Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wackens Wiesen wieder voll

Das norddeutsc­he Dorf ist wieder Zentrum der Heavy-Metal-Welt: Bis Samstag wollen 75.000 Musikfans aus der ganzen Welt nach coronabedi­ngter Zwangspaus­e feiern. Bei vielen gebe es „Nachholbed­arf“.

- VON ANDRÉ KLOHN

WACKEN (dpa) Wackens Wiesen sind wieder voller Zelte, aus den Boxen wummert es, die Sonne scheint. Nach zwei Sommern ohne HeavyMetal-Festival sind die Fans wieder in das beschaulic­he Dorf mit 1800 Einwohnern in Schleswig-Holstein eingefalle­n. Schon vor dem offizielle­n Start des Wacken Open Air (W:O:A, 4. bis 6. August) ist der als Pommesgabe­l bezeichnet­e Gruß der Metalheads allgegenwä­rtig. Das Festival mit 75.000 verkauften Tickets ist seit Langem ausverkauf­t.

„Es gibt auf jeden Fall Nachholbed­arf“, sagt Festivalbe­sucherin Christina Plattig aus München. Die 22-Jährige ist zum zweiten Mal auf dem Open Air. Dieses mache eine besondere Atmosphäre aus. „Es interessie­rt niemanden, wie du aussiehst, wie du dich anziehst, ob du dick bist oder dünn.“Wenige Meter neben ihr greift Paul Ziche an der Bushaltest­elle in die Tasten seines Akkordeons, spielt einen Song von Iron Maiden und singt dazu.

Am Mittwoch war erst ein Teil des Festivalge­ländes offen. Die beiden Hauptbühne­n werden erst am Donnerstag bespielt. Dann wollen dort unter anderem Judas Priest den Fans einheizen. Insgesamt werden 200 Bands erwartet, darunter Slipknot, Powerwolf, Hämatom, In Extremo, Lordi, Slime, Venom und erstmals die Kölner Band Höhner. Absagen gab es von Limp Bizkit und Rammstein-Sänger Till Lindemann.

Eines der ersten Konzerte haben am Mittwoch die Wacken Firefighte­rs gegeben. Als der Musikzug der Freiwillig­en Feuerwehr Wacken kurz vor 11 Uhr die Bühne für seinen traditione­llen Festivalau­ftritt betritt, schallt ihm „Wacken, Wacken, Feuerwehr“-Sprechchör­e entgegen. Der Bereich vor der Wackinger Stage ist gut gefüllt.

Bei Sommerwett­er geben die Musiker nicht nur volkstümli­che Lieder oder Schlager wie „Rosamunde“zum Besten, sondern auch Instrument­al-Coverversi­onen moderner Popsongs wie „Let me entertain you“von Robbie Williams. Bei Songs wie „Skandal im Sperrbezir­k“singen die Metalheads lautstark mit. Immer wieder gibt es „Ausziehen, Ausziehen“-Rufe in Richtung von Kapellmeis­ter Stefan Bumann. „Es macht so eine Laune, euch wiederzuse­hen“, sagt er. Mehrfach machen Fans die Polonaise.

Aus dem kleinen Dorffestiv­al mit 800 Besuchern im Jahr 1990 wurde ein riesiges Event, das in den vergangene­n Jahren regelmäßig 75.000 Fans nicht nur aus Deutschlan­d, sondern teils auch von weit her angelockt hat. „Wacken ist meine Religion“, sagt Raul Saavedra aus Kolumbien. „Ich liebe diesen Ort wirklich.“Stolz zeigt er sein Wacken-Tattoo

auf der Brust, auf dem Arm hat er sich die Koordinate­n des Infields von Wacken stechen lassen. Sein Kumpel Andres Urbano sagt, alles sei speziell. „Es ist hier nicht wie bei anderen Festivals, man fühlt sich wie in einer großen Familie.“

Die Lage sei bislang „insgesamt ruhig, kaum Zwischenfä­lle“, sagt eine Polizeispr­echerin. Viel los ist abseits des Festivals nicht nur in der Hauptstraß­e des Ortes, wo manch Anwohner auf seiner Auffahrt einen Bierwagen oder Wurststand hat aufbauen lassen, sondern auch im örtlichen Tattoo-Studio. „Wir stechen täglich zwischen 15 und 30 Tattoos“, sagt Tätowierer­in Nadine Pieper. Viele wollten den klassische­n Wacken-Schädel, Stammkunde­n gebe es auch. Nur: „Betrunkene Leute werden nicht tätowiert.“

In den beiden vergangene­n Jahren fiel das W:O:A wegen der Corona-Pandemie aus. 2020 gab es lediglich eine Online-Ausgabe. Wackens Bürgermeis­ter Axel Kunkel freut sich über das Festival-Comeback. „Ein richtig tolles Gefühl.“Es sei schön zu sehen, wie die meist schwarz gekleidete­n Fans wieder durch das Dorf zögen. Auch Anwohner Dirk Krause sagt, „die letzten zwei Jahre hat etwas gefehlt“. Er befürchtet jedoch, dass wegen der Pause nun noch mehr Touristen ohne Karten nach Wacken kommen.

Eine weite Anreise hatte Claudia Ghisi aus dem brasiliani­schen São Paulo. „Wacken ist Wacken, alles ist speziell“, sagt sie. Die zwei Sommer ohne seien sehr traurig gewesen. „Wir sind so glücklich, wieder hier zu sein“, sagt ihr Mann Felipe. Zu Hause hätten sie letztes Jahr Videos aus den Vorjahren angesehen. Er ist bereits das zehnte Mal in Wacken, für seine Frau ist es der sechste Besuch.

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FOTOS: FRANK MOLTER/DPA Festival-Besucher stehen während des Auftritts der Wacken Firefighte­rs vor der Bühne.
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Claudia und Felipe Ghisi aus Sao Paulo in Brasilien zeigen nach ihrer Ankunft die brasiliani­sche Flagge.

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