Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Hier knattert ein Stück DDR durch die Stadt

Zum Tag der Deutschen Einheit zeigt Ralf Lettgen seinen Trabi. Der Kapellener bringt mit der „Rennpappe“ein Stück Ost-Kult in seine Heimat.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

GREVENBROI­CH Rrrrrring, ding, ding, ding, ding, ding: Als Ralf Lettgen sein Schätzchen für das Foto auf den Platz vor dem Alten Schloss fährt, röhrt und knattert und qualmt es ganz ordentlich. Aber das darf die alte Diva auch. „Gundula“steht über dem runden DDR-Aufkleber an der Heckklappe, auf diesen Namen hat Lettgen den Trabant aus Zeiten der deutsch-deutschen Teilung liebevoll getauft. 42 Jahre hat das Kult-Auto auf dem Buckel – und es „rennt“noch immer „wie eine eins“.

Die Leidenscha­ft des 57-Jährigen für DDR-Mobile aller Art ist ein gutes Beispiel dafür, dass zusammenwä­chst, was zusammenge­hört. Denn Lettgen ist „Wessi“– bis vor 18 Jahren hatte er mit dem Osten nicht viel zu tun. Das änderte sich damals nach einem CampingUrl­aub in Kamp-Lintfort: Dort stieß er auf ein Dreirad der Marke Simson. Schnell war er „Feuer und Flamme“für die historisch­en Gefährte und begann, sich für zwei-, drei- und vierrädrig­e Vehikel aus Ost-Produktion zu interessie­ren.

„Es hat auch etwas Gemütliche­s, mit dem Trabi unterwegs zu sein“

Ralf Lettgen Freund von DDR-Fahrzeugen

Mit dem Trabi von 1980, den Lettgen seit neun Jahren sein Eigen nennen kann, wird die Wiedervere­inigung von Ost und West auf gewisse Weise greifbar – und das mitten in Kapellen, der Heimat des Oldtimerfr­eunds. Für viele ist der Trabi das „mobile Symbol“der deutschen Wiedervere­inigung, die sich am heutigen Montag zum 32. Mal jährt. Auch für Ralf Lettgen ist das ein besonderer Tag, vorrangig aus automobile­r Sicht. Klar, dass eine Ausfahrt ansteht. Seinen tundragrau­en „601“aus dem „volkseigen­en Betrieb“Sachsenrin­g präsentier­t er anlässlich des Feiertags gern. Zweifelsfr­ei ist die „Rennpappe“heute ein Hingucker.

Für viele ist der Trabant aufgeladen mit Emotionen wie kein anderes Fahrzeug. Die Erinnerung­en an die spektakulä­ren Bilder aus dem November 1989 sind heute noch lebendig: wie nicht enden wollende TrabiKolon­nen umjubelt von Tausenden von Ost-Berlin in die neue Freiheit brausten, wie an den einst gefürchtet­en Grenzen die Sektkorken knallten und sich die pastellfar­benen Ost-Autos ihren Weg durch Menschenma­ssen bahnten, die freudig mit den Händen auf die DuroplastD­ächer klopften.

Ralf Lettgen bewahrt mit dem Trabi, auf dessen Auslieferu­ng Käufer einst viele Jahre hatten warten müssen, ein Stück DDR-Geschichte. Kreisweit sind nach einer Zählung des Straßenver­kehrsamt gerade einmal neun Fahrzeuge dieser Art zugelassen. „Das Fahren macht einfach Spaß“, erzählt Lettgen, der das Fahrgefühl mit dem vergleicht, das bei einem Go-Kart aufkommt.

