Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Wie man ein guter Nikolaus wird
Die Sache ist klar. Peter Lenz weiß: Um ein guter Nikolaus zu sein, braucht es einfach die richtige „Grundeinstellung“. Man schlüpfe mehr als ein Schauspieler komplett in die Rolle, werde zum Nikolaus-Darsteller und verschmelze mit der tollen Figur des populären Heiligen. Die positiven Reaktionen der Besuchten lassen einen selbst viel Freude erleben. Lenz (58) ist aus Bottrop zur Nikolaus-Schulung im Pfarrheim von Sankt Martinus in Neuss-Uedesheim angereist. Gemeinsam mit drei weiteren realbärtigen „Kollegen“nimmt er am eintägigen Seminar der Nikolausschule teil. Dessen Leiter Matthias Heckhausen (Neuss) und Dennis Artmeier (Augsburg) behandeln alle wesentlichen Punkte, die ein „echter“Nikolaus wissen muss: Leben und Legenden des Heiligen, kindgerechtes Erzählen, Ursprung des Schenkens, Planung und Gestaltung der Nikolausfeier, korrekte Darstellung sowie die perfekte Kleidung. Am Schluss stehen der Erfahrungsaustausch und ein Zertifikat. Die Teilnehmer sind zum größten Teil schon als Nikolaus tätig: Peter Lenz macht den Job schon seit über dreißig Jahren. Wieso ist er dann trotzdem nochmal in der Nikolausschule? „Hier treffe ich Gleichgesinnte zum Erfahrungsaustausch, lerne immer wieder etwas Neues und frische den Ablauf auf. Immerhin liegt ja fast ein Jahr zwischen den Auftritten“, erzählt er. Das Seminar fungiere wie eine „Generalprobe“vor den Einsätzen rund um den Nikolaustag am sechsten Dezember. Kollege Julian Hölscher (40) verkörpert seit sieben Jahren in Bielefeld
vor allem in Grundschulen den Nikolaus. In Herford wird er sogar vom Kanuverein per Boot über den Fluss Werre zur Feier abgeholt. Seinen Natur-Bart lässt er vor den Einsätzen komplett weiß einfärben: “Es macht mir einfach Freude, mich als Nikolaus zu verkleiden und die Fragen der Kinder zu beantworten“, meint er. Auch er nutzt das Angebot der Nikolausschule zum Austausch und als Test für die kommende Saison. Während Harry Flicker schon ein erfahrener Nikolaus ist, wird sich der Dorstener Alfons Müller (79) in diesem Jahr zum ersten Mal als Nikolaus versuchen. Realbärtig und langhaarig ist er schon, denn er mimt seit vierzig Jahren Santa Claus, den amerikanischen Weihnachtsmann. Nun aber möchte er noch einmal „umsatteln“und hat ganz viel Neues im Seminar gelernt. Dazu gehört auch das korrekte Anlegen des Nikolaus-Gewandes, das am Schluss geübt wird. Alle Männer verwandeln sich mehr oder weniger rasch: Untergewand anziehen, Zingulum (Gürtel) umbinden, Stola und Obergewand anlegen, am Schluss die Mitra aufsetzen. Und den durchaus schweren Bischofsstab in die Hand nehmen. Julian Hölscher hat sich den Bart schnell noch weiß angesprüht und Peter Lenz trägt eine goldene Brille auf der Nasenspitze. Nun sehen sie tatsächlich aus wie „echte“Nikoläuse – das goldene Buch darf natürlich nicht fehlen. Der Neusser Matthias Heckhausen, vom Erzbistum Köln ausgebildeter Nikolaus-Referent, ist schon sehr lange Nikolaus und weiß: Als Erziehungsperson lässt er sich nicht missbrauchen. Zur monetären Entlohnung empfiehlt er zehn Euro pro Kind zur Deckung der Betriebskosten. Die meisten Teilnehmer der Nikolausschule seien Großväter und Studenten. Und kommt der Nikolaus eigentlich auch zu ihm? Heckhausen lacht: „Jedes Jahr, aber ich sehe ihn nicht.“Elisabeth Keldenich