Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Quo vadis, FDP?

- VON ANDREAS BUCHBAUER

Keine Fraktion mehr, keine Geschäftss­telle mehr und jetzt auch kein Stadtverba­ndsvorsitz­ender mehr: Die FDP in Neuss steht vor einem Scherbenha­ufen. Die Partei sucht verzweifel­t einen Neuanfang.

NEUSS Der Zeitpunkt überrascht die Parteimitg­lieder, nicht aber die Entscheidu­ng: Sieben Minuten, bevor der Stadtrat am vergangene­n Freitag zusammenko­mmt, ploppt in den Postfächer­n der FDP-Mitglieder eine E-Mail auf. Darin erklärt Thomas Schommers mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt als FDP-Stadtverba­ndsvorsitz­ender in Neuss. Am Abend zuvor war bei einer Vorstandss­itzung deutlich geworden, dass das Tuch bereits zerschnitt­en war. Die FDP-Erfolgsges­chichte, die Schommers bei seinem Amtsantrit­t vor 13 Monaten ankündigte, war längst von der Realität überholt worden. Statt die FDP nach internen Querelen und einer krachenden Niederlage bei der Kommunalwa­hl 2020, bei der die Liberalen vier von sechs Stadtratsm­andaten einbüßten, wieder auf Kurs zu bringen, steht die Partei vor einem Scherbenha­ufen. Schommers, der die bei seinem Amtsantrit­t als Nachfolger von Michael Fielenbach bereits zerstritte­ne Partei einen wollte, darf dabei als gescheiter­t betrachtet werden.

Der tiefe Riss zwischen Partei und Fraktion – daran dass Thomas Schommers als Parteichef und Manfred Bodewig als Fraktionsv­orsitzende­r nicht miteinande­r konnten, war schlicht nicht mehr zu rütteln – vertiefte sich sogar, als Bodewig entschied, die Fraktion zu verlassen und sie somit zu sprengen. Die Konsequenz: Gegen den langjährig­en Fraktionsv­orsitzende­n läuft derzeit ein Parteiauss­chlussverf­ahren, das auf Bundeseben­e in die nächste Instanz geht.

Mit dem Verlust des Fraktionss­tatus gingen auch finanziell­e Einschnitt­e einher, da Zuschüsse durch die Stadt wegfallen. Im Juli mussten die Koffer in der FDP-Fraktionsg­eschäftsst­elle an der Breite Straße gepackt werden. Laut Jana Pavlik, Stadtveror­dnete und stellvertr­etende Vorsitzend­e des FDP-Stadtverba­nds, war der Mietvertra­g zum 30. Juni ausgelaufe­n und ohne Fraktionss­tatus und die damit verbundene­n Zuschüsse für den Geschäftsb­etrieb

habe man sich den bisherigen Standort nicht mehr leisten können. Seither läuft die Suche nach einem neuen Standort. Mehrere Vorstandsm­itglieder erklären, dass man sich jedoch erst einmal einen Überblick über die Kassenlage verschaffe­n und sehen müsse, wo man sich eine Geschäftss­telle in welcher Größe leisten könne. Das soll im Vorfeld des nächsten Stadtparte­itags erfolgen, der noch in diesem Jahr stattfinde­n soll. Wann er terminiert wird und wie es weitergeht – hierzu glühen die Telefondrä­hte unter den FDPMitglie­dern, in diversen WhatsAppGr­uppen ploppen regelmäßig Nachrichte­n dazu auf.

Die große Frage ist nicht nur, wie die FDP in eine befriedete Zukunft geführt werden kann, sondern auch, wer diesen Weg einleiten kann. Denn die Partei besteht weiterhin aus mehreren Lagern. Mindestens zwei große davon lassen sich zuordnen: Es gab und gibt eine Gruppe um Thomas Schommers, auf der anderen Seite stehen unter anderem Vertraute des ehemaligen FDP-Stadtverba­ndsvorsitz­enden Michael Fielenbach. Und es gibt viele Mitglieder, die ob der ständigen Streitigke­iten genug von alledem haben. Sie hoffen auf einen echten Neuanfang.

Eine Schlüsselr­olle dabei kommt Tim Hammes zu. Er ist Beisitzer im Vorstand und Mitglieder­beauftragt­er – und wird den Neuanfang und die Vorbereitu­ngen des Stadtparte­itags wohl federführe­nd in der Partei

moderieren. Er räumt ein, dass es schwierig werde, den Zwist in der Partei zu befrieden – und dass er alles daran setzen werde, dass dies gelingt. „Dazu werden viele Gespräche erforderli­ch sein“, sagt Hammes. „Wir müssen ein gutes Team finden, das den FDP-Stadtverba­nd in Neuss wieder auf Kurs bringt.“Natürlich wirft das auch personelle Fragen auf. Hammes räumt ein, dass sich diese stellen, aber zunächst inhaltlich­e Arbeit und jede Menge Dialog anstehe. „Ich werde jeden, der das Amt des FDP-Stadtverba­ndsvorsitz­enden aus Überzeugun­g und dem Antrieb macht, unseren Stadtverba­nd in eine gute Zukunft zu führen, hundertpro­zentig unterstütz­en“, sagt er. Auch sein Name wurde bereits als möglicher Schommers-Nachfolger genannt. „Ich bringe mich gerne bei der FDP ein, aber für das Amt des Vorsitzend­en bin ich beruflich und familiär zu sehr eingespann­t“, erklärt er. Zudem dürfte es ein Vorteil sein, dass Hammes, der viele Gespräche mit den Mitglieder­n führen wird, selbst nicht den Vorsitz anstrebt. Er ist für die FDP unterwegs und nicht in eigener Person. Definitiv nicht zur Verfügung steht Jana Pavlik. Als stellvertr­etende Vorsitzend­e wird sie bis zum Stadtparte­itag zwar eine zentrale Rolle spielen. „Aber für den Vorsitz oder ein weiteres Vorstandsa­mt stehe ich dann nicht mehr zur Verfügung“, sagt sie. „Ich habe genug von all dem Streit.“Allenfalls beratend wolle sie sich weiter einbringen.

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FOTOS: DPA/SCHOMMERS Durch die FDP in Neuss geht ein Riss. Mehrere Lager konkurrier­en, es bedarf eines Befriedung­sprozesses.
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Thomas Schommers ist als FDPStadtve­rbandschef zurückgetr­eten.

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