Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bioläden in der Krise

Händler ächzen unter der Inflation. Einige Kunden wollen die steigenden Preise nicht zahlen. Erste Filialen schließen.

- VON ARND JANSSEN

DÜSSELDORF Der Handel mit Biowaren steckt in einer Krise. Götz Rehn, Chef von Alnatura, sagte der „Süddeutsch­en Zeitung“kürzlich, es sei die tiefste seit 35 Jahren. Rehn monierte speziell die Preispolit­ik bei konvention­ell hergestell­ten Agrarprodu­kten, die subvention­iert seien – und zu günstig angesichts der Umweltfolg­en für Artenvielf­alt und Böden, die die Agrarindus­trie verursache.

So gesehen, würden die Preise bei konvention­ellen Produkten „lügen“, da sie nicht die wahren gesellscha­ftlichen Folgekoste­n umfassen würden. Diese seien bei Bio-Produkten hingegen bereits eingepreis­t, die dadurch objektiv gesehen sogar günstiger seien, so Rehn. Dabei gab es bis zum vergangene­n Jahr noch einen regelrecht­en Bio-Boom. Doch 2022 treiben deutlich gestiegene Lebensmitt­elund Energiepre­ise viele Kunden zu günstigere­n Bio- und eben auch Nicht-Bio-Alternativ­en bei anderen Handelsunt­ernehmen.

Dabei seien manche Alnatura-Produkte sogar aktuell immer noch günstiger als ein vergleichb­ares Markenprod­ukt im Supermarkt, welches nicht Bio sei, sagte Rehn. Das wüssten viele Kunden nicht. Der älteste deutsche Bio-Anbauverba­nd Demeter unterstütz­t die Auffassung Rehns, dass die aktuellen Lebensmitt­elpreise nicht die wahren Kosten abbilden würden, wie etwa die Wasserrech­nung für die Aufbereitu­ng von durch Düngemitte­ln belastetem Trinkwasse­r. Demeter fordert: „Die Bundesregi­erung muss aktiv werden, um möglichst allen Menschen Bio-Lebensmitt­el zu ermögliche­n – etwa durch eine Senkung der Mehrwertst­euer und auch durch eine Quote an Bio-Essen in öffentlich­en Einrichtun­gen.“

Aktuell würden sich die Preise zwischen konvention­ellen Produkten einerseits und Bio-Erzeugniss­en anderersei­ts immer mehr angleichen, teilt Alnatura auf Anfrage mit. Das liege daran, dass die Transportw­ege bei regionalen Produkten kürzer seien und man auf energieint­ensiven Chemiedüng­er verzichte. „Auch wir erleben in den AlnaturaMä­rkten eine leichte Kaufzurück­haltung aufgrund der Inflation. Generell ist uns aber wichtig, dass sich möglichst viele Menschen Bio leisten können“, sagt eine Sprecherin. Man versuche derzeit also, dauerhaft niedrige Preise und Rabatte für Schüler, Studierend­e und Azubis anzubieten.

Der Bund Ökologisch­e Lebensmitt­elwirtscha­ft (BÖLW ) erkennt eher eine allgemeine Kaufzurück­haltung als eine speziell bei BioProdukt­en. „Hier erleben wir, dass die Kunden im Grundsatz Bio treu bleiben, aber vermehrt zu günstigere­n Bio-Produkten greifen. Diese Tendenz sehen wir im Fachhandel, aber auch am Bio-Umsatzzuwa­chs im Discountha­ndel“, sagt Peter Röhrig, geschäftsf­ührender Vorstand des BÖLW.

Einen Hoffnungss­chimmer für die Bio-Branche gibt es: Zwar seien die Umsätze in der Lebensmitt­elbranche

aktuell insgesamt rückläufig, heißt es. Doch zumindest im ersten Halbjahr 2022 gab es noch positive Zahlen zu vermelden: „In Deutschlan­d wurden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres rund 35 Prozent mehr mit Bio-Frischepro­dukten umgesetzt als im gleichen Zeitraum 2019“, sagt Röhrig. Dazu seien die Verbrauche­rpreise bei Bio im Vorjahresv­ergleich deutlich weniger (5,2 Prozent) stark gestiegen als bei den konvention­ellen Lebensmitt­eln (acht Prozent).

Der Bio-Markt zeige sich somit zuverlässi­g in unruhigen Zeiten und sei auch weniger abhängig etwa von Störungen von Lieferkett­en im Zusammenha­ng mit dem UkraineKri­eg. Der BÖLW fordert jetzt: „Billigware, die nachhaltig­e Produkte diskrimini­ert, muss ab sofort stärker besteuert werden als Bio-Ware.“

Solche Maßnahmen helfen manchen Händlern kurzfristi­g nicht, etwa dem Düsseldorf­er Reformhaus Bacher, das sich derzeit nach einem Insolvenza­ntrag in Eigenverwa­ltung saniert, und der Münsterane­r Kette Superbioma­rkt, die sich in einem Schutzschi­rmverfahre­n befindet. „Was wir alle spüren, ist eine Kaufzurück­haltung aufgrund einer Ungewisshe­it, die in der Bevölkerun­g vorliegt. Dazu kommen gestiegene Energiekos­ten“, erklärt ein Sprecher von Superbioma­rkt auf Anfrage. Eine schwere finanziell­e Belastung seien auch Indexmiete­n in den Filialen, die parallel zu den Verbrauche­rpreisen gestiegen seien. Die Häufung der Einzelfakt­oren sei am Ende zu viel gewesen.

Das Unternehme­n ist überzeugt, dass Kunden nach der aktuellen Notlage wieder bereit sein werden, diesen Preis zu zahlen. Die fünf Filialen in Düsseldorf sollen jedenfalls weiter täglich geöffnet bleiben. Eine weitere Filiale in der Friedrichs­traße im Stadtteil Bilk wurde geschlosse­n, man habe aber alle Mitarbeite­r in anderen Geschäften unterbring­en können. Das Reformhaus Bacher ließ eine Anfrage unserer Redaktion für eine Stellungna­hme zu dem Thema unbeantwor­tet.

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FOTO: KIRSTEN NIJHOF/DPA Eine Frau beim Einkaufen am Gemüsestan­d in einem Biomarkt.

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