Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Wie Nahverkehr durch die Innenstädte rollt
Straßenbahn in Neuss oder autonome E-Busse in Monheim: Mönchengladbach hat sich für die Hindenburgstraße ein klares Vorbild ausgesucht.
MÖNCHENGLADBACH Wer meint, dass eine Fußgängerzone allein den Fußgängern gehört, der irrt. Denn vielerorts wird seit Jahren darüber gestritten, ob und wie viel öffentlicher Nahverkehr auch in den Innenstädten fahren muss. Mönchengladbach ringt um die Frage, ob Linienbusse dort erwünscht sind, derzeit fahren sie noch bergauf.
Der Stadtrat soll jetzt einen Vorschlag der Stadtverwaltung beschließen
(die bisherigen Ausschüsse haben dies bereits getan), den Verkehr der Linienbusse künftig ganz über die Steinmetzstraße zu führen und die Hindenburgstraße damit quasi busfrei zu machen – mit Ausnahme von autonom fahrenden Elektro-Kleinbussen mit sechs bis 18 Plätzen, die den Berg im Pendelverkehr überwinden. Also doch noch ein bisschen Linienverkehr in der Fußgängerzone.
Aber wie machen das eigentlich andere Städte? Die Debatte über Nahverkehr in der City wurde etwa in Neuss schon vor 15 Jahren geführt. Über den dortigen Hauptstraßenzug von der Stadthalle bis zum Hauptbahnhof fährt die Straßenbahnlinie 709 der Rheinbahn – und dabei zu einem guten Teil mitten durch die Fußgängerzone. Für Autos ist das verboten. Als vor 15 Jahren der Kanal in dem Straßenzug erneuert werden musste, brandete die Diskussion auf, bei der Gelegenheit auch die Schienen der Straßenbahn herauszunehmen und die Fußgängerzone ganz den Fußgängern zu überlassen. Im März 2007 entschieden die Neusser in einem Ratsbürgerentscheid aber anders und sprachen sich eindeutig pro Straßenbahn aus. Also fand man einen Kompromiss: Die Bahn fährt weiter, auch in beide Richtungen, aber in der Fußgängerzone nur auf einer Spur. Weichen regeln das. Anfangs gab es auch schon mal Probleme, wenn sich zwei Wagen in diesem Nadelöhr begegneten und irgendwie rückwärts rangiert werden musste. Nun aber ist das längst eingespielt, und auch im Rathaus ist man froh, dass es die Straßenbahn noch gibt.
Sie ist nämlich heute ein wichtiger Bestandteil des Plans, den Autoverkehr zu reduzieren. Ein Mobilitätskonzept, das derzeit erarbeitet wird, sieht je 25 Prozent Verkehr von Fußgängern, Radfahrern, Autos und öffentlichem Nahverkehr in der Innenstadt vor. Um das zu erreichen, soll die Straßenbahn ausgebaut und bis in den benachbarten Stadtteil Hammfeld verlängert werden. Und sie soll auf dem Abschnitt in der Innenstadt von der Stadthalle
bis zum Hauptbahnhof für ein Jahr kostenfrei zu nutzen sein. Dafür sollen die Parkraumgebühren in der Innenstadt angehoben werden. Das Kalkül: So nutzen mehr Bürger den ÖPNV in der City statt das Auto. Ausgewertet wird der Versuch nach einem Jahr, Start ist im Dezember.
Straßenbahnen gibt es in Mönchengladbach nur noch in der Erinnerung, man sehnt sich in der Innenstadt nach einem anderen Verkehrsmittel: den autonom fahrenden E-Bussen im Pendelverkehr.
Dazu habe sich die NEW auch schon mit den Bahnen der Stadt Monheim (BSM) ausgetauscht, das Unternehmen testet dort bereits seit Februar 2020 den autonomen Busverkehr mit kleinen Elektrofahrzeugen: Fünf EBusse pendeln dort im Zehn-Minuten-Takt vom Busbahnhof über den Gesundheitscampus Richtung Altstadt mit ihren Sehenswürdigkeiten und ihrer Gastronomie-Szene. Die Busse fassen elf Fahrgäste und bringen es auf eine Geschwindigkeit von 16 Kilometern pro Stunde. Die kleinen Fahrzeuge, bei denen auch noch ein sogenannter Operator an Bord ist und an einigen Stellen die Weiterfahrt freigeben muss, sind also eher gemütlich unterwegs. Sie werden vorwiegend von älteren Fahrgästen genutzt. Die Minibusse haben Rampen für Nutzer mit Gehbehinderung. In den ersten beiden Jahren seien 150.000 Linienkilometer gefahren worden, in der Regel ohne Probleme. Drei Unfälle habe es gegeben, bei denen jeweils der Unfallgegner Verursacher gewesen sei, sagte kürzlich
BSM-Chef Frank Niggemeier-Oliva bei einem Diskussionsabend zum Thema. Die Kosten in Höhe von 2,1 Millionen Euro wurden den Angaben von Bürgermeister Daniel Zimmermann zufolge zu 90 Prozent vom Land gefördert. In den kommenden Jahren soll die Technik mit Kameras und Radarsystem soweit ausgebaut werden, dass bei entsprechender Rechtslage auch der Operator an Bord überflüssig wird und höhere Geschwindigkeiten möglich sind. Die Fahrt in den E-Bussen ist für Monheimer kostenfrei – wie der gesamte ÖPNV in der Stadt.
Soweit ist man in Mönchengladbach nicht. Der Plan hier: Im ZehnMinuten-Takt pendeln vier Fahrzeuge zwischen dem Hauptbahnhof und dem früheren Maria-Hilf-Areal. Vorgesehen ist eine Umsetzung ab dem Jahr 2025. Ob die Busse sechs, zwölf oder 18 Plätze haben, ob sie zehn oder zwölf Stunden pro Tag im Einsatz sind und wie teuer das Projekt konkret wird, steht noch nicht fest. Je nach Fahrzeiten sollen die Kosten zwischen 1,7 und 1,9 Millionen Euro im Jahr liegen. Vollständig fahrzeugfrei wird die Innenstadt auch in Zukunft wegen der geografischen Gegebenheiten wohl nicht sein.