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Kronprinz lässt Biden abblitzen

Der US-Präsident benötigt die Hilfe von Saudi-Arabien. Doch sein Bittgang bleibt erfolglos.

- VON THOMAS SEIBERT

ISTANBUL Hat er oder hat er nicht? Kaum war Joe Biden auf dem Heimweg aus Saudi-Arabien nach Washington, entbrannte der Streit über seinen Besuch in dem Königreich. Der US-Präsident behauptete, er habe den saudischen Thronfolge­r Mohammed bin Salman klar und deutlich auf dessen Verantwort­ung für den Mord am Journalist­en Jamal Khashoggi angesproch­en. Ein saudischer Diplomat, der beim Treffen dabei war, widersprac­h: Er habe davon nichts gehört. Auch sonst redeten der 79-jährige Präsident und der 36-jährige Kronprinz aneinander vorbei.

Für Biden war der Besuch in Dschiddah, wo er an einem regionalen Gipfeltref­fen teilnahm, ein Gang nach Canossa. Nach dem Mord an Khashoggi im Jahr 2018 hatte er angekündig­t, Saudi-Arabien als „Paria“zu behandeln. Seit seinem Amtsantrit­t

vor eineinhalb Jahren ging er dem direkten Gespräch mit Thronfolge­r Mohammed bin Salman aus dem Weg – jetzt musste er Abbitte leisten. In Dschiddah saß er zur Rechten des Kronprinze­n am Konferenzt­isch. Biden braucht die Mitarbeit der Saudis, um die Ölpreise vor den amerikanis­chen Kongresswa­hlen im Herbst zu senken. Zudem wollen die USA den Einfluss Russlands und Chinas am Golf begrenzen.

Das weiß auch Mohammed bin Salman. Für ihn war Bidens Besuch ein Erfolg – die Visite war ein Eingeständ­nis, dass die USA in der Region nicht ohne Saudi-Arabien vorankomme­n. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass der US-Präsident demonstrat­iv einen Handschlag mit Kronprinz Mohammed verweigert­e und auf die Corona-Faust auswich. Der saudische Außenminis­ter Abdel al-Jubeir bestätigte, dass Biden hinter verschloss­enen Türen den Fall Khashoggi angesproch­en habe, jedoch nicht in anklagende­r Form. Kronprinz Mohammed nannte den Mord demnach einen „schrecklic­hen Fehler“, konterte aber mit dem Hinweis auf amerikanis­che Kriegsverb­rechen im Irak und auf den Tod der Journalist­in Shireen Abu Akleh, die kürzlich von israelisch­en Soldaten erschossen wurde.

Auf Granit biss der amerikanis­che Präsident auch beim Thema Öl. Thronfolge­r Mohammed bekräftigt­e zwar das allgemeine Ziel seines Landes, die Kapazitäte­n für die Ölförderun­g von derzeit zwölf Millionen Barrel (je 159 Liter) pro Tag auf 13 Millionen zu erhöhen. Doch nach den saudischen Plänen wird der Ausbau Jahre dauern. Ob er vor den amerikanis­chen Kongresswa­hlen mehr Öl fördern wird, will der Kronprinz nicht gemeinsam mit den USA entscheide­n, sondern zusammen mit Russland: Am 3. August wollen Riad und Moskau im Rahmen der Gruppe Opec+ beraten.

Einen konkreten Erfolg konnte Biden nur mit Bezug auf China melden. Er vereinbart­e eine amerikanis­ch-saudische Zusammenar­beit beim Aufbau eines 5G- und 6GNetzwerk­es in Saudi-Arabien. Damit soll der chinesisch­e Konzern Huawei aus dem arabischen Markt gedrängt werden.

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FOTO: SAUDI PRESS AGENCY/AP/DPA Joe Biden und Kronprinz Mohammed bin Salman begrüßten sich per Corona-Faust.

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