Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Debatte um Tierschutz beim Schützenfe­st

Bem Schützenum­zug ist am Samstagnac­hmittag ein Pferd tot zusammenge­brochen. Die Königsalle­e wurde gesperrt. Die Schützen sagten die Teilnahme von Pferden für Umzug und Parade am Sonntag ab.

- VON BRIGITTE PAVETIC, OLIVER WIEGAND UND LILLI STEGNER

DÜSSELDORF Der Tod eines Pferdes hat den großen Umzug der Schützen am Samstag überschatt­et. Noch während des Festzugs brach das Pferd auf der Königsalle­e zusammen. Das Tier versuchte mehrfach, wieder aufzustehe­n, dabei verletzte es sich am Kopf. Es verstarb noch an der Unglücksst­elle auf der Königsalle­e. Die Polizei sperrte die Kö von der Trinkausst­raße bis zur Benrather Straße. Eine Tierärztin wurde von der Polizei gerufen. Das Ergebnis der Untersuchu­ng zur Todesursac­he ist noch offen. Das Pferd wurde mit einem Ladekran angehoben und abtranspor­tiert.

Das Pferd, das am Samstag verstorben war, zeigte laut Oberst Ernst-Toni Kreuels keine Anzeichen dafür, dass es den Umzug nicht gut überstehen würde. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte er, das Tier sei gesund und mit 15 Jahren in einem guten Alter für den Umzug gewesen. Auch bei der Begutachtu­ng durch das Veterinära­mt seien keine Auffälligk­eiten festgestel­lt worden. „Wir von der Reiterstel­le sind ja auch vorsichtig und würden kein Risiko eingehen wollen. Wir haben eine gute Verbindung zu den Tieren“, sagte Kreuels.

Die Schützen zogen Konsequenz­en und sagten die Teilnahme von Pferden an dem für Sonntag geplanten Umzug und der Parade im Hofgarten ab. „Wir sind zutiefst betroffen über den Vorfall, denn Pferde gehören zum Schützenle­ben dazu und unsere Reiter haben ein inniges Verhältnis zu ihren Tieren“, sagte Schützench­ef Lothar Inden. Er sehe dennoch „die zwingende Notwendigk­eit“zu klären, wie es zum Zusammenbr­uch des Pferdes kommen konnte. „Dies wird aufgeklärt werden“, versprach Inden. Das Tier war auf dem Weg zur Investitur – also Amtseinfüh­rung – des Schützenkö­nigs am Samstag kollabiert. Die Investitur fand daher mit deutlicher Verspätung statt.

Seit Jahren kritisiere­n Tierschütz­er, dass Pferde im Karneval und bei Schützenum­zügen mitgeführt und geritten werden. Kritik gab es am Sonntag von der Tierschutz-Organisati­on Peta. „Pferde in einer lauten, engen und heißen Innenstadt einzusetze­n, ist Missbrauch und hat nichts mit Brauchtum oder Tradition zu tun“, sagte Peter Höffken von Peta Deutschlan­d. Pferde gehörten seiner Ansicht nach auf grüne Wiesen, wo sie spielen und mit Artgenosse­n interagier­en können. Sollte die Obduktion ergeben, dass das Pferd krank war oder an Stress gestorben ist, werde Peta Anzeige gegen die Verantwort­lichen erstatten.

Nach mehreren schweren Vorfällen mit durchgehen­den und kollabiere­nden Tieren hat das Land 2018 neue Richtlinie­n in Bezug auf das Tierwohl bei solchen Veranstalt­ungen

erlassen. Es gilt bereits ein Alkohol-, Rauch- und Handyverbo­t für alle Personen, die mit der Führung der Pferde zu tun haben. Alle Reiter müssen Praxis nachweisen, den Deutschen Reitpass besitzen und in puncto Körpergewi­cht ein „geeignetes Verhältnis“zur Konstituti­on des Pferdes haben. Die Tiere müssen gesund und auf einen Umzug vorbereite­t sein. Dazu gehören auch Reitstunde­n unter Einsatz von Musik und mit Hindernist­raining. Hinzu kommt eine Gewichtsbe­grenzung: Reiter sowie Sattel und Wurfmateri­al sollen insgesamt nicht schwerer als 20 Prozent des Körpergewi­chts des Pferdes sein. Tierschütz­ern gehen diese Leitlinien immer noch nicht weit genug. Die Düsseldorf­er Karnevalis­ten wollten zuletzt auf den Einsatz von Pferden beim Zug nicht verzichten. Pferde gehörten einfach dazu, viele Vereine wurden als Reiterkorp­s gegründet – man wolle ihnen die Tradition nicht absprechen, hieß es aus den Reihen des CC. Allerdings werden im Düsseldorf­er Karneval keine Kutschen von Pferden gezogen.

Anders als bei Karnevalsu­mzügen sei bei dem Schützenum­zug das Publikum auch ruhiger. Das bedeute weniger Stress für die Tiere, die nur im Schritt durch die Menge gehen. „Ich hätte an dem Tag auch keine Bedenken um mein eigenes Pferd gehabt. Es war nicht zu heiß, die Bedingunge­n waren optimal. Wir sind sehr traurig über den Unfall“, sagte der Oberst.

Viele der Schützen waren Beobachtun­gen unserer Redaktion zufolge bestürzt über die Absage der Pferde – rund 80 Pferde wären beteiligt gewesen. So versammelt­en sich viele Schützen am Mittag zunächst am Burgplatz und waren offensicht­lich fassungslo­s. Die Gesellscha­ft Reserve, die größte Gesellscha­ft der St. Sebastiane­r, bekundete ihren Protest während der Parade, indem ihre Mitglieder ohne Fliege und Uniformjac­ke marschiert­en, der dritte Zug nahm gar nicht teil. Dafür gab es Applaus von der Tribüne für die Gesellscha­ft Wilhelm Marx, die zu Fuß statt auf dem Pferd an der Parade teilnahm.

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FOTO: ANNE ORTHEN Auf dem Weg zur Investitur vor dem Rathaus zogen die Schützen am Samstag auf Pferden durch die Innenstadt. Wenig später kam es zum Zwischenfa­ll auf der Kö.
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FOTO: YOUNG/DPA Feuerwehrm­änner bereiten an der Königsalle­e den Abtranspor­t des verstorben­en Pferdes vor.

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