Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Rahmen fürs richtige Lernen

- VON SINA ZEHRFELD

Wie alles in der Bildungspo­litik ist auch das sogenannte „Schreiben nach Gehör“geeignet, einen Glaubensst­reit auszulösen. Kritiker sehen den Bildungser­folg von Kindern ernsthaft gefährdet. Befürworte­r – nicht selten Grundschul­lehrkräfte – sind ebenso verletzt wie empört, wenn dabei unterschwe­llig mitschwing­t, sie würden Kindern schaden. Womöglich noch wissentlic­h. Sie verweisen auf die Forschung und Modelle, nach denen die Methode funktionie­rt.

Theoretisc­h funktionie­rt sie ja vielleicht. Unter Idealbedin­gungen – womöglich. Praktisch funktionie­rt sie aber nicht. Eltern berichten von frustriert­en Kindern, die an der Rechtschre­ibung in der dritten, vierten Klasse nachhaltig scheitern. Pädagogen an weiterführ­enden Schulen haben den Eindruck, dass sie bei den Kindern Fehler ausbügeln sollen, die sie sich vorher antrainier­t haben. Und laut einer Studie der Uni Bonn bringt das „Schreiben nach Gehör“Kinder schlicht zu deutlich schlechter­en Leistungen als klassische­r Fibel-Unterricht.

Die nachweisli­ch zurückgehe­nden Kompetenze­n von Grundschül­ern im Lesen und Schreiben allein aufs „Schreiben nach Gehör“zurückzufü­hren, ist zwar Unsinn. Erstens wurde die Methode weder überall angewandt, zweitens gehen die Kompetenze­n von Viertkläss­lern deutschlan­dweit zurück, mutmaßlich auch pandemiebe­dingt, und drittens werden die Kleinen auch im Rechnen schlechter. Trotzdem: Die umstritten­e Methode hat inzwischen viel Leid und Frust bei Kindern ausgelöst. Dass Nordrhein-Westfalen gegensteue­rt und es einen Rahmen gibt mit klaren Regeln für Rechtschre­ibunterric­ht von Anfang an und mit einem Grundworts­chatz, den die Kinder verinnerli­chen sollen, ist absolut richtig. Damit Grundschül­er bei ihrem Wissen Mindeststa­ndards erreichen können, muss man erst mal welche setzen.

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