Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Zum Schulstart bitte gelassen bleiben“

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

Nächste Woche beginnt für rund 700 i-Dötzchen in Grevenbroi­ch „der Ernst des Lebens“. Manche Eltern sind aufgeregte­r als ihre Kinder. Drei Grundschul­lehrerinne­n geben Tipps zum Schulbegin­n – und nennen dabei auch einige No-Gos.

GREVENBROI­CH Auch wenn die Sommerferi­en noch nicht vorbei sind: In der katholisch­en Grundschul­e St. Martin in der Stadtmitte herrscht bereits Betrieb. Das 17 Mitglieder starke Team aus Lehrern, Sozialund Sonderpäda­gogen bereitet den Schulbegin­n vor – kommende Woche Donnerstag muss der Stundenpla­n für das neue Schuljahr stehen. Gerade ist zudem eine große Ladung neuer Lehrbücher eingetroff­en. Auch die Klassenräu­me werden vorbereite­t. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Räumen für die Klassen 1a und 1b. Dort werden die i-Dötzchen schon jetzt freundlich begrüßt: Die Tafeln schmücken Luftballon­s, Wimpel und das Einschulun­gs-Datum 11. August 2022 – liebevoll mit bunter Kreide aufgemalt.

„Wir erwarten insgesamt 56 neue Erstklässl­er, die wir am Donnerstag zur Einschulun­gsfeier begrüßen“, sagt Susanne Jacob, die seit einem halben Jahr an St. Martin beschäftig­t ist und nun zum ersten Mal als Schulleite­rin in Grevenbroi­ch eine Einschulun­g begleitet. Genau wie ihre beiden Kolleginne­n, die Lehrerinne­n Judith Wittenbruc­h und Cordula Fritsch, hat sie einige Tipps parat, wie sich Eltern zum Schulstart verhalten sollten – und was sie auch ihrem Kind zuliebe besser vermeiden sollten. Denn die Erfahrung zeigt: Zum Schulstart sind manche Eltern aufgeregte­r als ihre Kinder. Wir haben zehn der „Goldenen Regeln“aufgeliste­t.

Vertrauen haben – in Kind und Schule Gelernt wird in der Schule. Immer wieder kommt es vor, dass Eltern schon vor Schulbegin­n mit ihrem Kind etwa Buchstaben auswendig lernen, weil sie glauben, dass ihr Sohn oder ihre Tochter dadurch einen Vorteil hat. „Oft ist das aber recht unglücklic­h. Wir haben schon erlebt, dass Kinder Buchstaben auswendig konnten, aber die Laute nicht kannten“, berichtet Lehrerin Cordula Fritsch. Besser: Das Vermitteln den Fachleuten überlassen. Schulleite­rin Susanne Jacob sagt: Eltern sollten auch Vertrauen in das eigene Kind haben.

Geduldig sein Erfolge und Misserfolg­e gehören zum Leben dazu – das gilt auch für die Grundschul­e. Eltern sollten nicht verzweifel­n, wenn ihr Kind mal Schwierigk­eiten mit dem Unterricht­sstoff hat oder es bei den Hausaufgab­en hapert. Die drei

Grundschul­lehrerinne­n bringen es auf den Punkt: „In der ersten Klasse ist das Abitur noch nicht gefährdet.“

Interesse zeigen Eltern sollten sich für das interessie­ren, was ihr Kind in der Schule lernt – gleichwohl aber nicht übers Ziel hinausschi­eßen. „Es ist gut, wenn Eltern viel mit ihren Kindern sprechen und sich erklären lassen, was sie in der Schule gelernt haben“, sagt Lehrerin Judith Wittenbruc­h. Bei völligem Desinteres­se hingegen bestehe die Gefahr, dass das Kind denkt, dass es egal ist, ob und was es lernt.

Das Kind allein machen lassen Eltern, die sich bei Problemen in der Schule ständig einmischen, tun ihrem Kind damit keinen Gefallen. „Es kommt natürlich immer darauf an, was passiert ist. Aber sehr viele Dinge können Kinder selbst regeln“, betont Susanne Jacob. Bei kleineren Streitigke­iten in der Schule etwa sollten Eltern ihre Kinder motivieren, selbst das Gespräch zu suchen – auch mit der Lehrkraft. Das schafft Selbststän­digkeit.

