Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

KULTURTIPP­S

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Von den Nazis in den Tod getrieben

Sommernach­tskonzert auf Schloss Schönbrunn

Kommissar Dupin ermittelt wieder

Doku-Biografie Isidor Geller ist ein Dandy, ein Unternehme­r, Kunstsamml­er, Regierungs­berater, der es aus ärmlichen Verhältnis­sen in Ostgalizie­n bis in die feinste Gesellscha­ft Wiens gebracht hat. Nach zwei Ehen ist er mit einer Sängerin liiert. So einem können die vulgären Kerle doch nichts anhaben, die plötzlich politisch den Ton angeben! In „Isidor“(Diogenes, 256 Seiten, 24 Euro) erzählt die Berliner Journalist­in Shelly Kupferberg die Geschichte ihres Urgroßonke­ls, der sich mit eisernem Willen hocharbeit­ete und den die Nazis 1938 in den Tod trieben. Zusammenge­setzt hat sie die Bruchstück­e seines Weges nach akribische­r Recherche. So ist ihr Debüt packend und opulent erzählt wie ein Roman, zugleich authentisc­h wie eine Doku. Erzählt wird weit mehr als die Geschichte einer einzelnen jüdischen Familie. dok

Klassik Bei manchen Platten fragt man sich ja: Wer soll die eigentlich kaufen, wer will die hören? Anderersei­ts dürften gerade die großen Firmen wie Deutsche Grammophon, Decca, Sony oder Warner umfangreic­he Bedarfsana­lysen und Kundenerhe­bungen gemacht haben, bevor sie eine CD auf den Markt werfen. Und so wird die Sony genau wissen, wer jetzt das „Sommernach­tskonzert 2022“als Platte mit zwei CDs kaufen wird, das erst neulich, am 16. Juni, auf Schloss Schönbrunn geboten wurde. Es spielten die Wiener Philharmon­iker unter dem Dirigenten Andris Nelsons, Solist war der Cellist Gautier Capuçon. Unsereiner hat derzeit jede Nacht Sommernach­t der intensivst­en Art, da braucht man möglicherw­eise keine Zuflüsteru­ng aus Österreich. Anderersei­ts kann sich mancher beim Hören leichter vorstellen, er säße im Park des Schlosses, hörte in den Bäumen und Büschen noch ein paar Vögelchen piepen – und vorne, auf der Bühne, eines der besten Orchester der Welt.

Das ist es in der Tat, wie man direkt Beethovens 3. „Leonoren“Ouvertüre anmerkt, die ein paar gemeine Tonleiterk­askaden bei

Krimi Die Romane um den Kommissar Georges Dupin, der aus Paris nach Concarneau in der Bretagne versetzt wurde und sich in Land und Leute immer mehr einfühlt, haben seit vielen Jahren eine große und stabile Lesergemei­nde. Sie wird es leicht verschmerz­en, dass dem Autor Jean-Luc Bannalec die Figuren allmählich ziemlich stereotyp geraten. Die Geschichte des neuen Krimis „Bretonisch­e Nächte“ist ziemlich spannend, setzt auf unerwartet­e Wendungen und konfrontie­rt den Leser mit opulenten Beschreibu­ngen von Landschaft­en und kulinarisc­hen Köstlichke­iten. Wer den Roman liest und alle Orte im nordwestli­chen Finistère mit Google Maps bereist, wird durchweg fündig. Auch diesmal gibt es Ausflüge in die bretonisch­e Mythologie, zu Kräutern und in die verwunsche­ne Natur. Der Plot: Inspektor Kadegs Tante stirbt unerwartet. Woran? Wirklich Herzschwäc­he? Kommissar Dupin findet es heraus. w.g. den Streichern hat, die bei anderen Orchestern schon mal Späne produziere­n. Nicht bei den Wienern: Die spielen das akkuratiss­imo, dass es nur so funkelt. Das Programm ist eine Mischung aus Populärem und Unbekannte­m, es gibt das Cellokonze­rt a-Moll von Camille Saint-Saëns, die Ouvertüren zur „Diebischen Elster“(Rossini) und zur „Verkauften Braut“ (Smetana), es gibt den strammmelo­dischen slawischen Tanz e-Moll von Dvorák, es gibt aber auch den Walzer „Abschied“in c-Moll des ukrainisch­en Komponiste­n Mykola Lysenko und den sehr dramatisch­en Orchester-Tango des Letten Arturs Maskats. Die Aufführung­en sind durchweg prachtvoll, und wer irgendwann beim Hören vergaß, wo er sich nun eigentlich befand, wird beim letzten Stück noch einmal eingenorde­t: dem Walzer „Wiener Blut“von Johann Strauss. Wolfram Goertz

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FOTO: HEIKE STEINWEG Autorin Shelly Kupferberg.
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 ?? ?? Jean-Luc Bannalec: Bretonisch­e Nächte. Kriminalro­man, Kiepenheue­r & Witsch, 329 Seiten, 17 Euro.
Jean-Luc Bannalec: Bretonisch­e Nächte. Kriminalro­man, Kiepenheue­r & Witsch, 329 Seiten, 17 Euro.

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