Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Unterwegs mit einem 17-Meter-Traktor-Gespann
Aktuell sind auf den Straßen viele landwirtschaftliche Maschinen unterwegs. Traktoren werden mitunter als Verkehrshindernisse gesehen. Wir durften einen Landwirt auf seiner Tour begleiten. Wie schwierig es ist, solch ein Gespann zu steuern.
GREVENBROICH In der Region ist die Erntezeit in vollem Gange. Zwischen Grevenbroich, Kaarst, Korschenbroich und Neuss sind zurzeit etliche tonnenschwere Traktoren und andere Landmaschinen unterwegs. Dadurch, dass die großen Gespanne meist nur sehr langsam unterwegs sind und manchmal auch die ganze Breite eines Fahrstreifens einnehmen, sehen viele Autofahrer die landwirtschaftlichen Maschinen als rollende Hindernisse. Manche wagen riskante Überholmanöver, die auch missglücken können.
Gerade wenn Auto- oder Motorradfahrer bei schönem Wetter schnell nach Hause möchten, ist die Unfallgefahr in der Erntesaison besonders groß. Erst vor wenigen Wochen ist es in Grevenbroich innerhalb von gerade einmal sieben Tagen zu drei Unfällen mit Traktoren gekommen, bei denen jeweils ein Mensch schwer verletzt wurde.
Was erleben Landwirte, wenn sie unterwegs sind? Und wie schwierig ist es für sie, mit einem Traktor auf der Straße den Überblick zu behalten? Unsere Traktorfahrt mit Landwirt Jan Kremer-Kreutzer beginnt am Gut Norbisrath bei Langwaden. Der 26-Jährige lehnt dort bereits an den großen Reifen seines Traktors. Der junge Mann arbeitet auf dem Hof seiner Eltern und befindet sich parallel dazu in den letzten Zügen seines Masterstudiums in Nutzpflanzen-Wissenschaften. „Ich musste mich nach der Schule erst einmal umschauen, weil ich eigentlich nur den Hof kannte“, berichtet Kremer-Kreutzer. Um etwas Neues kennenzulernen, absolvierte er sein Fachabitur im Bereich der Elektrotechnik. Doch so richtig überzeugte ihn diese Art der Arbeit nicht, weswegen es ihn recht schnell wieder in die Welt der Landwirtschaft zurück verschlug. Nun unterstützt er also wieder seinen Vater Hans-Georg und seine Mutter Kirsten im Spargelgarten Gut Norbisrath.
An diesem Tag geht es aber um Weizen. Kremer-Kreutzer muss zwei leere Achtzehn-Tonner-Anhänger zu einem großen Weizenfeld an der Baumschule Schmitz in Kaarst bringen. Eine Strecke von knapp 15 Kilometern. „Der gesamte Anhängerzug des Landwirts ist inklusive Traktor fast 17 Meter lang und rund 2,70 Meter breit“, sagt KremerKreutzer, der selbst auf einer Höhe von fast drei Metern auf dem Fahrersitz Platz nimmt. Er manövriert den Traktor (200 PS) samt Anhänger langsam aus einer großen Lagerhalle und verlässt den Hof über die lange Einfahrt. Dann: Festhalten. Noch bevor der Landwirt das Hof-Gelände endgültig verlässt, testet er noch einmal die Bremsen. Ein Ritual, dass der 26-Jährige vor jeder Fahrt mit dem Traktor ausübt.
Über die Kasterstraße geht es auf die L 142 in Richtung Neuss. Die Anhänger poltern, der Traktor kommt an einer Ampel zum Stehen. Kremer-Kreutzer möchte nach links in Richtung Hülchrath abbiegen. Die Ampel wird grün, doch selbst als die Gegenfahrbahn frei wird, wartet der Landwirt lieber noch ein paar Augenblicke ab. „In so einer Situation kannst du eigentlich nur warten, weil du mit den zwei Anhängern viel zu lange brauchst, um über die Straße zu kommen, falls dir wirklich noch ein Auto entgegenkommt“, sagt Kremer-Kreutzer. Die Autofahrer hinter ihm bleiben ruhig, gehupt wird nicht.
