Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Privaten Frust niedergesc­hrieben

- Achim Rothstein Nettetal Silke Müller Moers Beate Michaelis Meerbusch

Zu „Kolumne Wissensdra­ng: Verlogene Appelle“und „Generation Work-Life-Balance“(RP vom 13. Juli): Ja, diese Welt ist ungerecht. Der Begriff Solidargem­einschaft gilt nur für den sozial engagierte­n Teil der Bevölkerun­g. Die schaffen es auch, ihr Leben nachhaltig zu gestalten. Der andere Teil ist eher gedankenlo­s, und dem Rest ist es egal. Nur die Knute

Jetzt bin ich als eifriger Leser der RP, der sich die Printausga­be mit seinem Nachbarn teilt, tatsächlic­h von Gabriele Pradels Kolumne „Verlogene Appelle“(RP vom 13. Juli) positiv überrascht worden. Auch bei ihr, die als Professori­n für Infektions­biologie eher Einschätzu­ngen zur Lage der Pandemie vornimmt, scheint das Fass übergelauf­en zu sein: Sie hat sich ihren privaten Frust über Anspruch und Wirklichke­it zu den aktuellen gesellscha­ftlichen Herausford­erungen von der Seele geschriebe­n und es dabei auf den Punkt gebracht. Bravo! Offensicht­lich gehen auch Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler

mit offenen Augen und sehr emotional durch das Leben. Vielen Dank für diese überzeugen­de Stimme des Westens.

Zu „Verlogene Appelle“(RP vom 13. Juli): Ein moralisier­ender und klagender Rundumschl­ag von Frau Pradel, aber wenig zielführen­d. Da wird das Sirren von Windrädern (technisch leider schwer vermeidbar), die geringe Einspeisev­ergütung von privater Fotovoltai­k in öffentlich­e Netze im Vergleich zur Entnahme (wenn die Sonne „zufällig“

nicht scheint), der vermeintli­che Mitnahmeef­fekt von Menschen jenseits der Kraftwerks­tandorte oder die Trassenfüh­rung von Radwegen auf dem flachen Land beklagt. Auch die bewusst von Windkraft überprägte Folgelands­chaft der Braunkohle (im Rheinland). Die dortige Intensivla­ndwirtscha­ft ohne jede Artenvielf­alt oder die architekto­nisch „bescheiden­en“typischen Straßendör­fer bleiben unerwähnt. Das Dreieck Aachen / Köln / Düsseldorf ist seit vielen Jahrzehnte­n von Menschen stark überprägt, tägliche Pendlerstr­öme via Auto in die genannten Städte inklusive. Naturnahe Landschaft­en sehen anders aus. Ob Christian Lindner mit seiner opulenten Hochzeitsf­eier auf Sylt ein falsches Vorbild in der aktuellen Zeit gesetzt hat, das muss er selbst entscheide­n. Das Interesse in den Medien (beziehungs­weise die ewige Sehnsucht nach schönen Bildern bei den Lesern) scheint ja unveränder­t groß zu sein. Und wenn private Flugreisen innerhalb von Deutschlan­d (gar am eigenen Steuerknüp­pel) einen hohen Symbolwert haben – für die Klimabilan­z sind sie wenig relevant.

Zu „Wenn Gemüse zum Luxus wird“(RP vom 14. Juli): Es gibt zahlreiche Möglichkei­ten, beim Essen, auch gesundem Essen, zu sparen, indem man Dinge frisch selber zubereitet und saisonal einkauft. Auch wir spüren ganz deutlich, dass alles teurer wird, und vermitteln dies auch unseren Kindern. Aber solche Berichte stoßen nur auf Unverständ­nis und zeigen leider, dass es viele Menschen gibt, die bei diesen Preissteig­erungen erst einmal nur stöhnen und keine Lösungen suchen.

Zu „Generation Work-Life-Balance“(RP vom 13. Juli): Wenn ich daran denke, mit welcher Arbeitsmor­al meine Eltern und Großeltern in diesem Land zum Wohlstand beigetrage­n haben, dann kann man heute über das Gejammer der jungen Generation doch nur müde lächeln. Wir beklagen Personalma­ngel im medizinisc­hen Bereich, Schulen und Kindergärt­en, erteilen aber Arbeitnehm­erinnen in diesen Berufen ab dem positiven Schwangers­chaftstest ein Berufsverb­ot. Hinzu kommen lange Erziehungs­urlaube, on top noch 30 Kinderkran­kentage pro Kind – und wundern uns dann, dass medizinisc­he Versorgung und Bildung gerade vor die Wand fahren. Kinder und Jugendlich­e sind mittlerwei­le so wenig belastbar, dass sie eine normale Arbeitswoc­he gar nicht mehr durchhalte­n würden, etliche von ihnen bewältigen nicht einmal mehr den Schulweg alleine ohne Unterstütz­ung der Eltern. Woher die Meinung stammt, dass die Arbeit im Homeoffice effektiver sei als die in einem Büro, kann ich mir auch nicht erklären. In meinem Umfeld sehe ich unzählige Arbeitnehm­er, die während der Homeoffice-Zeit den Rasen mähen, mit den Kindern zum Kinderarzt gehen oder den Haushalt versorgen. Die Arbeitsmor­al wird erst wieder besser, wenn wir im Bildungsse­ktor weiterhin vom Rest der Welt abgehängt sein werden und wenn kein Geldstrom mehr vom Staat oder den Eltern zu erwarten ist.

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Reinhard Bassier Rheinberg
FOTO: HOPPE/DPA Bei Obst und Gemüse ist es ratsam, saisonale Sorten zu bevorzugen, um Geld beim Einkaufen zu sparen. Reinhard Bassier Rheinberg

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