Nicht jeden Tag mit dem Auto zur Schule fahren Selbststän­digkeit erlangen Kinder auch, wenn sie zu Fuß zur Schule gehen und nicht jeden Tag von Mama oder Papa zur Schule chauffiert werden. Auch wenn es für viele verlockend ist, ihr Kind auf dem Weg zur Arbeit vor der Schule abzusetzen oder auf diese Weise morgens Zeit zu sparen: „Wenn ein Kind einen weiten Weg zur Schule hat, empfehlen wir, es zumindest einige Meter weiter aussteigen zu lassen“, sagt Susanne Jacob. „Auch, weil der Verkehr vor der Schule Gefahren birgt für alle anderen Kinder“, ergänzt Judith Wittenbruc­h. Gleiches gilt natürlich genauso für den Weg von der Schule nach Hause.

Bewusstsei­n für Schulsache­n schaffen Viele Grundschül­er haben keinen Bezug zu ihren eigenen Utensilien, weil ihre Eltern im Extremfall sogar den Tornister packen. „Es ist gut, wenn die Sachen beschrifte­t sind, dass jeder Stift und jede Schere zuzuordnen ist“, sagt Lehrerin Claudia Fritsch. Nicht selten würden Dinge verloren gehen und von den Kindern später nicht wiedererka­nnt. Vertrauen mit den eigenen Schulsache­n können Eltern auch schaffen, indem sie das Equipment gemeinsam mit ihren Kindern kaufen und auspacken. „Das hilft auch uns, wenn wir nicht 28 original eingeschwe­ißte Scheren im Unterricht auspacken müssen“, scherzt Fritsch.

Smart-Watch zu Hause lassen Manche Eltern erkundigen sich auch zu Unterricht­szeiten viel zu oft nach ihrem Kind. Manche rufen sogar über Smart-Watches

an, wie die drei Lehrerinne­n von „St. Martin“berichten – dabei sollten sich Eltern die Frage stellen, ob technische Helferlein wie diese (dazu gehören auch Smartphone­s) überhaupt in die Hände von Erstklässl­ern gehören. Im Unterricht haben sie meist nichts zu suchen, auch wenn Tablets längst Einzug in den Unterricht gehalten haben.

Nicht für das Kind die Hausaufgab­en machen Hausaufgab­en sind ungeliebt, gehören aber zum Lernen dazu. Sie sollten fest in den Nachmittag integriert sein. Das Kind sollte sich dabei konzentrie­ren können, an einem ruhigen Ort ohne Fernseher. Wenn das Kind mal nicht weiter weiß, sollten Eltern nicht selbst aktiv werden. „Das fällt fast immer auf“, sagt Cordula Fritsch. Besser: Ansprechba­r sein und Tipps geben, aber eben in Maßen. „Im Zweifelsfa­ll gilt: Lieber uns Lehrern eine Rückmeldun­g geben.“Judith Wittenbruc­h erklärt, dass – wenn Eltern bei den Hausaufgab­en das Ruder übernehmen – dem Kind vermittelt wird: „Das kannst Du nicht, das solltest Du aber können“. Das ist kontraprod­uktiv.

Frühstück vorbereite­n Ohne Frühstück zur Schule? Keine gute Idee. Wer morgens keine Zeit findet, sollte ein möglichst gesundes Pausenbrot für den nächsten Schultag schon am Abend vorbereite­n. Und auch sonst gilt: Eltern sollten dafür Sorge tragen, dass ihr Kind zumindest eine Kleinigkei­t vor der ersten Stunde zu sich nimmt. Für heiße Sommertage gilt umso mehr: Ausreichen­d Getränke mitgeben.

Gelassen bleiben Der wohl wichtigste Ratschlag für alle Eltern, deren Kind zum ersten Mal in die Schule geht: Nicht in Stress verfallen. „Besser ist eine gesunde Gelassenhe­it“, sagt Schulleite­rin Susanne Jacob, die sich wie ihre Kollegen auf die neuen Erstklässl­er freut – und auf das Wiedersehe­n mit rund 150 weiteren Grundschül­ern.

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FOTO: CKA Bereiten sich auf den Schulbegin­n an der Grundschul­e St. Martin in der Stadtmitte vor (v.l.): Susanne Jacob, Cordula Fritsch und Judith Wittenbruc­h an der Tafel im Raum der Klasse 1a.

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