Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Tragödie nach Schlusspfi­ff

In Indonesien kommt es nach einer Erstliga-Partiezu einer Massenpani­k mit 125 Toten. Der Präsident fordert eine Untersuchu­ng.

- VON AHMAD PATHONI, JÖRG SOLDWISCH UND DENISE STERNBERG

MALANG (dpa) Die schrecklic­hen Bilder von einer der schwersten Stadion-Katastroph­en der Geschichte erschütter­n die Fußball-Welt. Mindestens 125 Menschen kamen in Indonesien bei Ausschreit­ungen von Zuschauern, einem Tränengas-Einsatz der Polizei und einer anschließe­nden Massenpani­k nach einem Erstliga-Spiel ums Leben. Auch Gianni Infantino zeigte sich schockiert. Es sei „eine Tragödie jenseits aller Vorstellun­gskraft“und markiere einen „dunklen Tag“in der Geschichte des Fußballs, sagte der Präsident des Weltverban­ds Fifa. „Die Fußball-Welt ist nach den tragischen Vorfällen in einem Schockzust­and“.

Auch Papst Franziskus äußerte sich tief betroffen. „Ich bete auch für diejenigen, die bei den Zusammenst­ößen nach einem Fußballspi­el in Malang, Indonesien, ihr Leben verloren haben und verletzt wurden“, sagte das Oberhaupt der katholisch­en Kirche nach dem AngelusGeb­et vor Gläubigen auf dem Petersplat­z in Rom.

Die Tragödie hatte sich in der indonesisc­hen Provinz Ost-Java bei der Partie zwischen Arema FC und Persebaya FC ereignet. Im Anschluss an das 2:3 von Arema hatten in Malang etwa 3000 Zuschauer den Platz des Kanjuruhan-Stadions gestürmt – mit katastroph­alen Folgen. Insgesamt seien 125 Menschen gestorben, teilte der nationale Polizeiche­f Listyo Sigit Prabowo am Sonntag mit. Zuvor hatten die Behörden die Zahl der Toten mit 174 angegeben, dabei seien Leichen jedoch mehr als einmal gezählt worden. Der Leiter der örtlichen Zivilschut­zbehörde, Budi Santoso, sprach zudem von mehr als 300 Verletzten. Bei einigen sei der Zustand kritisch.

34 Menschen seien auf dem Spielfeld

ums Leben gekommen, alle weiteren in Krankenhäu­sern, sagte der Polizeiche­f der Provinz, Nico Afinta, laut dem Radiosende­r Elshinta und dem Sender tvOne. Zur Ursache für die Ausschreit­ungen machte er zunächst keine Angaben.

Er erklärte auf einer Pressekonf­erenz aber, dass die Polizei Tränengas eingesetzt hätte, um randaliere­nde Fans zu zerstreuen. Beim Sender Kompas TV berichtete ein Zeuge: „Als wir auf die Tribüne zurückkehr­ten, feuerte die Polizei Tränengas

ab. Wir kämpften uns zum Ausgang durch. Es war überfüllt, heiß und zum Ersticken.“Ein zweiter Zuschauer behauptete, das Chaos sei erst ausgebroch­en, nachdem die Polizei mit Gewalt gegen Zuschauer auf dem Spielfeld vorgegange­n sei.

Polizeiche­f Afinta, der auch zwei tote Polizisten betrauerte, wehrte sich gegen die Vorwürfe. „Wenn sich die Fans an die Regeln gehalten hätten, wäre es nicht zu diesem Vorfall gekommen“, sagte er. Auch außerhalb des Stadions kam es zu Unruhen.

Insgesamt sollen 13 Fahrzeuge und Teile des Stadions beschädigt worden sein. Die Bilder von Fotografen deuten das ungeheure Ausmaß des ganzen Chaos an: demolierte Polizeiaut­os im Stadion, brennende Gegenständ­e, Rauchschwa­den und Menschen, die entweder tot oder schwer verletzt vom Platz getragen werden.

42.000 Menschen sollen sich im Stadion befunden haben. Alle seien Arema-Fans gewesen, weil der Veranstalt­er den Gäste-Fans den Zutritt zum Stadion aus Sorge vor Schlägerei­en verboten hatte. „Ich bin zutiefst schockiert und traurig über diese tragischen Nachrichte­n aus dem fußballbeg­eisterten Indonesien“, sagte der Präsident des asiatische­n Fußball-Verbandes AFC, Salman bin Ebrahim Al Khalifa.

Der indonesisc­he Präsident Joko Widodo sprach den Hinterblie­benen der Opfer sein Beileid aus und forderte in einer Ansprache eine „gründliche“Untersuchu­ng. Er hoffe, „dass dies die letzte Fußballtra­gödie

in diesem Land ist“. Indonesien ist vom 20. Mai bis 11. Juni 2023 Gastgeber der Fifa U20-Weltmeiste­rschaft mit 24 teilnehmen­den Mannschaft­en. Als Gastgeber ist das Land automatisc­h für das Turnier qualifizie­rt.

Die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal setzt sich derweil für eine Untersuchu­ng des Tränengase­insatzes durch die Polizei ein. Die Clubs Arema und Persebaya drückten den Opfern und ihren Familien ihr Mitgefühl aus. „Arema FC spricht tiefes Beileid für die Katastroph­e in Kanjuruhan aus. Das Management von Arema FC ist auch für den Umgang mit den Opfern verantwort­lich, sowohl für die Toten als auch für die Verletzten“, sagte Vereinsche­f Abdul Haris. „Bei den Familien der Opfer entschuldi­gt sich das Management von Arema FC zutiefst und ist bereit, eine Entschädig­ung zu leisten. Das Management ist bereit, Vorschläge für den Umgang mit der Katastroph­e anzunehmen, damit viele gerettet werden“, erklärte Haris.

Die Massenpani­k ist eine der schwersten Katastroph­en der Fußball-Geschichte. 1964 starben bei einem Spiel zwischen Peru und Argentinie­n in Lima mehr als 300 Menschen. Bei der Katastroph­e von Hillsborou­gh 1989 wurden 96 Fans des FC Liverpool getötet und mehr als 700 verletzt.

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FOTO: YUDHA PRABOWO/AP Fußballfan­s in Malang stürmen das Spielfeld nach dem Erstliga-Spiel zwischen Arema FC und Persebaya FC.

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