Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Demokratin aus Überzeugung
Die Nievenheimerin Nicole Groß kommt aus den USA. Seit einigen Jahren engagiert sie sich bei „Democrats Abroad“.
NIEVENHEIM Sie ist eine richtige Powerfrau, vielseitig interessiert, gut informiert und weit vernetzt. Nicole Groß lebt seit 2020 in Nievenheim, geboren ist die 45-Jährige in den USA. Seit 2016 engagiert sie sich bei den „Democrats Abroad“, dem Teil der Demokratischen Partei, der nicht in den USA lebt. Politisch interessiert war sie schon immer. „Nachdem Trump 2016 gewählt wurde, habe ich gemerkt, dass es nicht genug ist, die Stimme an der Wahlurne abzugeben“, erzählt Nicole Groß. „Da habe ich mir gedacht: ‚Ich kann mehr tun’“. Seit einem Jahr ist sie Co-Pressesprecherin und kümmert sich um die Kommunikation der Region Düsseldorf-Ruhr.
Aufgewachsen ist Nicole Groß in Liverpool, Pennsylvania. Sie kam 1994 im Rahmen eines Auslandsjahrs zum ersten Mal nach Deutschland. Nach ihrem Highschool-Abschluss bekam sie ein Stipendium und verbrachte ein Schuljahr an einem katholischen Mädchengymnasium in Augsburg. „Ich habe mich so
„Da sitzen 50 weiße Männer im Saal und entscheiden das. Das ist unvorstellbar“Nicole Groß Demokratin
gut mit meiner Gastfamilie verstanden, wir sind bis heute eng verbunden und oft dort“, erzählt sie. Zurück in den USA, studierte sie zunächst an einer privaten Uni, kam aber 1997 zurück nach Deutschland. In Duisburg studierte sie Linguistik, finanzierte sich ihr Studium, indem sie Sprachkurse gab. Nach ihrem Abschluss lernte sie 2003 ihren Mann Christoph kennen. 2005 heirateten die beiden, 2006 kam Tochter Rebecca zur Welt, die als Halb-Amerikanerin die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt.
„Auch sie darf in den USA wählen“, erklärt Nicole Groß. „Viele Amerikaner, die außerhalb der USA leben, wissen gar nicht, dass sie wählen dürfen.“Da aufzuklären und durch den „Dschungel“der verschiedenen Regeln im komplizierten Wahlsystem zu helfen, sei auch Teil der Arbeit bei den „Democrats
Abroad“, wie sie sagt. „Es ist total wichtig, dass alle amerikanischen Staatsbürger wissen, dass sie ein Wahlrecht haben und auch, wie sie es außerhalb der Staaten nutzen können.“Über die Webseite können Bürger der USA sich informieren, egal welche Partei sie wählen möchten, betont Nicole Groß. Die Mitgliedschaft in der Partei sei, anders als in Deutschland, kostenlos. Insofern sei es leicht, als Amerikaner im Ausland die Demokraten zu unterstützen.
Über so manche Entscheidung, die jenseits des Atlantik getroffen wird, ist Nicole Groß enttäuscht. Dass beispielsweise der Supreme Court im Juni das landesweite Abtreibungsrecht gekippt hat, ist für Nicole Groß ein Skandal. „Wenn zum Beispiel Mädchen nach Vergewaltigungen schwanger werden, sind diese gezwungen, das Kind auszutragen. Das ist unvorstellbar“, sagt sie. „Da sitzen 50 weiße Männer im Saal und entscheiden das. Da hat man als Frau eine richtige Wut im Bauch.“Auch die lockeren Waffengesetze oder die Änderung der Wahlkreise, zugunsten der Republikaner
wie sie sagt, seien ihr ein Dorn im Auge.
In die Heimat und zu ihrer Familie fliegt Nicole Groß regelmäßig meist einmal im Jahr, zuletzt im Sommer – nach einer längeren Pause aufgrund der Pandemie. „Das war echt schwer“, sagt sie. Überhaupt, nicht reisen zu können, war für die Familie hart. „Wir sind viel unterwegs“, erzählt sie. Kurztrips zu Freunden, die überall verstreut leben, Konzertbesuche, Städtetrips, Verabredungen – die Familie ist sehr aktiv. Ob sie irgendwann wieder zurück in die USA möchte? „Ich weiß es nicht, das werden wir sehen“, sagt Nicole Groß. Als selbstständige Übersetzerin könne sie von überall arbeiten. „Mein Mann arbeitet aber gerne in Deutschland, und durch Rebecca sind wir auch hier gebunden.“Ihre Tochter besucht das Gymnasium Marienberg in Neuss, die Mutter engagiert sich als Schulpflegschaftsvorsitzende.
Von 2007 bis 2010 lebte die Familie in den USA, danach wohnte sie in Neuss, bevor es 2020 nach Nievenheim ging. Auch, wenn sie ihr Heimatland manchmal vermisst, ist sie „hier zu Hause“, wie sie sagt. In Nievenheim fühlt sie sich wohl, man habe sie herzlich aufgenommen. „Es lebt sich gut hier“, sagt sie. „Die Leute sind bodenständig und hilfsbereit.“Sie genießt die Waldspaziergänge, die sie direkt von der Haustüre aus unternehmen kann. „Das Dorfleben bekommt mir“, sagt sie schmunzelnd. Für „ihre“Partei hofft sie, dass möglichste viele Mitglieder von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, und bei den Zwischenwahlen für den Senat und das Repräsentantenhaus im November ihre Stimme abgeben. „Demokratie muss gepflegt werden.“