Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Im Festzelt ins Krankenhaus geprügelt
Beim Uedesheimer Schützenfest kam es zu etlichen Körperverletzungen, die im Polizeibericht keine Erwähnung fanden. Am schwersten traf es einen 24-Jährigen. Dessen Eltern hadern mit der Vorgehensweise der Polizei.
UEDESHEIM „Zurückstellen“: Diese gar nicht einmal streng formulierte Aufforderung ist das Letzte, woran sich ein 24-Jähriger Neusser erinnern kann. Als er wieder zu sich kommt, bemühen sich zwei Sanitäter in Zivil um ihn. Dazwischen: ein Faustschlag. Danach: ein Elend.
Die Eltern fragen voller Unverständnis, warum der Mann, der ihren Sohn krankenhausreif geschlagen hat, scheinbar unbehelligt bleibt. Warum er auf freiem Fuß bleibt, während ihr Junge nach Notfallversorgung und Untersuchung im Lukaskrankenhaus direkt in die Uniklinik Düsseldorf verlegt wurde, wo man ihm sein Gesicht mit Platten und 17 Schrauben wieder zusammenflicken musste.
Ort der Auseinandersetzung ist das Festzelt in Uedesheim. Der 24-Jährige ist eines von mehreren Opfern in dieser Nacht von Samstag auf Sonntag, doch keiner dieser Fälle findet im Polizeibericht Erwähnung. Der Grund: Der Fall gilt als ausermittelt, es besteht aus Sicht der Polizei kein Fahndungsdruck mehr, keine Notwendigkeit, durch Veröffentlichung Zeugenhinweise zu generieren. Der Täter – weil weder angeklagt noch veruteilt besser Tatverdächtige – ist bekannt.
Polizeibekannt sogar, wie Polizeisprecherin Claudia Suthor auf Nachfrage bestätigt. Wegen Gewaltdelikten. Der 19-Jährige wurde erkennungsdienstlich behandelt, fügt sie hinzu, und auf Fotos, die man den anderen Opfern dieses Abends von ihm vorlegte, übereinstimmend und eindeutig als Täter wiedererkannt. Im Rahmen der Ermittlungen würden nun die ärztlichen Atteste der Opfer eingesammelt, diese ab Anfang Oktober als Zeugen gehört werden, bevor auch der Tatverdächtige eine Vorladung aufs Präsidium bekommt. Alles sei terminiert, sagt Suthor. Ermittelt werde wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung.
Wird der Verdacht so bestätigt und der Fall so an die Staatsanwaltschaft abgegeben, muss diese die Sache weiterverfolgen. Suthor: „Das ist kein Antragsdelikt.“
Die Eltern des Geschädigten überlegen trotzdem, als Nebenkläger aufzutreten. Sie haben inzwischen gehört, dass der Verdächtige auch auf anderen Festen durch Provokationen und gewalttätige Händel aufgefallen sei. Ihr Sohn war niederstreckt worden, weil sich der ihm völlig Fremde einfach ein Glas Bier vom Tablett genommen hatte und beim Wort „Zurückstellen“gleich rot sah. „Ich kannte den gar nicht“, sagt der 24-Jährige.
Während der Ausgang des Verfahrens offen ist, sind die Folgen für den jungen Neusser bekannt. Nach einer Operation, bei der unter anderem ein doppelter Kieferbruch und wackelige Zähne gerichtet werden mussten, wird er sich sieben Wochen lang nur von Brühe und Haferpampe ernähren können. „Ich kann sie schon jetzt nicht mehr sehen“, sagt der Neusser, der aber froh ist, sprechen und einen Löffel in den Mund schieben zu können. Das ging in Woche eins überhaupt nicht. In einem halben Jahr steht eine zweite OP an. Es könne alles in Ordnung kommen, sagt er. Konjunktiv.
Schockiert über die „gewalttätigen Auseinandersetzungen mit tragischem Ausgang für einen Beteiligten“, zeigt sich der Vorstand des Uedesheimer Bürgerschützenvereins. Man verurteile diesen Vorfall aufs Schärfste und stehe wegen dieser Angelegenheit in engem Kontakt mit der Polizei, fügt Vereinssprecher
Peter Lehmann hinzu. In Absprache mit der Polizei werde der BSV gegen den Verursacher, der bekannt ist, Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstatten. Das wird auch deshalb veranlasst, um gegen den Mann ein Hausverbot begründen zu können. Mit der Polizei und dem Zeltwirt werde über geeignete Maßnahmen zu sprechen sein, um derartige Vorfälle bei zukünftigen Festen tunlichst zu vermeiden. So hatte die Security, die vor allem am Zelteingang eingesetzt war, den Dienst schon beendet, als der 24-Jährige drinnen auf die Bretter ging.
„In den vergangenen Jahrzehnten ist es beim Uedesheimer Schützenfest zu keinerlei gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen“, stellt Lehmann fest. „Umso bedauerlicher ist dieser Vorfall.“