Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Ein strategisches Dilemma
Der Gruß mit der Corona-Faust zwischen US-Präsident Joe Biden und dem saudischen Thronfolger Mohammed bin Salman ist zum Symbol von Bidens Besuch am Golf geworden. Biden wollte den Kronprinzen treffen, ihm aber nicht die Hand schütteln. Die US-Regierung braucht Saudi-Arabien, will aber gleichzeitig auf Distanz zu einem Regime bleiben, dass seine Kritiker sowohl zu Hause hinrichtet als auch im Ausland, wie es mit dem Journalisten Jamal Khashoggi geschah.
Hinter dieser unentschlossenen Haltung wird ein strategisches Dilemma sichtbar. Spätestens seit Barack Obama wollen sich die USA aus dem Nahen Osten zurückziehen, um sich dem globalen Konkurrenzkampf mit China zu widmen. Weil Amerika durch Fracking eigenes Öl produzierte, erschienen die ÖlMonarchien am Golf für Washington nicht mehr so wichtig. Doch der Krieg in der Ukraine und der wachsende Einfluss Russlands und Chinas in einer für die Weltwirtschaft wichtigen Region haben gezeigt, dass das zu kurz gedacht war. Deshalb leitete Biden mit seinem Besuch in Dschiddah eine neue Wende ein. Die USA bleiben im Nahen Osten präsent, lautete seine Botschaft. Er versprach außerdem, Amerika werde verhindern, dass der Iran eine Atombombe bauen könne.
Die Menschenrechte spielen in dieser neuen Position nur eine untergeordnete Rolle. Biden setzte sich in Saudi-Arabien nicht nur mit dem saudischen Thronfolger zusammen, sondern auch mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi. Obwohl Sisis Regime nach Schätzung von Menschenrechtlern rund 60.000 Menschen aus politischen Gründen in Haft hält und keine Opposition duldet, hatte Biden keine Bedenken gegen einen Handschlag mit dem ägyptischen Staatschef vor laufenden Kameras. Wenn es so weitergeht, kann Kronprinz Mohammed bin Salman es auch noch zum Händedruck bringen.