Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Leck bei Meiler Isar 2 befeuert Streit um Kernkraft
Grüne und SPD warnen vor „Hochrisiko-Technologie“. Betreiber Eon will das bayerische AKW kurzzeitig vom Netz nehmen.
BERLIN Es sind Signale der Beruhigung, die Kanzler Olaf Scholz (SPD) aussandte. „Wir kommen wohl durch diesen Winter, und das ist eine gute Botschaft in dieser Zeit“, sagte Scholz vor gut einer Woche. Immerhin, die deutschen Gasspeicher sind mittlerweile zu 90 Prozent gefüllt. Doch es türmen sich andere Probleme auf.
Die umstrittene Gasumlage steht wegen der Verstaatlichung von Uniper komplett in Frage. In Habecks Ministerium bestehen „finanzverfassungsrechtliche Zweifel“. Man hält die Umlage als Brücke zwar für notwendig, aber es müsse diskutiert werden, ob sie nicht durch andere staatliche Finanzierungsinstrumente abgelöst werden müsse. Zudem will das Ministerium den Kreis der antragsberechtigten Unternehmen so reduzieren, „dass Trittbrettfahrer davon nicht erfasst sind“, sagte eine Sprecherin. Nun sind Änderungen am Energiesicherungsgesetz notwendig, die erneut das Kabinett,
Bundestag und Bundesrat passieren müssen. „Die Gasumlage ist Murks, sie bleibt Murks“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei. Die Union plädiert für eine Rettung von Uniper über den Staatshaushalt.
Der Eon-Konzern hingegen rät, an der Umlage festzuhalten: „Die Gasumlage ist sinnvoll, weil sie zusätzliche Kosten, die aus der Ersatzbeschaffung entstehen, gleichmäßig und berechenbar verteilt, die Importeure stützt und insbesondere die Stadtwerke in der Fläche vor Insolvenzen bewahren kann“, sagte der Eon-Sprecher. Bei der Konstruktion der Umlage sei nicht alles richtig gelaufen – „wir halten sie dennoch von allen bisher diskutierten Optionen für den gangbarsten Weg, insbesondere in Kombination mit dem dritten Entlastungspaket“.
Bei der geplanten Notfallreserve von Atomkraftwerken liegen Eon und Bund dagegen im Clinch. Eon ist zwar grundsätzlich aufgeschlossen, man ist aber uneins, wie der
Meiler Isar 2 als Notfallreserve eingesetzt werden kann. Zudem sorgt ein Leck für Ärger. Eons Tochter Preussen Elektra hatte das Bundesumweltministerium jüngst „über eine interne Ventilleckage“informiert. Die Sicherheit der Anlage sei nicht beeinträchtigt. Das Kraftwerk könne bis zum 31. Dezember weiterlaufen. „Zur Absicherung eines möglichen weiteren Betriebs über das Jahresende hinaus müsste das Kraftwerk für circa eine Woche vom Netz genommen werden. In einem solchen Kurzstillstand würden nicht-sicherheitsrelevante Reparaturen durchgeführt werden“, erklärte Preussen Elektra. „Innere Leckagen an Vorsteuerventilen werden behoben. Eine solche Leckage ist normalbetrieblich vorhanden und gewollt – es handelt sich also keineswegs um eine Panne.“
Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) beklagte, nicht schon früher aus Bayern informiert worden zu sein. „Wir sind gerade dabei, die veränderte Situation zu bewerten und Schlussfolgerungen zu ziehen“, so Lemke. SPD und Grüne nutzten die Debatte, um vor den Risiken zu warnen. „Atomkraft ist und bleibt eine Hochrisikotechnologie“, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. Er verwies auf das umstrittene Gutachten des TÜV Süd, demzufolge ein Weiterbetrieb von Isar 2 möglich sei. „Die Substanz der gutachterlichen Äußerung ist mehr als fraglich. Erst gehen die Atomlobby und allen voran Friedrich Merz und Markus Söder wochenlang mit dem Gutachten hausieren, und jetzt kommt plötzlich diese Meldung“, so Miersch. In eine ähnliche Kerbe schlug Grünen-Wirtschaftspolitiker Dieter Janecek: „Markus Söder hat uns die letzten Wochen weismachen wollen, dass Atomkraftwerke wie Kaffeemaschinen einfach mal schnell ein- und abgeschaltet werden können. Die Sicherheitsmängel an Isar 2 zeigen, wie richtig es ist, dass wir sorgsam mit dieser Hochrisikotechnologie umgehen.“Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert, sieht sich nach dem Bekanntwerden des Lecks bestätigt: „Die AKW lösen keine Probleme, sondern sind ein Problem.“