Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Zum Schulstart bitte gelassen bleiben“
Nächste Woche beginnt für rund 700 i-Dötzchen in Grevenbroich „der Ernst des Lebens“. Manche Eltern sind aufgeregter als ihre Kinder. Drei Grundschullehrerinnen geben Tipps zum Schulbeginn – und nennen dabei auch einige No-Gos.
GREVENBROICH Auch wenn die Sommerferien noch nicht vorbei sind: In der katholischen Grundschule St. Martin in der Stadtmitte herrscht bereits Betrieb. Das 17 Mitglieder starke Team aus Lehrern, Sozialund Sonderpädagogen bereitet den Schulbeginn vor – kommende Woche Donnerstag muss der Stundenplan für das neue Schuljahr stehen. Gerade ist zudem eine große Ladung neuer Lehrbücher eingetroffen. Auch die Klassenräume werden vorbereitet. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Räumen für die Klassen 1a und 1b. Dort werden die i-Dötzchen schon jetzt freundlich begrüßt: Die Tafeln schmücken Luftballons, Wimpel und das Einschulungs-Datum 11. August 2022 – liebevoll mit bunter Kreide aufgemalt.
„Wir erwarten insgesamt 56 neue Erstklässler, die wir am Donnerstag zur Einschulungsfeier begrüßen“, sagt Susanne Jacob, die seit einem halben Jahr an St. Martin beschäftigt ist und nun zum ersten Mal als Schulleiterin in Grevenbroich eine Einschulung begleitet. Genau wie ihre beiden Kolleginnen, die Lehrerinnen Judith Wittenbruch und Cordula Fritsch, hat sie einige Tipps parat, wie sich Eltern zum Schulstart verhalten sollten – und was sie auch ihrem Kind zuliebe besser vermeiden sollten. Denn die Erfahrung zeigt: Zum Schulstart sind manche Eltern aufgeregter als ihre Kinder. Wir haben zehn der „Goldenen Regeln“aufgelistet.
Vertrauen haben – in Kind und Schule Gelernt wird in der Schule. Immer wieder kommt es vor, dass Eltern schon vor Schulbeginn mit ihrem Kind etwa Buchstaben auswendig lernen, weil sie glauben, dass ihr Sohn oder ihre Tochter dadurch einen Vorteil hat. „Oft ist das aber recht unglücklich. Wir haben schon erlebt, dass Kinder Buchstaben auswendig konnten, aber die Laute nicht kannten“, berichtet Lehrerin Cordula Fritsch. Besser: Das Vermitteln den Fachleuten überlassen. Schulleiterin Susanne Jacob sagt: Eltern sollten auch Vertrauen in das eigene Kind haben.
Geduldig sein Erfolge und Misserfolge gehören zum Leben dazu – das gilt auch für die Grundschule. Eltern sollten nicht verzweifeln, wenn ihr Kind mal Schwierigkeiten mit dem Unterrichtsstoff hat oder es bei den Hausaufgaben hapert. Die drei
Grundschullehrerinnen bringen es auf den Punkt: „In der ersten Klasse ist das Abitur noch nicht gefährdet.“
Interesse zeigen Eltern sollten sich für das interessieren, was ihr Kind in der Schule lernt – gleichwohl aber nicht übers Ziel hinausschießen. „Es ist gut, wenn Eltern viel mit ihren Kindern sprechen und sich erklären lassen, was sie in der Schule gelernt haben“, sagt Lehrerin Judith Wittenbruch. Bei völligem Desinteresse hingegen bestehe die Gefahr, dass das Kind denkt, dass es egal ist, ob und was es lernt.
Das Kind allein machen lassen Eltern, die sich bei Problemen in der Schule ständig einmischen, tun ihrem Kind damit keinen Gefallen. „Es kommt natürlich immer darauf an, was passiert ist. Aber sehr viele Dinge können Kinder selbst regeln“, betont Susanne Jacob. Bei kleineren Streitigkeiten in der Schule etwa sollten Eltern ihre Kinder motivieren, selbst das Gespräch zu suchen – auch mit der Lehrkraft. Das schafft Selbstständigkeit.
