Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Facebook droht der Rauswurf aus Europa
Die Datenauswertung des Netzwerks durch US-Geheimdienste verstößt laut Experten gegen Vorgaben.
BRÜSSEL Datenschutzbehörden in ganz Europa prüfen in diesen Tagen einen Vorschlag ihrer irischen Kollegen zum weiteren Umgang mit der Praxis des Facebook-Mutterkonzerns Meta, Daten von europäischen Facebook- und InstagramNutzern in den USA zu speichern. „Solange EU-Bürger von US-Sicherheitsbehörden ausspioniert werden, sind Datentransfers in die USA unrechtmäßig“, lautet die Einschätzung des FDP-Bürgerrechtsexperten Moritz Körner zu den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). „Entsprechend wird Facebook, aber auch alle anderen Kommunikationsdienste die Datentransfers in die USA einstellen müssen, wenn es keine neue rechtliche Grundlage für den Datenaustausch gibt“, sagt der Europaabgeordnete der Liberalen voraus.
Auf Anfrage unsere Redaktion bestätigte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber den Eingang eines Entscheidungsentwurfs durch die irische Datenschutzbehörde. Zu den Inhalten könne er jedoch nichts sagen, da die Kolleginnen und Kollegen das Dokument als vertraulich eingestuft hätten. Nach Einschätzung von Körner steigt durch das irische Vorgehen der Druck auf die EU-Kommission und die USA, „die Grundrechte der EU-Bürger endlich zu schützen“. Die EU-Kommission müsse nach den zwei Schlappen vor dem Europäischen Gerichtshof sicherstellen, dass das neue Abkommen wirklich die Grundrechte schützt und Rechtssicherheit für Unternehmen beim transatlantischen Datenaustausch schafft. „Sonst droht das Geschäftsmodell von Facebook in Europa abgeschaltet zu werden“, sagt Körner klipp und klar.
Der Europäische Gerichtshof hatte den EU-US-Privacy-Shield, also das europäisch-amerikanische Datenschutzabkommen, in zwei Verfahren als unzureichend verworfen. Seitdem arbeiten die Firmen auf der Grundlage von Standardzustimmungen der Nutzer, deren Schutzwirkung
jedoch umstritten sind. Die EU-Kommission kündigte für Ende des Jahres eine Nachfolgeregelung an. „Die Zeche für die von der EUKommission verschuldete Rechtsunsicherheit bezüglich transatlantischer Datenübermittlungen zahlen auch europäische Unternehmen“, gibt Körner zu bedenken.
Für die Grünen-Digital-Expertin Alexandra Geese ist ebenfalls klar: „Wenn Facebook auf einem großen Markt wie Europa Geschäfte machen will, dann muss es unsere Gesetze genauso einhalten wie europäische Unternehmen.“Dazu gehöre die Speicherung und Aufbewahrung der Daten in Europa, um den Zugriff der US-Behörden zu verhindern, aber auch das ordnungsgemäße Einholen der Zustimmung von Nutzerinnen und Nutzern. Bislang hat der Facebook-Konzern Meta jedoch nicht erkennen lassen, ob er dazu bereit wäre, von der Speicherung und Verarbeitung in den USA abzugehen und einen eigenständigen europäischen Datenfluss aufzubauen. Der Beschlussentwurf der Iren beziehe sich auf einen Konflikt zwischen EU- und US-Recht, der derzeit gelöst werde, so die Stellungnahme von Meta.
Der Konzern bezog sich dabei offenkundig auf die Zusicherung von US-Präsident Joe Biden aus dem Frühjahr, den europäischen Bedenken entgegenzukommen. Möglicherweise wird Biden das Abschalten der Massenüberwachung durch die amerikanische nationale Sicherheitsbehörde NSA per Präsidentendekret einleiten und jeden Eingriff unter den Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit stellen. Zudem ist dem Vernehmen nach daran gedacht, die Aufsicht auszubauen und die Klagemöglichkeiten von Europäern in den USA auszuweiten.
Für den CDU-Digitalexperten des Europaparlamentes, Axel Voss, ist der Streit um die Meta-Daten weniger dramatisch. Er warnt die Datenschützer davor, mit einem Abschalten von Facebook zu drohen. „Wir sollten nicht als digitale Neandertaler durch Europa wandern“, sagte der EVP-Abgeordnete.