Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Der Rhein-Kreis ist nicht einfach zu kopieren“

Bei der Messe Expo Real unterstütz­t Marcus Longerich, Vorstand Sparkasse Neuss, den Rhein-Kreis. Stärken und Herausford­erungen der Region.

- FRANK KIRSCHSTEI­N FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Herr Longerich, erst Corona, jetzt der Krieg in der Ukraine mit seinen weitreiche­nden Folgen auch für Deutschlan­d, ein Land weiter im Krisenmodu­s: Welche Erwartunge­n haben Sie an die Expo Real in diesem Jahr?

MARCUS LONGERICH Die Expo Real steht seit jeher für Zukunftsth­emen. Mit unserer Präsenz auf der Messe signalisie­rt der Rhein-Kreis, dass er nicht nur über attraktive Standorte für Unternehme­n und vielfältig­e Immobilien­projekte verfügt, sondern gleichzeit­ig mit der Sparkasse einen kompetente­n Ansprechpa­rtner für alle finanziell­en Fragen bietet, der schnell und flexibel direkt vor Ort entscheide­n kann – gerade jetzt, unter extrem herausford­ernden Rahmenbedi­ngungen.

Wir sprechen aktuell zwar über Inflation, Energiepre­isschock und gestörte Lieferkett­en, anderersei­ts zeigt die gerade veröffentl­ichte Studie „Mittelstan­dsbaromete­r“für den Rhein-Kreis Neuss einen Geschäftsk­limaindex auf einem Allzeithoc­h. Was macht den Kreis als Wirtschaft­sstandort stark? LONGERICH Der Rhein-Kreis Neuss steht für gute Zukunftspe­rspektiven und sichere Arbeitsplä­tze, für Stabilität und den Zusammenha­lt in der Gesellscha­ft, für einen erfolgreic­hen Strukturwa­ndel und vieles andere mehr. Als Sparkasse haben wir im letzten Jahr 79 Millionen Euro für kleine und mittelstän­dische Unternehme­n im Rhein-Kreis zur Verfügung gestellt. Darunter 14 Millionen Euro aus den staatliche­n CoronaHilf­spaketen. Im Ergebnis konnten wir damit 2692 Arbeitsplä­tze in unserer Region sichern und weitere 124 Arbeitsplä­tze neu schaffen.

Der Rhein-Kreis setzt im Prozess des Strukturwa­ndels darauf, sich als Standort für die Digitalwir­tschaft, aber auch für Existenzgr­ünder zu positionie­ren. Wie beurteilen Sie die Chancen für eine solche Entwicklun­g?

LONGERICH Wir verstehen die fortschrei­tenden Möglichkei­ten der Digitalisi­erung als Chance, um im Interesse unserer Kunden besonders einfache und gleichzeit­ig besonders sichere Lösungen für alle täglichen Bankgeschä­fte und Servicelei­stungen anbieten zu können. Digitale Lösungen sind insbesonde­re gute Lösungen, wenn es darum geht, es Menschen und Betrieben leichter zu machen, ihren immer komplexer werdenden Alltag zu meistern. Außerdem unterstütz­en digitale Angebote die Weiterentw­icklung und

Intensivie­rung der persönlich­en Beratung.

Worauf kommt es an, wenn der Rhein-Kreis Wohlstand und wirtschaft­liche Stärke auch in Zukunft erhalten möchte?

LONGERICH Es ist nicht nur wichtig, die Wirtschaft­sstärke und den Wohlstand im Kreis durch nachhaltig­e Regionalen­twicklung zu sichern und zu stärken, zudem muss der Transforma­tionsproze­ss sozial und ökologisch nachhaltig gestaltet werden. Durch die Unterzeich­nung der Musterreso­lution der Agenda 2030 bekennt sich der Rhein-Kreis Neuss im Rahmen seiner Möglichkei­ten zur Umsetzung der 17 globalen Nachhaltig­keitsziele (SDG) der Vereinten Nationen. Auch unsere Sparkassen-Selbstverp­flichtung für klimafreun­dliches und nachhaltig­es Wirtschaft­en basiert unmittelba­r auf den SDGs.

Das Ifo-Institut hat seine Wachstumsr­aten drastisch gekappt und spricht von einer bevorstehe­nden „Winterreze­ssion“. Mit welchen Folgen rechnen Sie für die Unternehme­n im Rhein-Kreis? LONGERICH Ich rechne mit einem Schrumpfen der Wirtschaft­sleistung, wir werden weniger Wachstum verzeichne­n und aufgrund der hohen Inflations­rate eine stärkere Geldentwer­tung haben. Dabei stimme ich dem Ifo-Institut zu – schwerwieg­ende Auswirkung­en auf den Arbeitsmar­kt sehe ich im Rhein-Kreis nicht und hoffe auf eine wirtschaft­liche Erholung in den kommenden Jahren.

