Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Nie war es schwieriger“
Die NRW-Wirtschaftsministerin zur Einigung mit RWE und zu Lützerath.
Frau Neubaur, die Grüne Jugend wirft Ihnen vor, Profitinteressen von RWE zu folgen.
NEUBAUR Ich habe unabhängige Gutachten in Auftrag gegeben, die berechnen sollten, ob der Erhalt Lützeraths möglich ist. Und zwar sowohl in energiewirtschaftlicher wie auch in wasserwirtschaftlicher und tagebauplanerischer Hinsicht. Alle drei Gutachten kamen zu dem Schluss: Bei den jetzt notwendigen Energiemengen zur Wahrung der Energiesicherheit ist das nicht möglich. Sich darüber hinwegzusetzen, wäre unverantwortlich und nicht mein Anspruch, Politik zu gestalten.
Es wird Proteste geben.
NEUBAUR Ich habe Respekt davor, dass ein großer Teil der friedlichen Klimaschutzbewegung immer wieder für die Menschheitsaufgabe Klimaschutz auf die Straße geht. Zur Räumung der Siedlung Lützerath, die rechtlich ja eindeutig ausgeurteilt im Besitz und Eigentum von RWE ist, werden wir im Sinne der Deeskalation den Initiativen Angebote zu Gesprächen machen.
Kritiker sagen: Wenn die Kohle unter Lützerath verfeuert wird, erreicht NRW seine Klimaziele nicht. NEUBAUR Der Tagebau Garzweiler II in seinen jetzt genehmigten Abmessungen ermöglicht die Entnahme von 560 Millionen Tonnen Braunkohle. Durch den vorgezogenen Kohleausstieg 2030 wird die zu entnehmende Menge um die Hälfte reduziert: 280 Millionen Tonnen Braunkohle und entsprechend viel weniger CO2-Ausstoß. Das ist ein großer Schritt hin zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels. Damit wir das schaffen, müssen jetzt außerdem dringend erneuerbare Energien ausgebaut werden. Alle Bereiche müssen mitwirken: Wohnen, Verkehr, Landwirtschaft – alle müssen einen Teil beitragen.
Wie weit wird noch abgebaggert? NEUBAUR Zu den Details werden wir zeitnah eine neue Leitentscheidung fassen. Die heutige Botschaft für die Menschen in der Region ist: Die Dörfer des dritten Umsiedlungsabschnitts werden erhalten, die Menschen dort und die Familien, die an den jetzt erhaltenen Feldhöfen leben, müssen nicht mehr gegen ihren Willen umsiedeln. Das ist ein Erfolg für den gesellschaftlichen Frieden in der Region.
Was sagen Sie zur Kritik, in der der Energiekrise sei ein früher Kohleausstieg das falsche Signal? NEUBAUR Nie war es schwieriger, als Grüne in Regierungsverantwortung zu sein – und nie war es zugleich wichtiger. Wir sind in dieser akuten Krise bereit, pragmatisch die notwendigen Schritte zur Versorgungssicherheit zu tun, verlieren dabei aber gleichzeitig die Verantwortung, für kommende Generationen das Klima zu schützen, nicht aus den Augen.