Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Seelsorger der Gestrandeten
Bei vielen Reisenden ist der Flughafen derzeit kein Ort der Vorfreude mehr. Ute Clevers und Johannes Westerdick kümmern sich in Düsseldorf um sie – und um die Menschen, die dort arbeiten.
DÜSSELDORF An diesem Vormittag ist vergleichsweise wenig los am Düsseldorfer Flughafen. Nur eine Stunde später reihen sich die Fluggäste aber schon wieder in lange Schlangen vor den Check-in-Schaltern ein. „Die letzten Wochen waren schon außergewöhnlich“, sagt Ute Clevers. Sie ist Diplom-Sozialpädagogin und Seelsorgerin am Flughafen. Gemeinsam mit ihrem Kollegen, Pastoralreferent Johannes Westerdick, und ihrem Team kümmert sie sich um Passagiere, Mitarbeitende des Flughafens und die „Gestrandeten“. So nennt Westerdick die Menschen, die zwar keine Fluggäste sind, sich aber trotzdem oft, teilweise auch dauerhaft, im und unmittelbar um den Flughafen herum aufhalten. „Das sind Menschen ohne Wohnung, manchmal aber auch einfach sehr einsame Menschen, die den Trubel des Flughafens genießen oder sich hier im Winter aufwärmen“, sagt er.
Die vergangenen drei Wochen seit Beginn der Sommerferien waren für die Flughafen-Seelsorger besonders. „Ich bin teilweise um 9 Uhr angekommen und erst um 21 oder 22 Uhr nach Hause gegangen“, sagt Ute Clevers. Denn verschobene und abgesagte Flüge sind belastend für die Fluggäste: „Vergangene Woche wurde ein Flug nach Berlin, der am
Morgen starten sollte, erst auf den Mittag, dann auf den Abend verlegt, um am Ende dann ganz abgesagt zu werden. Dass die Fluggäste dieses Fluges erst nach der dritten Umbuchung unwirsch geworden sind, hat mich fast verwundert“, erzählt Clevers. Dann heißt es zuhören und Geduld zeigen, wenn die der Passagiere längst zu Ende ist.
Unter dem Personalmangel und den daraus entstehenden Wartezeiten leiden sowohl Fluggäste als auch die Beschäftigten. „Die Menschen hinter den Schaltern geben ihr Bestes, wollen ja eigentlich Fluggästen helfen und ihnen eine angenehme Reise bieten. Für sie ist es auch frustrierend, wenn das nicht geht“, so Clevers. Für sie versuchen Clevers und Westerdick mit ihrem Team da zu sein, sich um sie zu kümmern sie zu unterstützen und zu begleiten. „Ein ehrlich gemeintes ‚Wie geht’s dir?‘ oder ein zugeschobener Schokoriegel können manchmal schon Wunder bewirken“, sagt Clevers. „Wir verleihen den Menschen Ansehen, im wahrsten Sinne. Sie sollen sich gesehen fühlen.“Oft gehe es darum, dem Gegenüber Belastendes abzunehmen. Die Menschen, mit denen Clevers und Westerdick sprechen, sollen ihre Gefühle bei ihnen lassen. Dafür sind sie nicht alleine zuständig. Mit einem Team aus 30 Ehrenamtlichen und bald zwei Bundesfreiwilligendienst-Stellen bewältigen sie diese Aufgabe. „Unsere Freiwilligen sind dabei ganz unterschiedlich, zwischen 30 und 78 Jahre alt“, sagt Clevers. Die zweite Stelle, die aus dem Bundesfreiwilligendienst besetzt wird, ist neu hinzugekommen: „Das ist auch eine Reaktion auf die Arbeit der letzten Wochen. Alleine können wir das nicht mehr stemmen“, sagt Westerdick. Die Freiwilligen werden vorher geschult, etwa ein Jahr, sowohl im Bereich Seelsorge, aber auch in religiösen Dingen.
Denn die Seelsorge ist ökumenisch organisiert, die Betreuung wurde 2001 als evangelisches Projekt gegründet. Seit 2016 ist sie nicht mehr konfessionell gebunden. „Natürlich kann jeder zu uns kommen, ob christlich, nicht-gläubig oder von jeder anderen Religion. Aber unser Fundament ist das Christentum. Wir missionieren hier aber natürlich niemanden“, sagt Westerdick.
Hilfe finden hier nämlich nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Eigentlich tun wir mit den Fluggästen genau dasselbe, wir hören ihnen zu und geben ihrer Geschichte Raum“, sagt Westerdick. Denn auch wenn Zehntausende täglich hier in den Schlangen vor den Schaltern stehen, habe jeder seine eigene Geschichte. Clevers und Westerdick spüren das ganz deutlich, wenn sie mitten im belebten Terminal mit Menschen ins Gespräch kommen. „Die anderen Menschen halten dann intuitiv Abstand, laufen einen kleinen Bogen um uns, als stünden wir unter einer Glocke“, so Westerdick. „Auch wenn wirklich etwas Schlimmes passiert, sollen die Menschen direkt wissen, an wen sie sich wenden können“, sagt Clevers.