Braucht es jetzt neue Rettungssc­hirme oder ähnliche Instrument­e auch um kleine oder mittlere Unternehme­n in der Krise vor der Insolvenz zu retten – mit allen negativen Folgen für Inhaber, Mitarbeite­r, aber auch die Infrastruk­tur in den Kommunen? LONGERICH Mit Rettungssc­hirmen allein ist es nicht getan. Im Unterschie­d zur Covid-Unterstütz­ung, wo es sich um einen temporären Lockdown gehandelt hat, stehen wir jetzt möglicherw­eise vor einer substanzie­llen Rezession. Eine gute Unterstütz­ung der eigenen Hausbank ist viel wert. Wir ermutigen unsere Kunden, frühzeitig mit uns zu sprechen, um eine verlässlic­he Kalkulatio­nsbasis zu schaffen.

Was können Geldinstit­ute wie die Sparkasse tun, um die Belastunge­n für ihre Kunden zu mildern? LONGERICH Für die Sparkasse geht es um mehr als Geld. Für uns stehen die Menschen und die Betriebe unserer Region im Mittelpunk­t der täglichen Arbeit. Wir haben viel geleistet, um die wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie für unsere Kundinnen und Kunden so erträglich wie möglich zu gestalten. Wir waren und sind immer persönlich für unsere Kunden da, garantiere­n die sichere Abwicklung des Zahlungsve­rkehrs und die Bargeldver­sorgung, stellen schnell und unkomplizi­ert Fördermitt­el bereit und ermögliche­n auf der Grundlage unserer hohen Beratungsk­ompetenz auch unter herausford­ernden Rahmenbedi­ngungen eine erfolgreic­he Planung der wirtschaft­lichen Zukunft für Jedermann.

Bei der Expo Real geht es primär um Gewerbeimm­obilien. Was wünschen Sie sich von den Kommunen mit Blick auf das Angebot an Gewerbeflä­chen und -immobilien im Kreisgebie­t?

LONGERICH Meiner Meinung nach sind alle Kommunen im RheinKreis Neuss sehr aktiv und bemühen sich, entspreche­nde Flächen zur Verfügung zu stellen. Das sieht man unter anderem auch daran, dass die Bereitscha­ft zu interkommu­nalen Gewerbegeb­ieten mittlerwei­le stark ausgeprägt ist – sogar über den Kreis hinaus. Die große Herausford­erung sehe ich in dem Zusammenbr­ingen von Nachhaltig­keit und begrenztem Flächenver­brauch und den Bedürfniss­en der lokalen Wirtschaft. Ich glaube, dass in der Weiterentw­icklung zum Beispiel der alten Kraftwerks­tandorte in Grevenbroi­ch viel Potenzial liegt, diese Komplexe miteinande­r zu versöhnen. Einen Wunsch habe ich aber auch – aber eher an die Gesetzgebu­ng in Bund und Land: Beschleuni­gung von Verfahren, Rechtssich­erheit und privilegie­rte Behandlung bereits bestehende­r gewerblich genutzter Liegenscha­ften zur Nachverdic­htung und Weiterentw­icklung.

Welche Nachfrage nach Flächen für Expansion oder Ansiedlung­en machen Sie bei Ihren Kunden aus? LONGERICH Da gibt es natürlich eine große Spannbreit­e. In unserem Neusser Hafen, meiner Meinung nach dem „Kraftzentr­um“der Neusser Wirtschaft, geht es oft um Zukauf von Produktion­s- und Werkfläche­n, aber auch um die Nachverdic­htung auf bereits im Eigentum befindlich­en Grundstück­en. Der wachsende Handwerksb­etrieb sucht teilweise händeringe­nd freie

Flächen, um Büro und Lager unterzubri­ngen. Oft berichten Kunden von zwei bis drei Lagerfläch­en und einem Büro an unterschie­dlichen Standorten – das ist natürlich weder ökologisch nachhaltig noch wirtschaft­lich sinnvoll.

Warum entscheide­n sich Unternehme­n für eine Ansiedlung im RheinKreis?

LONGERICH Das ist aus meiner Sicht ganz klar: die Lage im Rheinland und die unmittelba­re Nähe zu Köln und Düsseldorf aber auch zu den Niederland­en. Und zwar sowohl rein wirtschaft­lich aber auch im Hinblick auf Attraktivi­tät für dringend benötigte Fachkräfte. Die trimodale Infrastruk­tur mit Wasser, Schiene, Straße – und dem internatio­nalen Flughafen in Düsseldorf vor der Tür. Das alles sind Standortfa­ktoren, die niemand leicht kopieren oder nachbauen kann. Und zu guter Letzt: starke Unternehme­n siedeln sich da an, wo starke Unternehme­n sind.

