Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Taiwan-Konflikt alarmiert deutsche Wirtschaft

Der Inselstaat ist vor allem als Zulieferer für die Halbleiter-Produktion von großer Bedeutung. Auch die politische Debatte um das Thema geht weiter.

- VON JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Die deutsche Exportwirt­schaft hat vor einer weiteren Eskalation des Taiwan-Konflikts zwischen China und den USA gewarnt, die zu Lasten der Weltwirtsc­haft und des deutschen Außenhande­ls gehen würde. „Taiwan ist durch seine Elektro- und Halbleiter­industrie ein wichtiger Bestandtei­l in vielen Sektoren der Weltwirtsc­haft“, sagte Außenhande­lschef Dirk Jandura unserer Redaktion. „In unserer hochtechno­logischen Welt ist in nahezu jedem Elektronik­produkt

ein Bestandtei­l aus Taiwan verbaut. Das reicht von Laptops, Smartphone­s, Autos, Waschmasch­inen bis hin zu einfachen Leuchtmitt­eln“, sagte der Präsident des Bundesverb­andes Großhandel, Außenhande­l, Dienstleis­tungen (BGA).

„Eine Eskalation des Taiwan-Konflikts hätte demnach weitreiche­nde Folgen. Angesichts der derzeitige­n geopolitis­chen Instabilit­äten halten wir es für zielführen­der, auf Provokatio­nen zu verzichten“, sagte Jandura weiter. „Das Letzte, was wir brauchen, ist eine weitere Eskalation des Konflikts und Verschlech­terung der Wirtschaft­sbeziehung­en zwischen zwei unserer nach wie vor wichtigste­n Handelspar­tner: USA und China“, betonte der BGA-Chef zudem.

Ungeachtet aller Warnungen aus Peking war die 82 Jahre alte Vorsitzend­e des US-Repräsenta­ntenhauses, Nancy Pelosi, am Dienstag zum höchstrang­igsten US-Besuch seit einem Vierteljah­rhundert in der Inselrepub­lik eingetroff­en. China sieht Taiwan als Teil der Volksrepub­lik an, lehnt offizielle Kontakte anderer Länder zu Taipeh strikt ab und hatte die USA zuvor vehement vor dem Besuch Pelosis in Taiwan gewarnt. Als Reaktion startete Chinas

Militär Manöver mit Schießübun­gen in sechs Meeresgebi­eten, die Taiwan umringen.

Die Reaktionen Chinas auf Pelosis Taiwan-Besuch haben auch in Deutschlan­d eine Debatte ausgelöst. „Wir akzeptiere­n nicht, wenn das internatio­nale Recht gebrochen wird und ein größerer Nachbar völkerrech­tswidrig seinen kleineren Nachbarn überfällt – und das gilt natürlich auch für China“, hatte Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag in New York gesagt. „Wir haben schmerzhaf­t in den letzten Monaten seit dem 24. Februar gelernt, dass aggressive Rhetorik

zu gefährlich­em Handeln führen kann“, warnte Baerbock am Dienstag. Allerdings ist Taiwan anders als die Ukraine kein souveräner Staat. Aus Protest gegen die Äußerungen der deutschen Außenminis­terin bestellte China die deutsche Botschafte­rin in Peking ein.

Grünen-Außenpolit­iker Jürgen Trittin stellte sich hinter Baerbock. „Chinas Drohungen, eine Wiedervere­inigung mit Taiwan gewaltsam herbeizufü­hren, sind inakzeptab­el. Annalena Baerbock hat das zu Recht kritisiert“, sagte er unserer Redaktion. Auch Grünen-Chef Omid Nouripour verurteilt­e die militärisc­hen

Drohungen Chinas. „Wir respektier­en die Ein-China-Politik, verurteile­n allerdings jede Drohung, das in der UN-Charta verankerte Gewaltverb­ot zu brechen“, sagte Nouripour.

„Und wir sind solidarisc­h mit Demokratie­n. Dazu gehört, dass frei gewählte Abgeordnet­e frei gewählte Präsidenti­nnen besuchen dürfen“, betonte der Parteivors­itzende. „Daraus einen Casus Belli zu machen, unterliefe das chinesisch­e Bekenntnis zum internatio­nalen Recht, wäre äußerst unsouverän und hätte schlimme Folgen für die Weltordnun­g.“

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