Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Berühmtheiten verzweifelt gesucht
An der Düsseldorfer Kunstakademie werden zwei Professuren für Bildhauerei ausgeschrieben. Die Besetzung wird nicht einfach.
DÜSSELDORF Die Kunstakademie sucht Bildhauer. Die erste Stelle ist ausgeschrieben, die zweite Ausschreibung folgt in Kürze. Erhofft wird eine international anerkannte Persönlichkeit mit einem „herausragenden künstlerischen Werk“. Es soll einen „wesentlichen Beitrag zur Kunst der Gegenwart“darstellen.
Von den Bewerbern wird erwartet, dass sie eine Klasse führen können und die künstlerische Lehre in beiden Studiengängen, also in Freier Kunst und Kunst im Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen, wahrnehmen. Ausdrücklich wird darauf verwiesen, dass die Teilnahme an der akademischen Selbstverwaltung und Mitgestaltung der Hochschule als selbstverständlich vorausgesetzt wird.
So selbstverständlich ist das jedoch nicht mit der Selbstverwaltung. Der scheidende Rektor KarlHeinz Petzinka hatte seine liebe Mühe, die Mitglieder des Senats zusammenzutrommeln, weshalb er diesen massiv verkleinerte. Es gibt Klassen wie die für Fotografie, in denen der Unterricht in den vergangenen zwei Jahren meist per Videokonferenz stattfand und die Mitgestaltung der Hochschule kaum möglich war. Wenn die Düsseldorfer Kunsthochschule bestehen will, muss sie Künstler berufen, die erreichbar sind und ihre Adressen weder in Amerika noch in Afrika haben. Im Orientierungsbereich mussten schon Prüfungen verschoben werden, weil kein Prüfer greifbar war.
Noch schwieriger ist es, überhaupt eine berühmte Persönlichkeit in der Bildhauerei zu finden. Die Herrschaften, die weltweit ihre singulären Werke aufstellen, allen voran Tony Cragg und Thomas Schütte, kommen aus Altersgründen nicht infrage. Die Nachkommen lieben eher die Installation. Franka Hörnschemeyer, 1958 geboren und seit 2015 Professorin für Bildhauerei, kümmert sich rührend um den Nachwuchs. Aber sie verkündete schon vor Monaten, dass sie termingerecht in Rente gehen werde. Sie selbst ist bekannt für Grenzgänge zwischen Baukunst und Raumkunst. Berühmt wurde sie mit „BFD – bündig fluchtend dicht“, als sie den mächtigen Baukörpern von Kanzleramt und Paul-Löbe-Haus den Charme eines Klettergerüstes entgegensetzte.
Thomas Scheibitz, der ursprünglich Malerei und Bildhauerei abdecken sollte, konzentriert sich in seiner Klasse fast ausschließlich auf Gemälde. Der international berühmte Gregor Schneider, der einst den Goldenen Löwen von Venedig erhielt, ist ein herausragender Raumkünstler. Nicht die Spezialisten brachten junge Bildhauer an der Düsseldorfer Akademie hervor, sondern die Professoren offener und freier Klassen. Dazu gehörte einst der Fotokünstler Andreas Gursky, der etwa den talentierten Alexander Föllenz begleitete. Der Österreicher Martin Gostner (64) ist kein ausgesprochener Bildhauer, aber er lotet bei seinen Studierenden das jeweilige Talent aus. Thomas Grünfeld, der regelmäßig seine sehr freie Klasse betreut, hat die Zukunftshoffnung Joscha Bender hervorgebracht.
Am produktivsten in der dreidimensionalen Kunst waren die Klassen von Tony Cragg, Katharina Fritsch und in Dresden von Martin Honert, der mit Fritsch bei Fritz Schwegler studiert hatte. Das generelle Problem aber ist, dass die
Absolventen einer Hochschule Stipendien erhalten und danach in die „freie Wildbahn“entlassen werden. Nur mit äußerster Bedürfnislosigkeit und extremem Arbeitsethos gelingt es, Lebensunterhalt, Atelier und Gewerke eines Bildhauers unter einen Hut zu bringen. Dabei wird deutlich, dass es Installationskünstler
leichter haben als Künstler mit Werken aus Stein oder Bronze. Am leichtesten haben es Maler.
Sucht man nach der derzeit berühmtesten und erfolgreichsten Bildhauerin der mittleren Generation, so ist es Alicja Kwade, die vor zwei Jahren eine grandiose Überblicksausstellung in der LangenFoundation hatte. Die 43-Jährige hat es in ihrem Leben auf 73 Einzelund 165 Gruppenausstellungen gebracht. Sie ist eine perfekte Logistikerin, unterhält einen Stab von Mitarbeitern, ist neugierig und experimentierfreudig und wird von Galerien in Berlin, Tokio und Seoul unterstützt. Sie lebt in Berlin und ist Professorin für „Dreidimensionales Gestalten“an der Hochschule für Bildende Künste Dresden.
Während Besetzungen langwierig sind, muss die Suche nach einem Nachfolger für Karl-Heinz Petzinka als Rektor bis Ende September abgeschlossen sein. Derzeit fragt man in den eigenen Reihen der Professorenschaft nach einem Freiwilligen, andernfalls muss der oder die Neue von außen kommen.