Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Erwin Heerichs elegante Skulpturen
Kulturausflug nach Kleve: Das Museum Schloss Moyland widmet dem Hombroich Architekten zum 100. Geburtstag eine Ausstellung mit 110 Objekten.
BEDBURG-HAU/NEUSS (mgr/ubg) Aus Pappe und Linien entstehen Skulpturen, die klein sind und doch groß wirken, regelrecht monumental. Sie scheinen schwer in der Form und sind doch so leicht in der Wirkung. Es sind eckig durchbrochene Würfel, Balkonkonstruktionen aus feinem Holz und nicht zuletzt kostbar matt schimmernde Messingformen – auch sie klar geometrisch strukturiert, manche auch als Kegel oder wellenförmige Konstruktionen. Auf dem Papier entwickeln sich Figuren, die aus einem geometrischen Raster heraus so lebendig erscheinen, wie ein Boot, das in die See mit exakten gradlininigen Wellen aufbricht und regelrecht aus dem Blatt herauskommt. Und plötzlich wird das Bild lebendig, auch wenn es auf den ersten Blick „nur“so einfach geometrisch scheint.
Das Museum Schloss Moyland in Bedburg-Hau widmet dem Hombroich-Architekten Erwin Heerich eine Geburtstagsausstellung, die noch bis zum 16. Oktober besucht werden kann: Er wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Zehn begehbare Skulpturen hat der Bildhauer und Zeichner als Museumbauten für die Insel Hombroich in Neuss entworfen. Heerich, der sich mit Beuys eine Meisterklasse teilte und bei Mataré studierte, war mit Beuys befreundet. Doch der Bildhauer war so ganz anders als sein weltberühmter Kollege. Anders und kaum greifbar in der Zuordnung: nicht wirklich minimalistisch, auch wenn alle seine Arbeiten auf das Wesentliche konzentriert sind, nicht wirklich konkrete Kunst. Heerich schuf Werke, die sich einer Zuordnung trotzig widersetzen, manchmal wie geometrische Spielereien wirken und doch viel mehr sind: In ihrer Einfachheit immer wieder neu spannend.
Heerich habe erklärt, seine Arbeiten seien modern, sagt Alexander Grönert, der die Ausstellung im Parterre des Schlosses kuratiert hat. Modern im Sinne von zeitlos. Das zeigt auch die Ausstellung in Moyland, die zu Heerich aus dem großen Sammlungsbestand von Schloss Moyland und mit Leihgaben der Insel Hombroich und des Lehmbruck-Museums 110 Werke zusammenträgt, die streng sortiert nach Heerichs Grundmuster schön in den kleinen Sälen im Schloss von Grönert eingerichtet präsentiert werden. Dass nun Neusser Leihgaben nun im Schloss Moyland zu sehen sind, liegt auch an den Bauarbeiten, die derzeit auf der Museumsinsel Hombroich im Gange sind. Das „Zwölf-Räume-Haus“, das auf Heerich zurückgeht, muss für Sanierungsarbeiten nämlich geschlossen werden, die Kunst wird zwischengelagert. Drei von Heerichs Messingskulpturen reisten so nach Bedburg-Hau. „Normal wäre das ausgeschlossen“, hatte der Geschäftsführer Roland Nachtigäller damals erklärt, denn normal werden jene Werke nicht verliehen.
Der Weg durch die Ausstellung scheint einfach. Die Grundzutaten sind Bleistift, Tuschefeder und Rechenkästchenpapier, erklärt Grönert.
Dann legt der Künstler los, nach strengen Regeln und wohlgeordnet werden die Linien auf das Blatt gezogen. Die Linien werden zum Raster, zu Figuren, die sich meist optisch wie eine Figur plastisch aus dem flachen Blatt herausheben: Als geometrischer Kubus scheint die Figur auf dem Blatt zu schweben oder schwingt sich wie eine kühne Welle.
Daraus entstehen Kuben und Formen – aus Pappe zum Beispiel. Und die lassen sich wieder auch ins Zweidimensionale zurückentwickeln, sagt Grönert. Also aus der Skulptur zuück zum Blatt Papier. Oftmals sind die Skulpturen aus verschiedenen Formen zusammengebaut, die man nach Jahren im Depot erst wieder richtig zusammensetzen muss. Aus den Formen entstehen dann Skulpturen und schließlich - wunderbar zu erleben im Museum Insel Hombroich in Neuss – begehbare Räume, die die Grenze zwischen Skulptur und Architektur sprengen. In Moyland zeigen das vor allem die Pappskulpturen, die wie einer der Schritte zu einer Platzskulptur wirken, mit flach geneigten Wänden wie eine barocke Festung
Grönert hat vor allem – passend zur Moyländer Sammlung – mit frühen Werken gearbeitet. Man sieht die Entwicklung: Zunächst erinnert noch vieles ans Bauhaus und dessen triadisches Ballett. Dann wirds kubischer, immer klarer. Wenn man will, findet man in den Zeichnungen die Entstehung, den Bauplan von Skulpturen, die im Raum auf eigenen Podesten stehen. Wobei das eher keine „Entwurfszeichnungen“sind: Für Heerich war jede Zeichnung für sich ein eigenständiges Werk.
„Wir konnten die Ausstellung größtenteils aus eigenem Bestand heraus einrichten. Das zeigt, dass wir mehr haben als nur Beuys“, sagt Museumsdirektorin Antje-Britt Mählmann. „Heerich, der bis 1988 Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf war, war eng mit den Sammlern van der Grinten (deren Sammlung Museum Schloss Moyland ausmacht) verbunden. Beide sammelten Arbeiten des Künstlers, dessen Werk überall im Rheinland im öffentlichen Raum zu finden ist.