Auf der Herzogstraße geht es dann durch die Ortschaft Hülchrath. Hier muss sich der Landwirt besonders konzentrieren. Eine enge, zum Teil einspurige Straße, viele parkende Autos und immer nur kleine Einbuchtungen zum Ausweichen. „Vor allem in kleineren Dörfern und Städten muss man wirklich sehr vorausschauend fahren“, erklärt der 26-Jährige. „Für viele Leute ist es auch ein rotes Tuch, wenn sie hier einen Traktor sehen. Sie wollen dann am liebsten vorher noch schnell dazwischen huschen und überholen in den engen Straßen“, so Kremer-Kreutzer. Bei solchen Manövern kann es schnell zu PattSituationen kommen. Das weiß der junge Landwirt aus eigener Erfahrung. „Und dann kann ich mit dem Anhänger-Zug ja auch nicht rückwärts fahren“, berichtet KremerKreutzer, während er auf die Bremse tritt.
Vor allem seit der Corona-Zeit, so empfindet es der Landwirt, hätte das gegenseitige Verständnis und die Toleranz im Straßenverkehr noch einmal abgenommen. Dies kann auch Dennis Aussem, Landwirt aus Kapellen, bestätigten. „Die Menschen sind alle gestresst und werden immer ungeduldiger. Manche Autofahrer machen keinen Platz oder wollen auf Biegen und Brechen überholen. Ich sage nur: Rücksicht macht Wege breit“, sagt Aussem. Ein anderes Problem seien Radfahrer, wie es wiederrum Kremer-Kreutzer anmerkt, während er mittlerweile auf die L 361 in Richtung Büttgen abgebogen ist. „Gerade Rennradfaher haben manchmal die Angewohnheit, dass sie sich hinter den Traktor hängen, um den Windschatten auszunutzen. Da kriege ich sofort ein ungutes Gefühl. Es kann ja schließlich immer mal zu einer Vollbremsung kommen“, sagt Kremer-Kreutzer.
Auf der Landstraße 361 fährt der Landwirt am großen Seitenstreifen rechts rüber, um den Auto- und Motorradfahrern hinter ihm ausreichend Platz zum Überholen zu bieten. Dies würden nahezu alle seiner Berufskollegen so handhaben. „An manchen Stellen bleiben wir aber auch in der Fahrbahn, weil es sonst zu gefährlich ist“, so Kremer-Kreutzer. Ein paar hundert Meter vor einer Ampel blinkt der Landwirt und fädelt wieder auf die Fahrbahn ein. Kurz darauf versuchen zwei Autos den Traktor noch vor der Ampel zu überholen. Erst auf der Kreuzung schaffen sie es, am Traktor vorbeizuziehen. „Die Größe einer Landmaschine wird häufig unterschätzt“, sagt Kremer-Kreutzer in diesem Moment. „Bis man mal knapp 20 Meter überholt hat, dauert es seine Zeit. Und die modernen Traktoren können mittlerweile ja auch bis zu 60 Kilometer pro Stunde fahren“.
Der Landwirt biegt schließlich auf die Zielgerade ein. Es geht auf die L 381 und von dort aus auf einen kleinen Feldweg, vorbei an der Baumschule. Kremer-Kreutzer winkt einem bekannten Landwirt zu. Er bremst, der Anhängerzug kommt zum Stehen. Nun können die Anhänger mit Weizen gefüllt werden. Bis zum Ende der Woche soll die Ernte idealerweise abgeschlossen sein. Bis dahin wird Kremer-Kreutzer noch das eine oder andere Mal über die hiesigen Landstraßen fahren. „Am liebsten würden wir ja gar keine Straßen befahren, aber irgendwie müssen wir ja zu unseren Feldern kommen“, sagt Jan Kremer-Kreutzer mit einem Schmunzeln. Dann schaltet er den Motor aus.