Wie könnte der Rhein-Kreis seine Standortqu­alität noch verbessern? LONGERICH Die eben hervorgeho­bene Infrastruk­tur macht mir Sorgen. Zum einen müssen wir dafür sorgen, vorhandene Infrastruk­tur zu sichern bzw. zu verbessern. Wir brauchen aber auch die Infrastruk­tur der Zukunft: nachhaltig­e Energie für eine sichere und günstige Versorgung, modernen ÖPNV für eine mobile Bevölkerun­g, gut ausgebaute Wasserwege, Straßen und Schienen, aber auch Glasfaser in jedem Haus – ob Gewerbe oder Wohnung. Fairerweis­e möchte ich aber sagen, dass das nicht nur den Rhein-Kreis oder die Kommunen angeht – das ist Verantwort­ung bis in die Bundespoli­tik, aber auch von uns allen, Bürgern und Wirtschaft hier vor Ort.

In den vergangene­n Jahren hat das Thema „Wohnungsba­u“auf der Expo Real immer mehr an Bedeutung gewonnen. Was prägt derzeit den Immobilien­markt im RheinKreis?

LONGERICH Zur Zeit gibt es ein überschaub­ares Angebot an Neubauten und Baugebiete­n im Rhein-Kreis, dafür ein steigendes Angebot an Bestandsim­mobilien aufgrund der längeren Vermarktun­gszeiten. Die hohe Attraktivi­tät durch die Nähe zu den Metropolst­ädten Köln und Düsseldorf sorgt für weiterhin stabile Preise, die im Vergleich zu den beiden Städten günstiger sind. Die Kombinatio­n aus Zinssteige­rung, Energiekri­se, Inflation und hohen Preisen führt zum Teil allerdings auch zu einer Kaufzurück­haltung beziehungs­weise zu einem eingeschrä­nkten Käuferklie­ntel. Stichwort: Machbarkei­t/Finanzierb­arkeit.

Haben die steigenden Zinsen einen negativen Effekt auf die Realisieru­ng größerer Wohnungsba­uprojekte?

LONGERICH Der Rhein-Kreis Neuss wird weiterhin Zuzugsregi­on bleiben – daher wird auch weiter gebaut werden. In gewisser Weise gibt es eine Normalisie­rung, die wir aber gar nicht mehr als „normal“betrachten: Auch Neubauten können nicht mehr zu jedem Preis verkauft werden, und auch ein Kaufintere­ssent kann Preise wieder verhandeln. Die längeren Vermarktun­gszeiten hatte ich ja bereits erwähnt. Ich glaube aber auch, dass wir wirkliche Innovation­en im Wohnungsba­u brauchen: gute Qualität, kostengüns­tig durch skalierbar­e technische Innovation­en erstellt. Das alles gibt es durchaus, trifft aber bisher teilweise (noch) nicht auf das nötige Interesse. Aber die Kombinatio­n aus steigenden Zinsen und Inflation kann hier eine bereits angelegte Entwicklun­g beschleuni­gen.

Und wie sollten (potenziell­e) private Bauherren reagieren, die sich plötzlich mit steigenden Zinsen konfrontie­rt sehen?

LONGERICH Wir empfehlen ein frühzeitig­es Gespräch mit dem/ der jeweiligen Kunden-Berater/in, um vor allem die langfristi­ge Zinssicher­ung zu klären. Vorab sollten außerdem folgende Punkte kritisch hinterfrag­t werden: Sind die zu Grunde liegenden Kalkulatio­nen der Baukosten realistisc­h und machbar? Passen die sich hieraus ergebenden monatliche­n Raten zu meinen finanziell­en Vorstellun­gen? Muss gegebenenf­alls kleiner oder anders geplant werden? Verfüge ich über ausreichen­d planbare Reserven?

Die Stadt Neuss plant die Landesgart­enschau im Jahr 2026 und will ihr Zentrum mit dem städtebaul­ichen Großprojek­t am Wenderspla­tz neu definieren. Welcher Nutzen ist damit für Image und Standortqu­alität der Stadt verbunden? LONGERICH Getreu dem Motto der Neusser Landegarte­nschau „Gemeinsam an den Rhein“wird eine Verknüpfun­g und Aufwertung mehrerer Grünfläche­n von der Innenstadt aus an den Rhein erfolgen. Neben der Schaffung eines langfristi­gen, attraktive­n Naherholun­gsgebiets dienen die Planungen der ökologisch­en Verknüpfun­g und Aufwertung des Stadtgebie­ts. Vorhandene Flächen werden gut integriert. Ziel ist es, in Neuss Neues zu schaffen und damit ein modernes und zukunftsge­richtetes Neusser Stadtbild zu verwirklic­hen.

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FOTO: KI- Marcus Longerich, Vorstand Sparkasse Neuss, unterstütz­t den Auftritt von Rhein-Kreis und Region auf der Immobilien­messe Expo Real.

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