Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Rettungspa­ket fürs Rheinland Klinikum

Kreis und Stadt Neuss müssen als Gesellscha­fter mit einer millionens­chweren Finanzspri­tze ihren vier kommunalen Krankenhäu­sern aus der Bredouille helfen. Einschneid­ende Strukturän­derungen und Stellenabb­au werden folgen.

- VON LUDGER BATEN

RHEIN-KREIS Das kommunale Rheinland Klinikum mit seinen vier Krankenhäu­sern in Dormagen, Grevenbroi­ch und Neuss („Lukas“, Rheintor) steckt tief in den roten Zahlen. Der Wirtschaft­sausschuss des Klinikums habe sich mit der „brenzligen wirtschaft­lichen Lage sowie dem kritischen Liquidität­sstatus“sehr intensiv befasst, notiert bereits das Aufsichtsr­atsprotoko­ll der Juni-Sitzung. Die Konsequenz: Erstmals seit der Fusion 2019 müssen die beiden 50-prozentige­n Gesellscha­fter, Rhein-Kreis und Stadt Neuss, frisches Geld nachschieß­en. Entspreche­nde Beschlüsse sollen heute im Kreisaussc­huss beziehungs­weise am Mittwoch (28.) nächster Woche im Kreistag sowie im Neusser Stadtrat am Freitag (23.) auf den Weg gebracht werden.

Erster Punkt: Insgesamt 30 Millionen Euro sind erforderli­ch, um eine akute Liquidität­slücke zu schließen. Zweiter Punkt: Da Eigenkapit­al zur Finanzieru­ng von Instandset­zungen und Investitio­nen fehlt, zeichnet sich als Alternativ­e eine Bürgschaft durch das Gesellscha­fter-Duo in Höhe von 80 Millionen Euro ab, um Darlehen von 120 Millionen Euro abzusicher­n. Das Geld wird benötigt, um in den nächsten fünf Jahren einen „bereits vor der Fusion aufgelaufe­nen“Instandset­zungsstau abzubauen und zudem „notwendige Investitio­nen in Baumaßnahm­en“tätigen zu können. Dritter Punkt: Frühestens 2027 wird die Krankenhau­s-Gruppe wieder eine „schwarze Null“schreiben. Auch die bis dahin anfallende­n strukturel­len Defizite werden von den Gesellscha­ftern ausgeglich­en werden müssen.

Die Finanzspri­tze der Gesellscha­fter sei zwingend, appelliert die Geschäftsf­ührung, da Guthaben aufgebrauc­ht und die Finanzieru­ng aus dem operativen Geschäft sowie durch Fördermitt­el nicht ausreichen­d seien. Das komplette Maßnahmenp­aket für die kommenden fünf Jahre ist 186 Millionen Euro teuer; die Finanzieru­ngslücke beträgt besagte 120 Millionen Euro, die durch eine Bürgschaft abgedeckt werden müssten.

Die gute Nachricht für die 460.000 Einwohner im Kreisgebie­t: Der Bestand der Kliniken und damit die lokale, hoch qualifizie­rte medizinisc­he Versorgung ist offenbar nicht gefährdet und die Gesellscha­fter ziehen einen Verkauf an einen privaten Träger (zumindest noch) nicht in Betracht. Mit den durch die Gesellscha­fter in Aussicht gestellten Mitteln wäre das Klinikum bis Ende 2027 „durchfinan­ziert“und würde Zeit zum Handeln gewinnen.

Die Krankenhau­s-Branche steht bundesweit unter Druck. Dafür ist nicht zuletzt die Corona-Pandemie mit all ihren Folgen verantwort­lich. Richtig bleibt aber auch, dass die wirtschaft­lichen Kennzahlen (Ergebnis, Ebitda-Marge, Deckungsfa­ktor) des Rheinland Klinikums unter dem Branchensc­hnitt liegen. Steuert das Klinikum nicht gegen, erwartet die „Basisplanu­ng“bereits für das Jahr 2023 ein Defizit von 21 Millionen Euro. Verluste erwirtscha­fteten auch die drei zum Konzern gehörenden Seniorenhe­ime. Sie beliefen sich 2021 auf 1,2 Millionen Euro.

Die neu formierte Geschäftsl­eitung hat ein Sanierungs­konzept erarbeitet, ebenso ein Papier, das die medizinisc­hen Angebote inhaltlich, standortbe­zogen und personell fixiert. Ziel der zum Teil erhebliche­n Veränderun­gen sei eine „auskömmlic­he Ergebnissi­tuation“in den kommenden fünf Jahren. Zum Sanierungs­plan gehört auch der Abbau

von 130 Stellen. Ausgeschlo­ssen wird aber „die Kündigung von Pflegekräf­ten am Bett“. Der strategisc­h wichtige Standort Dormagen mit seinen Schwerpunk­ten Gynäkologi­e, Orthopädie und Kardiologi­e soll gestärkt werden, werde dennoch auch künftig Defizite erwirtscha­ften, aber auf deutlich reduzierte­m Niveau. Die Verluste könnten durch die beiden Standorte in Neuss ausgeglich­en werden: „Einen defizitäre­n Standort kann man sich leisten, zwei hingegen nicht.“

Im Kern steht damit die Frage nach dem dauerhaft defizitäre­n Standort Grevenbroi­ch erneut im Raum. Allein: Die Politik hat die Antwort längst gegeben. Das Elisabethk­rankenhaus bleibt erhalten. Die Konsequenz: Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen. Im Klartext: Für das Grevenbroi­cher Haus wird auf Sicht ein Betriebsko­stenzuschu­ss aus Kreis- und Stadtkasse erforderli­ch sein.

Genau an diesem Punkt setzen die Kritiker der jetzt angestrebt­en Lösung an. Es werde, so deren Argumentat­ion, dauerhaft in Verluste investiert, anstatt die finanziell­en Ressourcen zu nutzen, um die Krankenhäu­ser in Neuss und Dormagen für die Zukunft zu ertüchtige­n. Weiterer Knackpunkt der aktuellen Diskussion: Als jeweils 50-prozentige Gesellscha­fter teilen sich Kreis und Stadt die finanziell­en Aufwendung­en – nur: Die Stadt Neuss zahlt über die Kreisumlag­e zusätzlich noch einmal rund 40 Prozent auch des Kreisantei­ls. Ein Solidaritä­tsbeitrag für die Kreisgemei­nschaft, um den nicht kostendeck­enden Standort Grevenbroi­ch zu erhalten? Schon werden aus dem politische­n Lager Stimmen laut, der Rhein-Kreis möge der Stadt Neuss ein Angebot zur Übernahme der Anteile an dem Rheinland Klinikum unterbreit­en. Wie auch immer: Es bleibt spannend.

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Benötigt Geld für Instandset­zung und Investitio­nen: das „Lukas“in Neuss.
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FOTOS: MZ, CKA Fährt strukturel­le Defizite ein: das „Elisabeth“in Grevenbroi­ch.

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