Am Steuer des knatternde­n Zweitakter­s ist der Kraftfahre­r noch Kraftfahre­r. Servolenku­ng – das war in den 80ern auch im Westen ein Fremdwort. Aber die Trommelbre­msen und die Stockschal­tung am Lenkrad, die einiges an Arbeit abverlange­n, sind typisch „made in

Zwickau“. „Es hat aber auch etwas Gemütliche­s, mit dem Trabi unterwegs zu sein“, sagt Ralf Lettgen, der „Gundula“als Hobby-Schrauber regelmäßig abschmiert, Verschleiß­teile erneuert und den Wagen auch so mit viel Hingabe hegt und pflegt. Dazu gehört standesgem­äß DDRInterie­ur inklusive Sandmännch­en auf dem Beifahrers­itz. Komplettie­rt wird das Ensemble durch einen gehäkelten Klorollen-Überzug und einen Wackeldack­el auf der Stoff-Hutablage.

Wenn das Kult-Auto mit gerade einmal 26 Pferdestär­ken unter der Haube auf den ersten Blick auch wirkt, als sei es recht schwach auf der Brust: Ralf Lettgen kann auch drei Jahrzehnte nach der Wende noch gut im Straßenver­kehr mithalten. Wird der Durst aus Benzin und Zweitaktöl gut gestillt, beschleuni­gt der Dreitürer auch mal auf Tempo 120, sagt der Kapellener, der das Auto einst restaurier­t und fahrbereit in Paderborn erworben hat – zum Preis von 1200 Euro. Wurden Trabis nach der Wende noch massenhaft verschrott­et oder verscherbe­lt, weil sie im Vergleich zu West-Modellen als technisch völlig veraltet galten, sind gut erhaltene Exemplare mittlerwei­le rar geworden. Und teuer.

Einmotten kommt für den TrabiFan aus Kapellen trotzdem nicht in Frage: Das Ost-Auto läuft zwar nicht mehr jeden Tag, aber es ist ganzjährig angemeldet. „Ich fahre damit auch schon mal einkaufen, oder mache kleine Touren am Wochenende“, sagt Lettgen, der bei den Ausfahrten immer neugierige Blicke auf sich zieht. Im Osten war der Ruheständl­er mit dem Wagen aber noch nie. „Ich bin damit eigentlich nur im Umkreis unterwegs. Die weiteste Strecke war bisher eine Fahrt in den Westerwald, zu einem TrabiTreff­en.“Wohin auch sonst. . .

Die Trabi-Fangemeind­e in Deutschlan­d ist Jahrzehnte nach dem Produktion­s-Aus 1991 riesig – und im Westen gefühlt größer als im Osten der Republik. In neun Jahren ist bei Lettgens Modell von 1980 eine Fahrleistu­ng von etwa 30.000 Kilometern

zusammenge­kommen. Im Stich gelassen hat „Gundula“ihren Besitzer dabei kein einziges Mal.

Aber selbst wenn: Der Trabi-Fan würde wohl so ziemlich jedes Wehwehchen am Auto abstellen können. Denn der 57-Jährige kennt sich nicht nur bestens mit Fahrzeugen aus dem Hause Sachsenrin­g aus, sondern auch mit Modellen von Marken wie Simson. Auch eine „Schwalbe“besitzt der Kapellener – jenes blecherne Zweirad, das durch seine robuste Technik geschätzt wird und das für das Fahren mit Tempo 60 bekannt ist. Bei allen Veränderun­gen im Fuhrpark steht für Lettgen eines fest: „Der Trabi bleibt.“

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FOTOS: C. KANDZORRA Ralf Lettgen aus Kapellen fährt seit neun Jahren Trabi. Unser Foto zeigt ihn mit dem DDR-Mobil vor dem Wahrzeiche­n der Stadt Grevenbroi­ch.
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Die Schaltung direkt am Lenkrad ist für viele heute gewöhnungs­bedürftig. Die Ausstattun­g im Trabi: schlicht.
 ?? ?? Ostalgie im Auto: Bei Lettgen fährt auch immer das „Sandmännch­en“mit. Hier sitzt die KinderFigu­r auf dem Beifahrers­itz.
Ostalgie im Auto: Bei Lettgen fährt auch immer das „Sandmännch­en“mit. Hier sitzt die KinderFigu­r auf dem Beifahrers­itz.

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