Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Sie nähte für Hollywood-Star Emma Stone
Die junge Kostümdesignerin Vivien Wilson aus Stürzelberg gewann mit dem „Cruella“-Team bereits einen Oscar, aktuell arbeitet sie für die englische BBC. In London ist sie seit einigen Jahren erfolgreich.
DORMAGEN/LONDON Vom ruhigen Stürzelberg zog es Vivien Wilson hinter die Kulissen von HollywoodFilmen und Netflix-Produktion. Vor sieben Jahren wagte die heute 25-Jährige den großen Schritt: Nach dem Abitur am Bettina-von-Armin Gymnasium in Dormagen kehrte sie dem deutschen Landleben den Rücken und zog nach London. Für Wilson, deren Mutter Engländerin ist, ein Lebenstraum.
„Es zog mich schon immer nach England. Ich bin zweisprachig aufgewachsen und habe Familie dort. Außerdem wusste ich schon immer, dass ich kreativ arbeiten möchte. Dennoch habe ich gründlich darüber nachgedacht und habe mich
„So manches mal habe ich mir gedacht: kann mich mal einer kneifen?“Vivien Wilson Costume Designerin
dann an einer Universität beworben“, erzählt Wilson. Mit Erfolg. Die damals frischgebackene Abiturientin absolvierte einen einjährigen Kurs an der „Arts University Bournemouth“. Sie erklärt: „Bei diesem Programm hat man die Möglichkeit, in die verschiedensten kreativen Bereiche reinzuschnuppern. Ein halbes Jahr habe ich Kurse für das Zeichnen von Zeichentrickfilmen besucht, dann beschloss ich zum Fachbereich ‚Kostümdesign‘ zu wechseln, dort habe ich alle Grundlagen erlernt.“Eine wegweisende Entscheidung, einem Bachelor-Studium am renommierten „London College of Fashion“stand nichts mehr im Wege.
Noch während des Studiums ergatterte Vivien Wilson ihre ersten Jobs, arbeitete unter anderem hinter den Kulissen des Comeback-Videos der Weltstars „Jonas Brothers“. Im Jahr 2019 folgte dann eines der bisherigen Highlights ihrer Karriere – sie wurde Teil des Teams der „Cruella“-Crew, einem beliebten Disney-Film, der im vergangenen
Jahr erschien. „Meine ehemalige Dozentin stellte damals den Kontakt her, ich wusste zunächst nur, dass es sich um eine ‚Trainee’-Stelle handelt und dass diese eigentlich für zwei bis drei Wochen angesetzt war“, erzählt die Engländerin. „Ich musste eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben, erst dann erfuhr ich, dass es sich um ein Projekt von Disney handelte. Um welchen Film es ging, habe ich erst einen Tag vorher erfahren, dann habe ich die Besetzung gesehen und bin aus allen Wolken gefallen.“Die Hauptrolle des Kinofilms besetzte Hollywood-Star Emma Stone. „Die Tage waren lang und hart, wir haben den Großteil des Tages im Atelier verbracht und Kleider für Emma Stone genäht. Jeder Tag war anders, ich konnte es gar nicht begreifen.“Bereits am ersten Tag habe eine Anprobe für Stone im Atelier stattgefunden: „Ich dachte: Kann mich mal jemand kneifen?“Aus drei Wochen wurden letztendlich mehrere Monate, bis zum Drehschluss war Wilson Teil des „Costume-Teams“, ein Team, welches schlussendlich für „Cruella“den Oscar für „Bestes Kostümdesign“erhalten hat.
Nach „Cruella“arbeitete Wilson eine zeitlang für den Kensington Palace. Dann kam die Corona-Pandemie. „Das waren keine einfachen
Zeiten, die Miete in London ist hoch, die Jobs wurden weniger. Ich habe entschieden, erst einmal zurück nach Deutschland zu gehen.“Einige Monate lebte sie bei ihren Eltern, bis ein Jobangebot aus Mannheim einging. „Ich muss ehrlich zugeben, dass mir zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen ist, wenn man einmal ausgezogen ist, fällt es schwer, wieder zurück zu sein“, gesteht sie. „Ich habe den Job am Nationaltheater
in Mannheim angenommen.“Lange hielt es Wilson jedoch nicht in Deutschland. Eine Netflix-Produktion lockte die kreative Näherin zurück nach London. „Die Serie trägt den Namen ‚Lockwood & Co.‘, ein Veröffentlichungsdatum steht noch nicht fest“, plaudert sie aus dem Nähkästchen.
Seit rund acht Monaten arbeitet Wilson für den britischen Rundfunkdienst „BBC“, ist Teil des Teams der Kostümdesignerin Verity Hawkes. „Mit Verity Hawkes zu arbeiten, ist für mich ein absoluter Traumjob. Sie designte die Kostüme für den Film ‚Tintenherz‘, eine meiner absoluten Lieblingsgeschichten.“Hinter den Kulissen assistiert sie der Designern für die neue CharlesDickens-Adaption „Great Expectations“. Hinter der BBC-Miniserie steht der „Peaky Blinders“-Schöpfer Steven Knight. Was danach kommt, das weiß Vivien Wilson zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. „Es waren lange acht Monate, ich freue mich auf etwas freie Zeit. Außerdem möchte ich meinen Führerschein machen, denn der stand bisher hinten an.“Ist das geschafft, kann die junge Kostümdesignerin dann erst recht „Vollgas“geben.