Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Kostenexplosionen treiben die Tafel ans Limit
1800 statt 1200 Euro monatlich für Diesel, 30 Prozent mehr Bedürftige – und Kühlanlagen, die Strom fressen. Helfer brauchen selbst Hilfe.
GREVENBROICH Die „Existenzhilfe“versucht alles, um am symbolischen Preis von einem Euro, den Kunden für einen Lebensmittel-Einkauf zahlen müssen, festzuhalten. Wie lange die Tafel diesen Preis aber noch halten kann, ist fraglich. Denn der Verein muss den Gürtel selbst immer enger schnallen. „Die Preise für den Kraftstoff, den wir brauchen, um mit unseren Autos die Lebensmittelspenden abzuholen, sind jetzt von 1200 auf 1800 Euro pro Monat gestiegen“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Norf.
Doch die gestiegenen Kosten für Diesel sind nur die „Spitze des Eisbergs“: Vor wenigen Tagen ist ein Schreiben eingegangen, nach dem der Verein mit einer Erhöhung der Zahlungen für Strom rechnen muss. „Wir sollen Geld zurücklegen“, sagt Wolfgang Norf. „Wir wissen aber noch nicht, wie viel.“
Die Auswirkungen der jüngsten Krisen haben die Zahl der Bedürftigen in Grevenbroich und Jüchen in die Höhe getrieben. „Die Zahl unserer Kunden ist um etwa 30 Prozent gestiegen“, sagt Norf. Parallel dazu sei jedoch die Zahl der Spenden um 30 Prozent gesunken – ein Problem, das die Tafel Mitte Juni dazu gezwungen hatte, bis auf weiteres einen Aufnahme-Stopp für Neukunden zu verhängen. „Wir können noch nicht sagen, wie lang der Stopp gilt. Aber wir arbeiten daran, wieder neue Kunden aufnehmen zu können“, betont Norf.
Großes Einsparpotenzial etwa beim Strom besteht in den Räumen der „Existenzhilfe“nicht. Zu den Kostentreibern bei Energie zählen die Kühlgeräte, die laufen müssen, damit die Kühlkette bei verderblichen Lebensmitteln und Tiefkühlware nicht unterbrochen wird. „Wir müssen die Temperaturen ständig kontrollieren und dokumentieren“, sagt Norf. Die Kühlgeräte – fünf Industriekühlschränke, eine Kühltheke, ein Kühlhaus und sieben Tiefkühltruhen – seien vergleichsweise modern und energieeffizient, trotzdem verbrauchen sie viel Strom. Lebensmittel wie Milchprodukte müssten auf einer Temperatur
von etwa drei bis fünf Grad Celsius gehalten werden, Tiefkühlware gar bei Temperaturen von 21 bis 22 Grad minus. „Wir schalten die Anlagen nach unseren Ausgabetagen ab“, nennt Norf eine Maßnahme, um Energie und Kosten zu sparen. Doch auch hier sind die Möglichkeiten begrenzt, denn in Grevenbroich etwa müssen die Geräte rechtzeitig vor den Ausgabetagen
dienstags und freitags wieder hochgefahren werden.
Um noch mehr Energie und Geld zu sparen, prüft die Tafel, Ausgabezeiten anzupassen. Zurzeit versorgt der Verein rund 1000 Menschen pro Woche – allein je 300 an den Ausgabetagen an der Merkatorstraße. Weitere Ausgabestellen befinden sich in Kapellen, in der Südstadt und in der Nachbarstadt Jüchen. Der Verein kann sich für den Betrieb auf derzeit rund 90 Helfer verlassen. „Sie sind alle hochmotiviert“, lobt Wolfgang Norf, der auch den Zusammenhalt zwischen den Grevenbroicher Vereinen hervorhebt. Denn erst vor wenigen Tagen ist der Verein „Kraftspenden“um den Grevenbroicher Uli Stein in die Bresche gesprungen, als ein Kühlschrank in den Räumen der „Existenzhilfe“plötzlich seinen
Dienst versagte und ersetzt werden musste. „Der Verein hat uns sehr schnell einen neuen Kühlschrank zur Verfügung gestellt“, sagt Norf, der sich über Engagement wie dieses sehr freut.
Mit einer kurzfristigen Entspannung der Situation bei der Tafel rechnet der Geschäftsführer allerdings nicht. Anlass zur Sorge gibt ihm auch der Blick auf Staus an den Grenzen Russlands: Viele Menschen verlassen das Land, weil sie Angst haben, für den Kriegsdienst eingezogen zu werden. Müssen künftig noch mehr Menschen mit Lebensmitteln versorgt werden?
Die Stadt Grevenbroich erklärt auf Anfrage, dass zurzeit keine besonderen Vorkehrungen für die Zuweisung von Menschen aus Russland getroffen werden. „Aber die Stadt ist seit Monaten in Bereitschaft“, sagt Rathaus-Sprecher Lukas Maaßen. Ausweislich der aktuellen Asylgeschäftsstatistik des Bundesamtes für Migration udn Flüchtlinge gehöre Russland jedoch nicht zu den zugangsstärksten Staatsangehörigkeiten.