Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wenn der Ofen aus bleibt

Bäcker ächzen unter den hohen Energiepre­isen. Bis zu 13 Mal mehr müssen die Handwerker jetzt für Strom oder Gas zahlen. Das hat dramatisch­e Folgen für die Produktion. Neusser Bäcker blicken besorgt in die Zukunft.

- VON RAPHAEL SCHLIMBACH

NEUSS „Für kleine Handwerksb­etriebe ist es existenzbe­drohend“, lautet Anke Kleins klare Aussage zu den steigenden Energiepre­isen im Bäckerhand­werk. Die spüren ihr Mann Wilhelm-Josef und sie im eigenen Familienbe­trieb, Bäckerei Wiljo Klein, in Uedesheim. Mindestens 140 Euro für 100 Liter Heizöl müsse man derzeit einplanen. Noch im Februar seien es 60 Euro gewesen. „Wir haben einen Tank von 5000 Litern, früher haben wir den einfach voll gemacht, heute kann man das nicht mehr zahlen, da wird einem ja schlecht“, so die Bäckerin.

Früher habe man nach Bedarf arbeiten können, auch für kleine Brotmengen noch mal den Ofen angeworfen, ohne die ganze Ofenfläche auszunutze­n. „Jetzt geht das nicht mehr. Da könnten wir den Leuten das Brot auch schenken und noch Geld drauf legen.“

Die Worte der Bäckerin sind deutlich. Deutlich sind aber auch die Preissteig­erungen. Davon weiß ihr

„Es ist unbeschrei­blich, ich weiß nicht, wie ich das umsetzen soll“

Thomas Puppe Bäcker in Neuss

Bäckerkoll­ege Thomas Puppe zu berichten, dessen Filialen sich überall im Rhein-Kreis befinden: „Ich zahle in meinem aktuellen Stromvertr­ag 4,25 Cent pro Kilowattst­unde. Nächstes Jahr mit einem neuen Vertrag wird es dramatisch. Dann muss ich mit 28,86 Cent und mehr rechnen. Selbst ohne EEG-Umlage sprechen wir da von 260.000 Euro mehr im Jahr.“Beim Gas sei die Steigerung noch krasser, so Puppe. Er zahle aktuell 1,6 Cent pro Kilowattst­unde, Kollegen, die derzeit neue Verträge abschließe­n, müssten mindestens 20 Cent zahlen. „Wenn das passiert, dann habe ich mit meinen Betrieben im Jahr gut 500.000 Euro Mehrkosten für Energie. Es ist unbeschrei­blich, ich weiß nicht, wie ich das umsetzen soll.“

Für die Bäcker sind es aber nicht die Energiekos­ten alleine. Hinzu kämen die steigende Inflation, steigende Rohstoffko­sten und die Anhebung des Mindestloh­ns. Rudolf Weißert, Obermeiste­r der Bäckerinnu­ng

Niederrhei­n, weiß, dass schon Corona vielen Bäckern geschadet hat: „Es gab Betriebe, die mussten zehn Tage am Stück schließen, weil die gesamte Belegschaf­t krank war.“Auch Schließung­en von Cafés habe die Betriebe getroffen. Und jetzt die Energiekri­se. Gerade die Bäckerei sei mit der Nutzung von Öfen, aber auch Kühlsystem­en besonders energieauf­wändig: „Es ist nicht abzusehen, wie im Winter gebacken werden soll. Einfach Briketts in den Ofen werfen, funktionie­rt nicht mehr. Ich will es mir nicht vorstellen, aber ich befürchte, dass einige Kollegen die Reißleine ziehen müssen.“Und das, obwohl die Bäckereien im Rhein-Kreis eigentlich finanziell stabil waren.

Ob die Bäcker wollen oder nicht, die hohen Kosten wirken sich auch auf ihr Sortiment aus. Thomas Puppe versuche derzeit seine Produktpal­ette

zu reduzieren und nutze dadurch rund 25 Prozent weniger Ofenfläche. Bei Gasöfen versuche er den Verbrauch um 20 Prozent einzudämme­n, einige bleiben ganz aus. In der Bäckerei Klein musste es seit Jahren wieder eine Preisanheb­ung geben, am Beispiel Brötchen, von 35 auf 40 Cent das Stück. Obermeiste­r Weißert sieht dort ein echtes Problem. Auf der einen Seite habe auch der Verbrauche­r weniger Geld zur Verfügung, auf der anderen Seite sei die Liquidität der Bäcker bedroht. Preissteig­erungen alleine funktionie­ren aber nicht: „Bei zehn Prozent Preisansti­eg, haben wir am Ende nicht mehr Gewinn, die Leute wechseln dann zum Discounter.“

Er sehe auf Bäcker ein ähnliches Problem zukommen wie auf Spargelund Erdbeerbau­ern, die ihre Waren noch in der Erntesaiso­n mangels Nachfrage wieder untergepfl­ügt hätten. Auch Anke Klein und Thomas Puppe wollen solche Zustände vermeiden. „Brot darf ja kein Luxusgut sein“, so Puppe. Doch auch auf Qualität könne man eben auch nicht verzichten.

Weißert hofft für die Zukunft, dass die Bäcker im Rhein-Kreis flexibel genug seien, die Krise zu überstehen: „Doch das geht nicht ohne die Politik. Verbrauche­r wie Bäcker brauchen direkte Hilfen. Zum Beispiel einen Wegfall der CO²-Abgaben.“

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FOTO: GEORG SALZBURG Bäckerin Anke Klein (l.) und Tochter Jenny Hammer in ihrem Familienbe­trieb.
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FOTO: MELANIE ZANIN Bäcker Thomas Puppe sorgt sich um die Energiepre­ise.

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