Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Am Gehalt liegt es nicht
Eine neue OECD-Studie legt nahe, dass der Lehrkräftemangel andere Gründe hat.
BERLIN Immer mehr Menschen in Deutschland erreichen einen hohen Bildungsabschluss, etwa an einer Universität oder als Meister im Handwerk. Einen solchen tertiären Abschluss erwarben im vergangenen Jahr 36 Prozent der 25- bis 34-Jährigen – 2000 waren es noch 22 Prozent. Das geht aus der OECD-Studie „Bildung auf einen Blick 2022“hervor, die der OECD-Direktor für Bildung und Kompetenzen, Andreas Schleicher, zusammen mit der Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Karin Prien, und Bildungsstaatssekretärin Kornelia Haugg am Dienstag in Berlin vorstellte.
„Bildung zahlt sich aus, mehr denn je“, sagte Schleicher. Der Anstieg der tertiären Bildungsabschlüsse sei angesichts der hohen Gehaltsaussichten nicht verwunderlich, so der OECD-Direktor. Im Durchschnitt verdiene ein Erwachsener zwischen 25 und 64 Jahren mit einem solchen Abschluss in Deutschland 62 Prozent mehr als ein Erwerbstätiger mit einem Abschluss im Sekundarbereich II – sprich mit Abitur oder einer Berufsausbildung. Aus der Studie
geht auch hervor, dass es trotz der Zunahme der hohen Abschlüsse keine Hinweise für eine „Überakademisierung“in Deutschland gäbe, so Schleicher. Die Erwerbslosenquote unter den 25- bis 64-Jährigen mit hohem Abschluss liegt mit zwei Prozent unter dem OECD-Durchschnitt (vier Prozent).
Besonders beliebt sind in Deutschland Studienfächer aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (Mint). 2020 haben sich rund 38 Prozent der Studienanfänger und Berufsweiterbildenden für einen entsprechenden Studiengang entschieden – nirgends sind sie so beliebt wie in Deutschland. 33 Prozent sind es in Israel, 32 Prozent in Österreich, Finnland und Estland, der OECD-Durchschnitt liegt bei 27 Prozent. Auffallend sei jedoch, dass sich immer noch wenige für Studienfächer aus dem Bereich Informatik entscheiden.
„Kein Schulsystem kann besser sein als seine Lehrer“, sagte Schleicher. Positiv sei, dass die Gehälter der Lehrkräfte gestiegen sind. Sie gehören im internationalen Vergleich zu den Spitzenverdienern. Nur in Luxemburg könnten Lehrkräfte mehr verdienen. Gleichzeitig zeige sich jedoch auch, dass die Bezahlung nicht der Grund für den Mangel an Lehrkräften sei. „Es erweist sich, dass die Attraktivität des Lehrerberufs nicht nur an der Bezahlung liegt“, sagte KMK-Präsidentin Karin Prien. Lehrkräften fehle die Arbeit im Team, die Entwicklungsmöglichkeiten und das individuelle Arbeiten mit Kindern außerhalb des Klassenverbandes, so Schleicher. Auch die fehlende gesellschaftliche Anerkennung des Berufs führe dazu, dass Lehrer fehlen, sagte Prien.