norden oder Süden abzudrehen. Geht es hier um ein subjektiv wahrgenommenes Phänomen oder fußt die Beobachtung auf meteorologischen Daten?
Elmar Steinfarz, der seinen Jägerhof in Schaan betreibt, kennt das Problem bestens. „Wenn der Regen aus Südwesten kommt, fallen die Gebiete auseinander und klatschen bei Korschenbroich wieder zusammen. Das ist ganz auffällig im Regenradar“, beschreibt Steinfarz. Zwischen 2016 und 2020 habe man durchgehend Dürrejahre gehabt. „2019 hatten wir drei Monate quasi keinen Regen“, sagt Steinfarz, der damals mit einem eigenen digitalen Regenmesser maß.
In den Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) hieß es stets, es habe geregnet, zwar 50 Prozent weniger als im langjährigen Jahresmittel, aber immerhin. Das habe man in Schaan aber nicht feststellen können, sagt Steinfarz. Es gebe auch keine Wetterstation des DWD in Jüchen, die das verlässlich überprüfen könne, die nächste sei erst in Grevenbroich. Laut Steinfarz habe es alle paar Tage mal einen halben Millimeter geregnet, was den Pflanzen durch Verdunstung aber nichts gebracht habe.
Ein weiterer Bauer aus Jüchen teilt diese Eindrücke: „Wenn eine Westlage
herrscht, die über den Bereich Wanlo hinweggeht, dann teilt die sich und geht dann beispielsweise Richtung Bergheim“, sagt der Landwirt, der anonym bleiben will. In Bergheim (Rhein-Erft-Kreis) gebe es dann erheblich höhere Niederschlagsmengen als im Gladbacher Süden oder in Jüchen, ein Befund, den er auch mit Landwirten vor Ort abgeglichen habe. Ausbleibender Niederschlag sei gerade jetzt im Frühsommer ein Problem, wenn besonders Zuckerrüben und Mais viel Wasser bräuchten.
„Man muss das ernst nehmen, diese Wahrnehmungen halten sich hartnäckig“, sagt Guido Steffen, Sprecher der RWE Power. „Nach unseren Beobachtungen, die sich aus Messdaten aus Wetterereignissen
ergeben, ist das kein belegbares Phänomen, es ist eher eine individuelle Wahrnehmung.“Das würden RWE-angehörige Landwirte
vor Ort bestätigen. Der DWD hält es aus wissenschaftlicher Perspektive ebenfalls für unwahrscheinlich, dass Jüchen im sogenannte Regenschatten des Tagebaus liegt. Dieser tritt bei Gebirgen auf, beispielsweise im Harz, wo sich Westwindlagen am Brocken abregnen – östlich des Harzes gelegene Orte bekommen häufig weitaus weniger Niederschlag ab.
„Ein Tagebau ist ja keine Erhebung, sondern ein Loch, eine Wirkung als Regenschatten ist uns nicht bekannt“, sagt Thomas KesselerLauterkorn vom regionalen Klimabüro des DWD in Essen. Jedoch können sehr kleine Bereiche mikroklimatisch bei bestimmten Wetterlagen von Faktoren wie Bebauung, Bewuchs oder Geländeform beeinflusst werden. „Ich kann mir vorstellen, dass bei schwülwarmen Lagen der Tagebau einen Einfluss auf die Entstehung und Verlagerung von Schauerzellen haben kann. Dies ist allerdings schwer statistisch nachweisbar“, sagt Kesseler-Lauterkorn.
Tatsächlich entsprechen die Daten für den Großraum Jüchen für den Sommer 2019 nicht den Erfahrungen von Landwirten wie Steinfarz. „Um solche Phänomene wissenschaftlich messen zu müssen, bräuchten wir mehr Daten aus vielen Messstationen am Tagebaurand und viel Zeit. Die Kapazitäten haben wir leider nicht“, sagt KesselerLautkorn. Elmar Steinfarz sieht eine jahrelange Messung selbst kritisch: „Das Tagebauloch wandert weiter, dadurch verschieben sich ja auch die Wetterphänomene.“