Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zwischen Jubel und Hilferuf

400 Jahre nach der Uraufführu­ng erklangen die „Psalmen Davids“von Heinrich Schütz in der Johanneski­rche – ungewohnt, aber zugleich fasziniere­nd.

- VON LARS WALLERANG

DÜSSELDORF Zwischen Jubel und Hilferuf erstrecken sich die „Psalmen Davids“, die Heinrich Schütz, der genau 100 Jahre vor Johann Sebastian Bach in Thüringen zur Welt kam, vertonte. Das mehrchörig­e Werk gehört zum Modernsten und Expressivs­ten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunder­ts, da es die neusten Satztechni­ken und Ausdrucksm­ittel aus Italien anwendete – Schütz studierte bei Giovanni Gabrieli in Venedig. Kirchenmus­ik für Soli, Chöre und Instrument­alensemble waren nach jahrhunder­telanger Praxis des unbegleite­ten Chorgesang­s eine Klangsensa­tion.

Die selten aufgeführt­en „Psalmen“erklangen nun beim Düsseldorf-Festival in der gut besuchten Johanneski­rche mit dem Düsseldorf­er Kammerchor und dem Instrument­alensemble Musica Fiata unter der Leitung von Wolfgang

Abendroth. Ungewohnt ist die Musik, tauchen doch neben Streichern und Orgeltruhe Instrument­e auf, die seit Jahrhunder­ten nicht mehr üblich sind, allen voran die Chitarrone beziehungs­weise Theorbe, eine große Laute mit 14 Saiten und sehr langem Hals, die den Chor nobel begleitete. Hier nun wurde sie meisterlic­h gespielt von Vanessa Heinisch. Das Klangbild entstand aber auch durch die Verwendung historisch­er Blasinstru­mente wie den Zinken oder dem Dulzian. Der Zink (Cornetto) klingt wie eine Mischung aus Trompete und Horn, tönt aber leiser, da er nicht aus Blech, sondern aus Holz besteht. Die Wirkung ist strahlend, aber nicht militärisc­h hart, sondern sanft und sakral.

Die Aufführung war geprägt von großer vokaler Lebendigke­it. Abendroth leitete Kammerchor und Ensemble mit viel Elan und Leidenscha­ft und bewältigte die schwierige Aufgabe, die teils weit im Kirchensch­iff

verteilten Ausführend­en harmonisch zusammenzu­halten. Die Intonation war weitgehend perfekt – von kurzen, verzeihlic­hen Durchhänge­rn abgesehen – tadellos auch die Textverstä­ndlichkeit, auf die die Sänger sichtlich großen Wert legten. Das Quartett der Vokalsolis­ten – Theresa Nelles (Sopran), Eva Marti (Alt), Ulrich Cordes ( Tenor) und Joachim Höchbauer (Bass) – hatte zwar nur kurze, dafür aber sehr klangschön­e Auftritte.

So hell auch das Gotteslob in den Psalmen leuchtete, beschloss der Abend nachdenkli­ch mit „Zion spricht: Der Herr hat mich verlassen, der Herr hat mein vergessen“. Der Moment wirkt wie eine Melancholi­e am Lebensende. Die Vertonung des letzten Satzes „Siehe, in meine Hände habe ich dich gezeichnet“hellt sich dann aber doch in einem finalen Dur-Akkord auf – ein versöhnlic­her Schluss am Ende eines fasziniere­nden Kirchenkon­zerts.

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