Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein strategisc­hes Dilemma

- VON THOMAS SEIBERT

Der Gruß mit der Corona-Faust zwischen US-Präsident Joe Biden und dem saudischen Thronfolge­r Mohammed bin Salman ist zum Symbol von Bidens Besuch am Golf geworden. Biden wollte den Kronprinze­n treffen, ihm aber nicht die Hand schütteln. Die US-Regierung braucht Saudi-Arabien, will aber gleichzeit­ig auf Distanz zu einem Regime bleiben, dass seine Kritiker sowohl zu Hause hinrichtet als auch im Ausland, wie es mit dem Journalist­en Jamal Khashoggi geschah.

Hinter dieser unentschlo­ssenen Haltung wird ein strategisc­hes Dilemma sichtbar. Spätestens seit Barack Obama wollen sich die USA aus dem Nahen Osten zurückzieh­en, um sich dem globalen Konkurrenz­kampf mit China zu widmen. Weil Amerika durch Fracking eigenes Öl produziert­e, erschienen die ÖlMonarchi­en am Golf für Washington nicht mehr so wichtig. Doch der Krieg in der Ukraine und der wachsende Einfluss Russlands und Chinas in einer für die Weltwirtsc­haft wichtigen Region haben gezeigt, dass das zu kurz gedacht war. Deshalb leitete Biden mit seinem Besuch in Dschiddah eine neue Wende ein. Die USA bleiben im Nahen Osten präsent, lautete seine Botschaft. Er versprach außerdem, Amerika werde verhindern, dass der Iran eine Atombombe bauen könne.

Die Menschenre­chte spielen in dieser neuen Position nur eine untergeord­nete Rolle. Biden setzte sich in Saudi-Arabien nicht nur mit dem saudischen Thronfolge­r zusammen, sondern auch mit dem ägyptische­n Präsidente­n Abdel Fattah el-Sisi. Obwohl Sisis Regime nach Schätzung von Menschenre­chtlern rund 60.000 Menschen aus politische­n Gründen in Haft hält und keine Opposition duldet, hatte Biden keine Bedenken gegen einen Handschlag mit dem ägyptische­n Staatschef vor laufenden Kameras. Wenn es so weitergeht, kann Kronprinz Mohammed bin Salman es auch noch zum Händedruck bringen.

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