Nicht jeden Tag mit dem Auto zur Schule fahren Selbstständigkeit erlangen Kinder auch, wenn sie zu Fuß zur Schule gehen und nicht jeden Tag von Mama oder Papa zur Schule chauffiert werden. Auch wenn es für viele verlockend ist, ihr Kind auf dem Weg zur Arbeit vor der Schule abzusetzen oder auf diese Weise morgens Zeit zu sparen: „Wenn ein Kind einen weiten Weg zur Schule hat, empfehlen wir, es zumindest einige Meter weiter aussteigen zu lassen“, sagt Susanne Jacob. „Auch, weil der Verkehr vor der Schule Gefahren birgt für alle anderen Kinder“, ergänzt Judith Wittenbruch. Gleiches gilt natürlich genauso für den Weg von der Schule nach Hause.
Bewusstsein für Schulsachen schaffen Viele Grundschüler haben keinen Bezug zu ihren eigenen Utensilien, weil ihre Eltern im Extremfall sogar den Tornister packen. „Es ist gut, wenn die Sachen beschriftet sind, dass jeder Stift und jede Schere zuzuordnen ist“, sagt Lehrerin Claudia Fritsch. Nicht selten würden Dinge verloren gehen und von den Kindern später nicht wiedererkannt. Vertrauen mit den eigenen Schulsachen können Eltern auch schaffen, indem sie das Equipment gemeinsam mit ihren Kindern kaufen und auspacken. „Das hilft auch uns, wenn wir nicht 28 original eingeschweißte Scheren im Unterricht auspacken müssen“, scherzt Fritsch.
Smart-Watch zu Hause lassen Manche Eltern erkundigen sich auch zu Unterrichtszeiten viel zu oft nach ihrem Kind. Manche rufen sogar über Smart-Watches
an, wie die drei Lehrerinnen von „St. Martin“berichten – dabei sollten sich Eltern die Frage stellen, ob technische Helferlein wie diese (dazu gehören auch Smartphones) überhaupt in die Hände von Erstklässlern gehören. Im Unterricht haben sie meist nichts zu suchen, auch wenn Tablets längst Einzug in den Unterricht gehalten haben.
Nicht für das Kind die Hausaufgaben machen Hausaufgaben sind ungeliebt, gehören aber zum Lernen dazu. Sie sollten fest in den Nachmittag integriert sein. Das Kind sollte sich dabei konzentrieren können, an einem ruhigen Ort ohne Fernseher. Wenn das Kind mal nicht weiter weiß, sollten Eltern nicht selbst aktiv werden. „Das fällt fast immer auf“, sagt Cordula Fritsch. Besser: Ansprechbar sein und Tipps geben, aber eben in Maßen. „Im Zweifelsfall gilt: Lieber uns Lehrern eine Rückmeldung geben.“Judith Wittenbruch erklärt, dass – wenn Eltern bei den Hausaufgaben das Ruder übernehmen – dem Kind vermittelt wird: „Das kannst Du nicht, das solltest Du aber können“. Das ist kontraproduktiv.
Frühstück vorbereiten Ohne Frühstück zur Schule? Keine gute Idee. Wer morgens keine Zeit findet, sollte ein möglichst gesundes Pausenbrot für den nächsten Schultag schon am Abend vorbereiten. Und auch sonst gilt: Eltern sollten dafür Sorge tragen, dass ihr Kind zumindest eine Kleinigkeit vor der ersten Stunde zu sich nimmt. Für heiße Sommertage gilt umso mehr: Ausreichend Getränke mitgeben.
Gelassen bleiben Der wohl wichtigste Ratschlag für alle Eltern, deren Kind zum ersten Mal in die Schule geht: Nicht in Stress verfallen. „Besser ist eine gesunde Gelassenheit“, sagt Schulleiterin Susanne Jacob, die sich wie ihre Kollegen auf die neuen Erstklässler freut – und auf das Wiedersehen mit rund 150 weiteren Grundschülern.