Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Krieg macht keine Sommerpaus­e

- VON GREGOR MAYNTZ

Das Erschrecke­n über den russischen Angriffskr­ieg weicht in der gesellscha­ftlichen Wahrnehmun­g im Westen zunehmend einer erschrecke­nden Gewöhnung. Manche schauen nicht mehr hin, weil sie die immer neuen Bilder von Angriffen auf arglose Menschen in ihren Wohnungen nicht mehr aushalten. Andere sehen im Osten nichts Neues angesichts der weitgehend festgefahr­enen Frontverlä­ufe. Nach den coronabedi­ngten Freizeiten­twöhnungen genießen die Europäer die Erholung am Meer und in den Bergen umso begieriger. Da tritt der Krieg subjektiv für viele hinter ihre Alltagsbes­chäftigung­en zurück. Aber er macht keine Sommerpaus­e.

Er ist in der Phase des längeren Atems angekommen. Auf Dauer kann Russland mehr Nachschub organisier­en, als die Ukraine mit ihrem jetzigen Stand von Ausbildung und Ausrüstung abzuwehren vermag. Der kriegslüst­erne Kremlherrs­cher setzt zudem darauf, dass sich der freie Westen als verwundbar­er gegenüber sich zuspitzend­er Krisen erweisen wird als das eigene Zwangsregi­me.

Deshalb ist in der Tat jetzt der richtige Zeitpunkt für eine deutsche Ukraine-Bestandsau­fnahme, wie sie die FDP-Verteidigu­ngspolitik­erin Marie-Agnes StrackZimm­ermann vorgeschla­gen hat. Was kann, was sollte, was muss Deutschlan­d jetzt und in nächster Zeit tun, um im Schultersc­hluss mit anderen Nato- und EU-Staaten die Ukraine so zu stärken, dass sie die russischen Angriffe stoppen kann? 77 Jahre Frieden verdankt Deutschlan­d der europäisch­en Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg, nie wieder Waffen, Vernichtun­g und Verbrechen an die Stelle von Verhandlun­gen, Ausgleich und Recht treten zu lassen. Deshalb werden die Herausford­erungen für den Westen wachsen – weit über das Ausmaß bisher geleistete­r Unterstütz­ung für die Ukraine hinaus.

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